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18. Dezember 2019 Presse

„Der Wald ist global unter Druck“
Christoph Hoffmann, entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und Förster, fordert ein massives weltweites Aufforstungsprogramm

Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 23. Dezember 2019)

– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –

Anlässlich der am Donnerstag anstehenden Bundestagsdebatte zum Zustand des Waldes hat sich der entwicklungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Christoph Hoffmann, für ein massives weltweites Aufforstungsprogramm ausgesprochen, um dem Klimawandel zu begegnen. Mit der Aufforstung von 350 Millionen Hektar Wald „könnten wir viele Jahrzehnte Zeit gewinnen in diesem Klimawettlauf, um die fossilen Brennstoffe aus dem Verkehr zu ziehen“, sagte der FDP-Abgeordnete und einzige Förster im Bundestag in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 23. Dezember 2019). Finanziell und technisch sei das machbar, meinte Hoffmann und kritisierte, dass ein entsprechender Antrag seiner Fraktion im parlamentarischen Verfahren keine Mehrheit gefunden hat.

„Der Wald ist global unter Druck“, betonte Hoffmann. Auch der Zustand des Waldes in Deutschland bereitet dem Liberalen Sorgen. „Wir haben in Deutschland so hohe Waldschäden wie in meiner Erinnerung noch nie“, sagte der Abgeordnete. Neben trockenen Warmperioden würden auch große Stürme den Wäldern zusetzen. „Viele unterschätzen bei der Klimaentwicklung die Windgeschwindigkeiten, die sich immer weiter erhöhen“, sagte Hoffmann. 

Das Interview im Wortlaut:

Bei den Weltklimakonferenzen geht es immer auch um die Rolle des Waldes als globaler CO2-Speicher. Zuletzt in Madrid richteten sich die Augen dabei vor allem auf Brasilien und seinen Präsidenten Bolsonaro. Aber ist der Wald nicht an vielen Stellen der Erde bedroht?

Der Wald ist global unter Druck. Wir haben wirklich massive Probleme in Brasilien, wo der Präsident die Bauern ermuntert, weiter Agrarflächen zu schaffen. Aber auch im Nachbarland Bolivien steht der Amazonas massiv unter Druck. Oder schauen wir auf Indonesien, da hat es so viel gebrannt wie schon lange nicht mehr, was auch schon zu Konflikten geführt hat. Singapur hat sich da beschwert über die Rauchschwaden. Aber auch in Afrika sehen wir das überall: Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Kongo, wo die Wälder im großen Stil und immer schneller verschwinden zugunsten von Plantagen. Ich habe gerade in jüngster Zeit einen Fall erlebt im Kongo, wo massiv Urwälder vernichtet worden sind zugunsten von Kautschuk-Plantagen. Das sind chinesische Firmen, die das machen.

In Afrika soll sich die Bevölkerung bis Mitte dieses Jahrhunderts verdoppeln und bis Ende des Jahrhunderts verdreifachen. Ist da der Wald überhaupt noch zu retten?

Ich denke schon. Afrika hat große Flächenreserven. Es ist nicht so, dass Afrika überquillt und für die Bevölkerung kein Platz mehr ist. Es ist eigentlich eher ein Verteilungsproblem. Afrika ist sehr reich und leidet in weiten Teilen unter schlechter Regierungsführung. Viele Staaten haben autokratische Führer, die sich selbst bereichern und an ihr eigenes Volk nicht denken. Ich glaube, da muss auch Europa mehr tun, um die Staaten zu stabilisieren, damit sie Struktur haben, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Demokratie, Meinungsfreiheit garantieren können, damit die Wirtschaft in Schwung kommt und man nicht nur von der Plünderung der Ressourcen lebt.

Wie groß sind die Möglichkeiten von Deutschland und Europa, da einzuwirken?

Eigentlich, wenn wir uns einig wären, relativ gut. Aber Europa selbst ist sich ja nicht einig. Denken Sie nur an Nordafrika, an Libyen. Wenn wir uns da nicht einig werden, werden andere es für uns erledigen. Die Türkei steht in den Startlöchern, auch Russland hat schon Söldner dorthin geschickt. Wir Europäer müssen uns zusammenraufen, denn es geht auch um unsere Zukunft.

Wie steht es um den deutschen Wald nach zwei heißen, trockenen Sommern?

Wir haben in Deutschland so hohe Waldschäden wie in meiner Erinnerung noch nie. Durch Dürre, Käfer, Pilzbefall, Stürme haben wir zusammenaddiert etwa 1,8 Prozent der Waldfläche mit Schäden, die wir wiederaufforsten müssen. Das liegt langsam schon über der Grenze der Nachhaltigkeit. Das heißt, wir haben eigentlich jetzt schon ein bisschen Substanzabbau durch diese Klimaschäden in Deutschland erlebt. Das muss aber nicht jedes Jahr so sein.

Ist das der Klimawandel?

Ja. Wir müssen da in die Historie der Klimadaten schauen. 1975 war ein superschöner Sommer. Da hat es in Europa auch fast nicht geregnet, zusammen mit den hohen Schadstoffeinträgen ergab das das Waldsterben 1.0. Es lag natürlich an vielerlei Dingen, aber die mangelnde Versorgung mit Wasser war damals schon ein Thema. Dann kam 2003, auch ein superheißer Sommer. Und jetzt 2018 und 2019 nochmal eine Super-Trockenheit. Man sieht, diese trockenen Warmperioden kommen in immer kürzeren Abständen. Wir haben auch große Stürme erlebt wie Lothar oder Kyrill, denen große Waldflächen zum Opfer gefallen sind. Viele unterschätzen bei der Klimaentwicklung die Windgeschwindigkeiten, die sich immer weiter erhöhen. Gerade sind dieser Tage in Südfrankreich wieder Rekorde gemessen worden. Es ist einfach viel mehr Energie im System. Und die große Angst ist, dass sich steigernd immer mehr solche Schäden auftreten. Aber ich glaube, wir haben noch die Zeit und die Möglichkeit, das zu verhindern, und da sollten wir auch alles daransetzen.

Was kann die Politik da tun, um das zu verhindern?

Wir haben als Freie Demokraten in diesem Jahr einen Antrag gestellt, der hieß „Weltweit mehr Wald für den Klimaschutz“. Wenn es uns gelingen würde, und das geht technisch und auch finanziell, 350 Millionen Hektar Wald aufzuforsten, könnten wir viele Jahrzehnte Zeit gewinnen in diesem Klimawettlauf, um die fossilen Brennstoffe aus dem Verkehr zu ziehen. Das würde wirklich was bringen. Leider haben wir keine Mehrheit gefunden im Parlament. Das war für mich als einzigen Förster im Bundestag ein bisschen traurig. Manchmal ist das Parteigeplänkel leider vorrangig.

Wegen der Trockenschäden gibt es derzeit ein Überangebot an Holz. Was bedeutet das für die Waldbesitzer, die zum Teil davon leben?

Für die Waldbesitzer und gerade für die kleinen Privatwald-Besitzer ist das eine immense Katastrophe, weil der Holzmarkt noch auf Jahre verstopft sein wird. Die Sägeindustrie kann nur eine gewisse Menge aufnehmen. Wenn dann der Markt gesättigt ist, fallen die Preise fast ins Bodenlose. Die Untergrenze des Preises sind im Grunde die Holzaufarbeitungskosten, denn irgendwann sagt der Waldbesitzer: Wenn es sich nicht mehr lohnt, den Stamm zu verkaufen, wenn ich nicht einmal mehr meine Kosten für den Einschlag bekomme, dann lasse ich lieber den vertrockneten Baum da herumstehen. Das hat dann wieder gravierende Folgen, weil Sekundärschädlinge zu einer Massenvermehrung kommen, zum Beispiel Bockkäfer. Wenn ein Überangebot von trockenem Holz da ist und diese Käfer sich stark vermehren, dann weichen sie irgendwann aus in den von ihnen eher ungeliebten gesunden Wald. Zudem sind die trockenen Stämme eine immense Gefahr für die Waldarbeiter. Wenn Teile von diesen Bäumen herunterfallen, gibt es unglaublich viele Arbeitsunfälle. Aus diesem Grund muss man sie möglichst bald entfernen, solange die Stämme noch in sich stabil sind und nicht auseinanderbrechen, wenn sie umfallen.

Sollte dann die Politik in diesem Fall regulierend in den Markt eingreifen?

Es gibt ja das Forstschädenausgleichsgesetz. Leider hat Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) das bis heute nicht zur Anwendung gebracht. Außerdem wäre eine Möglichkeit, den Einschlag von Frischholz in den öffentlichen Wäldern zu begrenzen. Ein großer Teil der Wälder ist im staatlichen oder kommunalen Besitz. Natürlich sind die Waldbesitzer gehalten, jetzt kein Frischholz einzuschlagen, solange der Preis nicht gut ist. Aber es gibt viele, die es trotzdem tun, um ihren eigenen Betrieb am Laufen zu halten. Die eine oder andere Stadt sagt auch, wir wollen die Einnahmen noch haben, wir wollen nicht drauflegen beim Wald, und schlagen wieder Frischholz ein. Das könnte man stoppen.

Was aber kaum ausreichen dürfte, um angesichts der großen vorhandenen Menge Totholz den Markt zu normalisieren.

Deshalb bräuchten wir eine Einschlags- und Verwertungshilfe für die geschädigten Hölzer. Und zwar in Form der thermischen Verwertung, also des Verbrennens als Pellets oder Spänen. Kohlekraftwerke kann man zum Beispiel über einen gewissen Zeitraum auch mit Pellets und Spänen fahren. Das wäre ein Kanal, der den Markt entlasten würde. Die Holzexporte übrigens, etwa nach China, laufen recht gut. Der Hunger der aufstrebenden Schwellenländer nach Bauholz ist relativ stark, und diese Märkte sind nicht so empfindlich, wenn das Holz mal einen blauen oder roten Streifen hat, was es durch Lagerung bekommen kann.
 

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