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Landwirtschaft

Kontroverse um Milchbauern

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(dpa/Heinz Hirndorf)

Als Reaktion auf den Einbruch des Milchmarktes im vergangenen Jahr hat Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) die geplanten Sonderhilfen für die deutschen Milchbauern verteidigt. Mit dem so genannten Grünlandmilchprogramm würden Existenzen und Arbeitsplätze gesichert, würden Grünflächen erhalten und Familien unterstützt, sagte Aigner am Dienstag, 19. Januar 2010, bei der Bundestagsdebatte um den Etatentwurf des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die enge Verbindung von Landwirtschaft, Klimaschutz und Energieversorgung sei eine der zentralen Fragen ihres Ministeriums. Die Opposition warf Aigner hingegen vor, mit den Soforthilfen Geld zu vergeuden, das spätestens in den kommenden Jahren dringend für strukturelle Änderungen in der Landwirtschaft benötigt werde.

Im Etatentwurf des Ministeriums sind für 2010 Ausgaben von insgesamt 5,86 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist eine gute halbe Milliarde Euro mehr als dem Ressort im vergangenen Jahr zur Verfügung gestanden hatte. Der größte Teil entfällt dabei auf die landwirtschaftliche Sozialpolitik: Allein zwei Drittel der Ausgaben (3,8 Milliarden Euro) sind für Zuschüsse, wie etwa zur Alterssicherung der Landwirte, zur Unfallversicherung und zur Krankenversicherung vorgesehen.

Prämie je Hektar Grünland und je Kuh

Die Haushaltsdebatte am Dienstag entzündete sich jedoch an den eher kleinen Ausgabeposten: an dem Sonderprogramm für die Milchbauern, für das 2010 und 2011 insgesamt 750 Millionen Euro eingeplant sind, und am Verbraucherschutz, der mit 115,61 Millionen Euro verhältnismäßig gering dotiert ist.

Beim Grünlandmilchprogramm will der Bund den Milcherzeugern eine Prämie je Hektar Grünland und eine „Kuhprämie“ zahlen. 2010 sollen dafür 300 Millionen Euro bereitstehen, für 2011 sind weitere 200 Millionen Euro eingeplant. Weitere 25 Millionen Euro sollen zur Zinsverbilligung bei Liquiditätshilfekrediten abgerufen werden können.

„Viertgrößter Forschungsetat“

Ein Sonderprogramm für die Milchwirtschaft habe es in dieser Größenordnung noch nicht gegeben, betonte Aigner. Sie freue sich für die Bauern, dass es der schwarz-gelben Regierung gelungen sei, das Programm in nur drei Wochen nach Bildung der Koalition zu entwickeln.

Weitere zentrale Themen seien für sie der Bereich Forschung und Innovation, für den sie in diesem Jahr 400 Millionen Euro eingeplant habe. Dies sei der viertgrößte Forschungsetat der Bundesregierung. Und auch im Verbraucherschutz seien noch „dicke Bretter“ zu bohren. Auch deshalb werde die Stiftung Warentest mit mehr Kapital ausgestattet.

„Kurzfristige Mitnahmeeffekte“

Der SPD-Agrarexperte Wilhelm Priesmeier kritisierte, das Grünlandmilchprogramm stehe lediglich für „kurzfristige Mitnahmeeffekte“ statt für einen sinnvollen Strukturwandel in der Milchpolitik. Das Programm sei „mit heißer Nadel gestrickt“.

Angesichts der „exorbitanten Verschuldung“, die im aktuellen Bundeshaushalt anstehe, sei dies nicht die Zeit, „um schuldenfinanzierte Geschenke zu machen“. Die Ministerin verschenke mit dem Programm „den finanzpolitischen Spielraum, den wir in Zukunft noch dringend brauchen werden“.

„Ordnungspolitischer Sündenfall“

Er gebe Kritikern Recht, die das Programm als „ordnungspolitischen Sündenfall“ bezeichnet hätten, sagte Priesmeier weiter. Nach den Milchbauern könnten nun auch die Fleischrindhalter, die Schweinezüchter und Ziegen- und Schafhalter Geld von der Regierung verlangen.

Wirklich sinnvoll sei dagegen „kurz- und mittelfristig eine Milchpolitik, die wettbewerbsgerecht ist“, betonte der SPD-Politiker. Erforderlich seien die Förderung von Erzeugergemeinschaften und ein Wettbewerbsrecht, bei dem die Molkereien auf Augenhöhe mit dem Einzelhandel verhandeln könnten.

„Vielen Betrieben steht das Wasser bis zum Hals“

Ähnlich äußerte sich Alexander Süßmair (Die Linke). Das Grünlandmilchprogramm biete den Bauern Geld, das diese „sicher gerne nehmen und brauchen“. Es diene aber lediglich zur Beruhigung der Lage und nicht der Überwindung der strukturellen Krise.

Der Preisverfall bei der Milch habe die Bauern im vergangenen Jahr hart getroffen, betonte Süßmair. Vielen Betrieben stehe das Wasser bis zum Hals. Doch angesichts von Milliarden-Ausfällen seien die 300 Millionen Euro des Sofortprogramms nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

„Blanke Hoffnung auf den Markt“

Als die Milchbauern 2009 auf die Straßen gegangen seien, hätten sie zudem nicht für staatliche Hilfsgelder demonstriert, sondern für gerechte und faire Erzeugerpreise, sagte der Linken-Abgeordnete. Die Milchbetriebe benötigten „etwa 40 Cent“ pro Liter Milch, um ihre Existenz sichern zu können.

Statt entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, setze die Bundesregierung jedoch „die blanke Hoffnung auf den Markt“. Dabei habe die Finanzkrise gezeigt, dass der reine Markt nicht funktioniere. „Wenn Sie diese Politik nicht ändern, werden die Betriebe kaputtgehen“, sagte Süßmair.

„Programm ohne Alternative“

Der Haushaltsexperte und Agrarpolitiker Georg Schirmbeck (CDU/CSU) hielt dagegen, das Grünlandprogramm entspreche vollauf der Idee der sozialen Marktwirtschaft. Bei den Soforthilfen handele es sich um kurzfristige Hilfen, um die aktuelle Krise abzumildern, und nicht um eine dauerhafte Unterstützung. Das Programm sei ohne Alternative. Zudem könne es nicht sein, dass Unterschiede in der Wirtschaftlichkeit zwischen Betrieben derselben Branche mit Steuermitteln ausgeglichen würden.

Angesichts der aktuellen Haushaltslage gehe es ferner darum, „mit weniger Geld mehr Effizienz“ in den einzelnen politischen Bereichen zu erreichen, sagte Schirmbeck. Ein Beispiel sei die geplante Aufstockung des Stiftungskapitals der Stiftung Warentest um 50 Millionen Euro. Damit werde in der Zukunft weniger Geld aus dem Bundeshaushalt notwendig und zugleich die Stiftung unabhängiger als bisher.

„Ernüchternde Zahlen“

Auch der FDP-Politiker Hans-Peter Haustein verwies auf die knappe Kassenlage. „Die Zahlen sind ernüchternd“, sagte er. Die 5,86 Milliarden Euro für das Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium entsprächen gerade einmal 1,9 Prozent des gesamten Haushalts. Wenn davon die Ausgaben für die sozialen Aufgaben und für den Ministeriumsbetrieb abgezogen würden, blieben dem Ressort nur noch rund zwei Milliarden Euro zur freien Politikgestaltung.

Dennoch trage der Ministeriumshaushalt auch eine liberale Handschrift, zum Beispiel in der Liquiditätshilfe für die Milchbauern. Das Grünlandmilchprogramm sei „eine gute Sache“, die den Milchbauern helfe.

„Lieber die Lebensmittel-Ampel einführen“

Die Verbraucherexpertin von Bündnis 90/Die Grünen, Nicole Maisch, erklärte, aus verbraucherpolitischer Sicht sei Aigners Haushaltsentwurf mangelhaft. Zwar sei es positiv, dass für die Verbraucherpolitik in diesem Jahr mehr Geld zur Verfügung stehen solle. Doch angesichts des Beratungsbedarfs im Nachgang zur „größten Finanzkrise der Geschichte“ sei das immer noch zu wenig.

Zudem würden, gerade was die Informationen für Verbraucher betreffe, die falschen Prioritäten gesetzt. Bei der Ernährung etwa solle die Regierung lieber die Lebensmittel-Ampel einführen, die „überhaupt nichts kosten würde und viel Geld für Broschüren sparen würde“.

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