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Parlament

Ex-Minister Jung Zeuge

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(picture-alliance/dpa)

Nach Ex-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Ex-Staatssekretär Dr. Peter Wichert vernimmt der Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages am Donnerstag, 25. März 2010, den früheren Bundesverteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung (CDU) als Zeugen. Die öffentliche Sitzung beginnt um 14 Uhr im Anhörungssaal 3.101 des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses in Berlin. Jung war Ende vergangenen Jahres vom Amt des Bundesministers für Arbeit und Soziales zurückgetreten, nachdem Vorwürfe im Zusammenhang mit dem von der Bundeswehr angeforderten Bombenangriff auf zwei von den Taliban entführte Tanklaster in der Nähe von Kundus in Afghanistan in der Nacht auf den 4. September 2009 laut geworden waren. Der Angriff hatte bis zu 142 auch zivile Opfer zur Folge.

Jung war damals Verteidigungsminister, Dr. Peter Wichert sein Staatssekretär und General Wolfgang Schneiderhan Generalinspekteur der Bundeswehr. Mit Bildung der neuen Bundesregierung nach der Bundestagswahl vom 27. September 2009 hatte der frühere Wirtschaftsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) das Verteidigungsressort übernommen, Jung wechselte in das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Zeit: Donnerstag, 25. März 2010, 14.00 Uhr
Ort:  Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Anhörungssaal 3.101

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Schneiderhan wehrt sich

In der öffentlichen Sitzung des Ausschusses am 18. März hatte General a. D. Wolfgang Schneiderhan betont, während seiner Amtszeit seien alle Verteidigungsminister so beraten worden, dass sie militärische Entscheidungen hätten beurteilen können.

In einer Pause setzte Schneiderhan gegenüber einem Bekannten mit der Hand an der Stirn zum militärischen Gruß an. Ansonsten präsentierte sich der im Zuge der Kundus-Affäre von Verteidigungsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg in den Ruhestand expedierte frühere Generalinspekteur vor dem Untersuchungsausschuss ganz als Zivilist. Doch auch im dunklen Dreireiher statt in Uniform demonstrierte er, dass er das Handwerk der Abteilung Attacke noch nicht verlernt hat.

Vorwurf zurückgewiesen

Ebenso wie Ex-Staatsekretär Dr. Peter Wichert wies Schneiderhan offensiv den Vorwurf zurück, den Ressortchef falsch oder unzureichend über das von Oberst Georg Klein in der Nacht zum 4. September befohlene Bombardement zweier von den Taliban entführter Tanklaster in der Kundus-Region mit bis zu 142 Opfern samt vielen Zivilisten unterrichtet zu haben. Schneiderhan klassifizierte vom Umfeld des Ministers an Medien lancierte Darstellungen, er und Wichert hätten die Existenz weiterer Analysen neben einem NATO-Bericht zu diesem Angriff geleugnet, als „ehrabschneidend“.

Wichert sprach von „ehrenrührigen Unwahrheiten“. Starker Tobak: Der CSU-Ressortchef hatte die Korrektur seines anfänglichen Urteils, das Bombardement sei „militärisch angemessen“ gewesen, damit begründet, ihm seien wichtige Unterlagen zunächst „vorenthalten“ und „unterschlagen“ worden.

„Ressortchef für die Bewertung selbst verantwortlich“

In seiner umfangreichen Stellungnahme wie in den sich oft in Details verlierenden Fragerunden mit den Abgeordneten wollte Schneiderhan eines grundsätzlich klarstellen: Während seiner Amtszeit seien alle Minister stets so beraten worden, dass sie militärische Entscheidungen beurteilen können, für eine Bewertung sei ein Ressortchef indes „selbst verantwortlich“. Wie der einst oberste Militär zeigte sich Wichert „erstaunt“, dass Guttenberg bei seiner ersten Einschätzung den Luftschlag nicht nur als „angemessen“ eingestuft, sondern sogar gesagt habe, Klein habe gar nicht anders hätte handeln können - obwohl die Vorlagen aus dem Haus zu einem solch verschärften Urteil keinen Anlass gegeben hätten.

Minutiös schilderten die Zeugen den Ablauf der Geschehnisse bis zum 25. November, als sie ihren Hut nehmen mussten. Sie bezeichneten es als „Fehler“, dass die Presseabteilung des damaligen Ministers Dr. Franz-Josef Jung in den ersten Stunden nach dem Angriff zivile Opfer ausgeschlossen habe - was leider auch Jung für eine Weile „gebunden“ habe, meinte Schneiderhan. Sehr rasch aber, so beide Zeugen, habe man gegenüber Ministerebene, Kanzleramt und Bundestag darauf hingewiesen, dass zivile Opfer nicht auszuschließen sein. Und von Mitte September an hätten sich Hinweise verdichtet, dass bei Kleins Befehl ISAF-Regeln verletzt worden seien, erläutert Schneiderhan.

„Blanker Unfug“

Die zentrale Argumentation der Zeugen: Der Ende Oktober vorliegende und Guttenberg bekannte ISAF-Bericht, wegen dessen Erstellung auf eine nationale Untersuchung des Angriffs in Kundus verzichtet worden sei, habe „alle zur Bewertung der Vorgänge wichtigen Fakten enthalten“, betonte Wichert. Der Vorwurf der Vertuschung sei „blanker Unfug“.

Solche Vorhaltungen bezogen sich vor allem auf Schneiderhans und Wicherts Handhabung eines Feldjägerberichts mit kritischen Passagen über die Luftattacke, dessen Publikation in den Medien in der Folge zum Rücktritt des an die Spitze des Arbeitsressorts gewechselten Guttenberg-Vorgängers Jung führte. Diese Expertise habe, wie die Zeugen einräumten, weder Jung noch dessen Nachfolger direkt vorgelegen.

„Vermutungen und Spekulationen“

Allerdings habe er, so Schneiderhan, dieses Papier schon frühzeitig Jung erläutert und dann in Abstimmung mit dem Minister an die NATO weitergeleitet. Allerdings sei diese Analyse dort als wertlos eingestuft worden. Aus Schneiderhans Sicht enthält die Feldjägerstudie zu viele „Vermutungen und Spekulationen“ und zu wenig belastbare Fakten. Auch Wichert sprach von „überflüssigen“ Informationen.

Bei der Erörterung ihrer Entlassung ist es beiden Zeugen sichtlich um die Rettung ihrer Ehre zu tun. Zwar sehen sie Guttenbergs Vorwürfe, Unterlagen „vorenthalten“ und „unterschlagen“ zu haben, mittlerweile „als zum Teil ausgeräumt“ an: Der Minister sagte jüngst, er habe ihnen nicht unterstellen wollen, „vorsätzlich oder böswillig“ gehandelt zu haben. Wichert vermisst jedoch nach wie vor eine öffentliche Wiederherstellung des „beschädigten Rufs“.

„Militärisch angemessen“

Im Übrigen hielten beide Zeugen die Fahne der Truppe hoch: Anders als Guttenberg verteidigten sie Kleins Befehl an zwei US-Piloten zum Angriff nach wie vor. Der Luftschlag sei „aus operativer Sicht militärisch angemessen“ gewesen, insistierte Schneiderhan.

Eine harte Nuss für den Ausschuss: Die Abgeordneten müssen neben dem politischen und medialen Umgang der Regierung mit der Bombennacht in ihrem Abschlussbericht auch den Angriff selbst bewerten. Wer liegt richtig: Guttenberg mit seiner geänderten Einschätzung oder Schneiderhan und Wichert?

„Nicht geschoben oder vertuscht“

Die Zeugen bestätigten die Existenz einer eigens im Ministerium gegründeten „Gruppe 85“, deren Bedeutung Wichert aber zu relativieren suchte: Über dieses Team habe man im ISAF-Bericht eine einseitige Darstellung zulasten der Bundeswehr verhindern wollen, wobei nicht „geschoben oder vertuscht“ worden sei.

Sorgen im Blick auf die ISAF-Analyse, die ein „faires“ Urteil gefällt habe, seien indes unbegründet gewesen: So werde etwa vorgeschlagen, die in Kundus verletzten Einsatzregeln zu Luftschlägen weniger kompliziert zu fassen.

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