„Den bestmöglichen Standort suchen“
Mit der Anhörung von zwei Sachverständigen hat der Gorleben-Untersuchungsausschuss die Aufarbeitung der Regierungsentscheidung von 1983 begonnen, die Suche nach einem Endlager radioaktiver Abfälle auf den Standort Gorleben (Niedersachsen) zu beschränken. Ziel der öffentlichen Anhörung des Ausschusses am Donnerstag, 10. Juni, war eine allgemeine Einführung in das Thema.
Die beiden geladenen Geologen - Prof. Dr. Wernt Brewitz und Jürgen Kreusch - haben über den Kenntnisstand von 1983 in Bezug auf wissenschaftliches und technisches Wissen berichtet. „Die Materie ist sehr komplex und verlangt naturwissenschaftliches Detailwissen“, sagte die Ausschussvorsitzende Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) in der Begrüßung. „Wir wollen uns vor dem Aktenstudium ein gemeinsames Grundwissen erarbeiten.“
150-jährige Tradition des Salzbergbaus
Nach Darstellung Brewitzs ließ sich das weltweite Wissen zur Endlagerung in den 1970er Jahren noch in einer kleinen Broschüre zusammenfassen. „Länder wie die USA mit einer Nuklearwaffentechnik waren damals führend“, sagte der Professor und ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiter der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSF).
Allerdings sei auch Deutschland wegen seiner Erfahrungen im Bergbau bei der Endlagerforschung bald an die Spitze vorgestoßen. Wernt Brewitz referierte, dass in den USA von den drei möglichen Gesteinsformen für die Lagerung - Granit, Ton und Salz - das Steinsalz vorgezogen worden sei. In Deutschland bestehe eine 150-jährige Tradition des Salzbergbaus. Diese Erfahrungen habe sich die Wissenschaft bei der Endlagerforschung zunutze gemacht.
„Ein Risiko bei der Lagerung“
Im Vordergrund der damaligen internationalen Forschung habe das Verhalten der Gesteine gelegen, sagte Brewitz. Bei Granit sei man zum Ergebnis gekommen, dass dieses Gestein zwar trocken sei, aber in Rissen Feuchtigkeit aufweise - ein Risiko bei der Lagerung. Daher sei bei Granit mit einem Kupfermantel rund um den Abfall geprobt worden, der eine Haltbarkeit von 10.000 Jahren aufweise, sowie mit dem Einsatz eines Bentonitgesteins, welches eine Art Damm zu möglichen Wasserkontakten bildet.
Der Unterschied zu Salz als Lagerform bestehe genau darin, dass bei Salz auf diese technischen Hilfsmittel verzichtet werden könne. Auch hätten Erkundungen ergeben, dass es Bereiche mit wasserfreiem, also gänzlich trockenem Steinsalz gebe.
„Mehrere Orte untersuchen“
Jürgen Kreusch dagegen unterstrich, bei der Suche nach einem Endlager sei es wichtig, sich nicht auf einen Standort zu beschränken, also nicht lediglich nach einem „geeigneten“ Standort zu suchen, sondern den „bestmöglichen“. „Es wäre dumm, einen Standort nicht sorgfältig zu suchen“, sagte das ehemalige Mitglied des vom Bundesumweltministerium eingerichteten Arbeitskreises Auswahlverfahren Endlagerstandort.
So sei eine Suche am meisten Erfolg versprechend, wenn sich gleich drei oder vier Standorte mit hoher Wertigkeit zur Entscheidung anböten. „Nur so lassen sich im Vergleich Unsicherheiten minimieren.“ Dem widersprach Brewitz: „Es ist ratsam, erst einmal einen Standort genau zu untersuchen und die Fachleute entscheiden zu lassen.“ Komme man zu einem negativen Ergebnis, sei immerhin eine „Messlatte“ für andere Standorte geschaffen. Kreusch konterte: „Es ist zwingend, gleich mehrere Orte zu untersuchen. Nur so kann man im Vergleich die geringste Restunsicherheit ermessen.“
„Entscheidung lässt sich nur standortspezifisch treffen“
Ein wichtiges Kriterium für die Lagereignung sei die Beschaffenheit des Deckgebirges über einem Lager, sagte Kreusch. „Das Gebirge hat eine Barrierefunktion.“
In der anschließenden Befragung räumte Brewitz ein, dass man 1983 diese Wertigkeit so noch nicht erkannt habe. Kreusch: „Es gab damals noch keine ganz klaren Kriterien zur Bewertung, sondern mehr Aspekte wie die Erkundungsergebnisse und anschließende Modellrechnungen.“ Der Geologe meinte, bei der Entscheidung zwischen Ton, Salz und Granit gebe es kein bestes Wirtsgestein: „Solch eine Entscheidung lässt sich nur standortspezifisch treffen.“