„Zuwendungsrecht von Bürokratie befreien“
Flexiblere Handhabung des Jährlichkeitsprinzips und vermehrte Festbetragsfinanzierung: Das sind nur zwei der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Zuwendungsrechts, die in der Sitzung des Unterausschusses für bürgerschaftliches Engagement unter Vorsitz von Markus Grübel (CDU/CSU) am Mittwoch, 16. Juni 2010, vorgestellt wurden.
„Lebensferne Aufteilung in zwei Projekte“
Kerstin Piontkowski, wissenschaftliche Referentin im Deutschen Verein, machte deutlich, dass die Gebundenheit an den Grundsatz der Jährlichkeit - alle Ausgaben sind bis zum Ende des Jahres zu tätigen - für öffentliche Zuwendungsgeber und -empfänger dazu führe, dass jahresübergreifende Projekte haushaltstechnisch in zwei Projekte aufgeteilt werden müssten.
Das sei „lebensfern“, kritisierte Piontkowski. Der Deutsche Verein empfehle daher, die Zuwendungen über den gesamten Projektzeitraum zu bewilligen.
Falsche Anreize durch Fehlbedarfsfinanzierung
Ebenso werde statt der momentan verbreiteten Form der Fehlbedarfsfinanzierung der Übergang zur Festbetragsfinanzierung vorgeschlagen. Mit der Fehlbedarfsfinanzierung würden falsche Anreize gesetzt, da Projektträger, die zusätzliche Einnahmen oder Drittmittel akquirieren würden, einen Teil der Zuwendung zurückzahlen müssten.
Grundgedanke der Festbetragsfinanzierung sei es hingegen, das Vorhaben mit einem im Voraus festgesetzten Betrag zu fördern und für den Fall, dass das Projekt kostengünstiger zu realisieren sei, die Mittel beim Zuwendungsempfänger zu belassen, sagte die Mitarbeiterin des Deutschen Vereins.
Bürokratieaufwand soll abgebaut werden
Anschließend stellten Vertreter des Bundeskanzleramtes und des Statistischen Bundesamtes erste Ergebnisse des Projektes „Messung des bürokratischen Aufwandes im Zuwendungsrecht“ vor. Dabei wurde darauf verwiesen, dass der gesamte Bürokratieaufwand bis 2011 um 25 Prozent abgebaut werden soll.
Derzeit gebe es eine Gesamtbelastung der deutschen Wirtschaft von 48 Milliarden Euro pro Jahr. Es seien jedoch über 360 Vereinfachungen auf den Weg gebracht worden, die zu Entlastungen von etwa 7,2 Milliarden Euro führen würden.
„Ein zusätzlicher Bürokratiefaktor“
Der Bürokratieaufwand im Bereich des Zuwendungsrechtes habe laut Statistischem Bundesamt im Jahre 2007 bei 93 Millionen Euro gelegen. Das seien 0,2 Prozent des Betrages der Gesamtwirtschaft. Gemessen habe man die Bürokratiekosten mittels des Standard-Kosten-Modells (SKM), sagte Bernd Schmidt vom Statistischen Bundesamt.
Der Unionsabgeordnete Peter Tauber sagte, in der von Deutschen Verein vorgeschlagenen Anerkennung bürgerschaftlichen Engagements als Eigenmittel, die in den Regelungen auf Landes- und Kommunalebene eingeführt werden sollen, stecke möglicherweise ein zusätzlicher Bürokratiefaktor. Seiner Erfahrung nach sei das bisher auf kommunaler Ebene zumeist „einvernehmlich“ geregelt worden. Folge man dem Vorschlag müsse ein „recht kompliziertes Verfahren“ durchlaufen werden.
Plädoyer für bürgerfreundliche Sprache
Die SPD-Parlamentarierin Ute Kumpf verwies darauf, „dass möglicherweise das subjektive Empfinden von der Menge an Bürokratie nicht dem objektiven entspricht“. Allein mit einer „bürgerfreundlichen Sprache“ im Umgang mit den Antragstellern könnte etwas vereinfacht werden, ohne dass es materielle Änderungen gebe.
Alle Ministerien müssten daran arbeiten, „verständliche Texte und verständliche Bescheide zu formulieren“, forderte Kumpf. Sonst steigere sich der „Unmut über eine ständige Gängelung“.
„Bezahlte Pflegekräfte statt Ehrenamt“
Florian Bernschneider (FDP) regte an, durch den Einsatz neuer Medien den Bürokratieabbau voranzutreiben. Für die Abgeordnete der Linksfraktion, Heidrun Dietrich, ist die eigentliche Frage, was eigentlich Ehrenamt bedeute. Ihrer Ansicht nach darf sich dies beispielsweise nicht auf den Pflegebereich beziehen. Hier müssten bezahlte Pflegekräfte arbeiten, forderte sie.
Ohnehin habe sie den Eindruck, dass es zu einem Umbau des Staates „in Richtung Sozialwirtschaftlichkeit“ komme, wo keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze mehr geschaffen würden und stattdessen ein Arbeitskräftepotenzial bereitgestellt werde, „das steuerfinanziert ist“.
Zersplitterte Zuständigkeit für das Zuwendungsrecht
Die Grünen-Abgeordnete Britta Haßelmann kritisierte die „Ressortzersplittertheit“ der Bundesregierung in Fragen des Zuwendungsrechtes. Viele der vorliegenden Vorschläge gebe es schon seit der Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“.
Es stelle sich daher die Frage, ob die Bundesregierung überhaupt vorhabe, in dieser Legislaturperiode etwas für das Zuwendungsrecht zu tun, wie es in der vergangenen Legislaturperiode im Bereich des Gemeinnützigkeitsrecht gewesen sei.