Bundeswehrmandat im Kosovo verlängert
Mit breiter Mehrheit hat der Bundestag am Donnerstag, 10. Juni 2010, in namentlicher Abstimmung einer zwölfmonatigen Verlängerung des KFOR-Einsatzes von Bundeswehrsoldaten im Kosovo zugestimmt. 486 Abgeordnete stimmten für den von der Bundesregierung vorgelegten Antrag (17/1683, 17/2009). 71 Parlamentarier lehnten die Vorlage ab, zehn enthielten sich. Keine Zustimmung fand ein Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/2011), in dem die Regierung unter anderem aufgefordert wurde, sich für eine regionale Konfliktlösung einzusetzen mit dem Ziel, den Weg des Westbalkans in die EU zu ermöglichen.
Arbeitslosigkeit, Korruption und Kriminalität
Im Antrag der Bundesregierung wird auf die „Stabilisierung der gesamten Region“, an der die Soldaten der Bundeswehr einen „erheblichen Anteil“ hätten, hingewiesen. Angesichts der positiven Entwicklungen im Land, so heißt es weiter, könne die Personalobergrenze für die deutsche Beteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz KFOR (Kosovo Force) von bislang 3.500 Soldaten auf 2.500 gesenkt werden.
Der FDP-Abgeordnete Rainer Stinner machte deutlich, dass sich mit der Unabhängigkeit des Kosovos keineswegs alle Probleme gelöst hätten. Die hohe Arbeitslosigkeit, eine ausufernde Korruption und die steigende Kriminalität seien nur einige der Problematiken.
„Der einzig richtige Weg“
Dennoch, so befand Stinner, könne man zwei Jahre nach der Anerkennung des Kosovos als souveränen Staat sagen: „Dies war der einzig richtige Weg.“ Der KFOR-Einsatz sei so lange notwendig, bis die einheimischen Sicherheitskräfte die Sicherheit aller Bevölkerungsgruppen gewährleisten könnten, sagte der FDP-Politiker, der die geplante Reduzierung der Kontingente begrüßte.
Er könne sich vorstellen, dass die Zahl der deutschen Soldaten in naher Zukunft auch auf 800 abgesenkt werden könnte. Kritik übte Stinner am Agieren von Eulex, der Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union im Kosovo. Deren zehnjähriger Einsatz sei „kein Ruhmesblatt“.
„Mit Kritik vorsichtig und gerecht umgehen“
Angesichts der vielen Debatten um den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr sei das Engagement im Kosovo fast in Vergessenheit geraten, sagte der SPD-Abgeordnete Fritz-Rudolf Körper. Das dürfe jedoch nicht sein, forderte er. Auf den Tag genau vor elf Jahren habe die UNO beschlossen, eine internationale Übergangsverwaltung zu schaffen, erinnerte er.
Bei aller Kritik an der Verwaltung stelle er sich jedoch immer die Frage: „Was wäre passiert, wenn nichts passiert wäre?“ Daher müsse man mit der Kritik „vorsichtig und gerecht umgehen“. Dennoch sei klar, dass Eulex gerade bei der Bekämpfung der „Krake Korruption klare Kante zeigen muss“. Die Bevölkerung im Kosovo, so Körper, müsse dabei unterstützt werden, „in einer freien und offenen Gesellschaft anzukommen“.
Derzeit 1.757 Soldaten im Kosovo
Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) erinnerte daran, dass einst über 6.000 Bundeswehrsoldaten im Kosovo gewesen seien. „Aktuell sind es 1.757“, sagte er und bezeichnete die geplante weitere Absenkung als „gerechtfertigt“. Aber: „Noch wird diese abschreckenden Präsenz benötigt.“ Nach Ansicht des CDU-Politikers hat die Anerkennung des Kosovos vor zwei Jahren „maßgeblich zur Stabilität beigetragen“.
Gleichwohl wisse er um die Probleme im Land. Große Mängel gebe es nach wie vor bei der Rechtstaatlichkeit. In diesem Bereich müsse Eulex „noch wirksamer werden“. Schockenhoff machte auch deutlich, dass ein dauerhafter Frieden im Kosovo „nicht gegen Serbien zu erreichen ist“.
„Serbien muss einen Modus vivendi finden“
Auf der anderen Seite werde auch Serbien seine EU-Perspektive nicht verwirklichen können, wenn es nicht der Tatsache Rechnung trage, dass der Kosovo sein „unabhängiger Nachbar“ ist. „Niemand erwartet jetzt von Serbien sofort die völkerrechtliche Anerkennung des Kosovos als unabhängigen Staat“, sagte er. Bis zu einem eventuellen EU-Beitritt müsse Serbien aber einen „Modus vivendi“ gefunden haben.
Gegen den Einsatz deutscher Soldaten im Kosovo wandte sich Sevim Dagdelen von der Linksfraktion. Der deutsche Militäreinsatz sei zum Schutz wirtschaftlicher Interessen beschlossen worden, sagte sie und verwies auf Aussagen von Verteidigungsminister zu Guttenberg, der davon gesprochen habe, dass die Sicherheit von Handelswegen deutschen Wirtschaftsinteressen dienen könne.
„Permanente Verletzung des Grundgesetzes“
Diese Ansicht habe Die Linke von Anfang an vertreten, betonte sie. „Wir haben nie den Kriegslügen von Fischer oder Scharping geglaubt, die der Öffentlichkeit weismachen wollten, es ginge bei diesem Krieg um Menschenrechte.“ Ihre Fraktion ziehe jedoch andere Schlüsse als zu Guttenberg: „Kriege und Militäreinsätze für Wirtschaftsinteressen sind per Grundgesetz untersagt.“ Diese „permanente Verletzung des Grundgesetzes und des Völkerrechts“, so die Forderung ihrer Fraktion, müsse endlich aufhören.
Ihre Fraktion stimme der UN-gedeckten Mandatsverlängerung zu, da die Präsenz von KFOR in der Region nach wie vor notwendig sei, sagte Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen). Gleichwohl sollte man sich die Verhältnisse im Kosovo „nicht schönreden“. Ihre Kritik treffe sowohl die kosovarische Regierung, als auch die Europäische Union und nicht zuletzt auch Serbien.
„Das Leben ist für viele nicht leichter geworden“
Die Freude im Kosovo über die Unabhängigkeit sei einer großen Frustration gewichen. „Das Leben ist für viele nicht leichter geworden“, sagte die Grünen-Politikerin. Die Entscheidungssituation im Jahre 1999 habe viele Unklarheiten hinterlassen, an denen das Land bis heut leide und die sich einer schnelleren Entwicklung entgegenstellen würden.
Probleme gebe es aber auch in der EU. Es sei „kaum darstellbar“, dass fünf EU-Mitglieder den Kosovo noch immer nicht anerkannt hätten. Auf die Rolle Serbiens eingehend sagte Beck, es sei ein „Hemmnis bei der Entwicklung der Rechtstaatlichkeit“, dass im Norden Mitrovicas durch Serbien eigene Staatsanwälte und Richter benannt worden seien, und das, obwohl Serbien die Rolle von Eulex anerkannt habe.