+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

Arbeit

Kooperation bei Jobcentern auf neue Grundlage gestellt

Bundesarbeitsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU/CSU)

Bundesarbeitsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU/CSU) (© DBT/photothek.net/Thomas Trutschel)

Nach 75-minütiger Debatte hat der Bundestag am Donnerstag, 17. Juni 2010, die Neuordnung der Jobcenter beschlossen. Bei der namentlichen Abstimmung über die dafür notwendige Grundgesetzänderung (17/1939, 17/1554,17/2183) stimmten 515 Abgeordnete mit Ja, 171 stimmten mit Nein. Es gab keine Enthaltungen. Damit wurde die erforderliche Zweidrittelmehrheit der Stimmen im Parlament erreicht, um den neuen Artikel 91e, der künftig die gemeinsame Betreuung von Langzeitarbeitslosen durch Bundesagentur für Arbeit und Kommunen erlaubt, in die Verfassung einzufügen.

Auch dem Entwurf des Begleitgesetzes zur „Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende“, der wortgleich von der Bundesregierung sowie von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP eingebracht worden war (17/1940, 17/2057, 17/1555, 17/2188, 17/2190), stimmte der Bundestag in der Ausschussfassung mit den Stimmen der Koalition und der SPD zu. Dagegen stimmte die Linksfraktion. Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich der Stimme.

Angenommen wurde auch ein Entschließungsantrag von CDU/CSU, SPD und FDP (17/2192) mit den Stimmen von Koalition und Sozialdemokraten, bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Grünen. Nicht die erforderliche Mehrheit fand hingegen ein Entschließungsantrag der Linksfraktion (17/2193): Alle Fraktionen bis auf Die Linke votierten gegen die Vorlage.

Umstrittene Reform

Zuvor hatten Redner von CDU/CSU, SPD und FDP unisono die gemeinsam erarbeitete Jobcenter-Reform gelobt. Sie sichere die in der Praxis bewährte Betreuung von Hartz-IV-Empfängern „aus einer Hand“ - und optimiere die Arbeit in den Jobcentern. Das vorliegende Gesetz sei somit ein „guter Kompromiss“ zum Wohl der Langzeitarbeitslosen.

Völlig anders sah das jedoch die Linksfraktion: Die Neuordnung der Jobcenter löse die strukturellen Probleme des „Systems Hartz-IV“ nicht, sondern zementiere die „unerträgliche“ Einteilung der Erwerbslosen in zwei Klassen.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßte zwar die Fortsetzung der Arbeitslosenbetreuung „aus einer Hand“, kritisierte jedoch das Begleitgesetz zur Jobcenter-Reform als „halbherzig“. Für notwendige Korrekturen habe den Koalitionsfraktionen und der SPD der Mut gefehlt.

„Passgenaue Vermittlung von Erwerbslosen“

Bundesarbeitsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) hatte als erste Rednerin der Debatte die Einigung über „Parteigrenzen und Grenzen des Föderalismus“ ausdrücklich als „gute Lösung im Sinne der Menschen“ gewürdigt. Die Einigung zeige auch, dass die Demokratie intakt sei, so von der Leyen.

Die Reform ziele auf eine passgenaue Vermittlung von Erwerbslosen und räume den Jobcentern dafür ein hohes Maß an Gestaltungsspielraum ein. Zudem würden mit der Reform erstmals auch notwendige Instrumente zur Erfolgsmessung eingeführt. Das diene der Vergleichbarkeit und dem Wettbewerb der Jobcenter. „Nur so geht Fortschritt, nur so werden wir besser“, betonte die Ministerin.

Lob für Reform, Kritik an Sparpaket

Auch Anette Kramme, Sprecherin für Arbeit und Soziales der SPD-Fraktion, zeigte sich erfreut, dass es Koalition und SPD gelungen sei, eine Einigung über die Zukunft der Jobcenter zu erzielen. Es sei gut, dass Arbeitsuchende nicht „von Pontius zu Pilatus“ geschickt würden.

Als Erfolg stellte Kramme zudem heraus, dass ihre Fraktion es geschafft habe, gegen den Widerstand der FDP 3.200 Stellen in den Jobcentern zu entfristen. „Das war wichtig, denn ohne personelle Kontinuität kann es keine gute Leistung bei der Arbeitsvermittlung geben.“

Auch dass erstmals ein Betreuungsschlüssel eingeführt werde, wertete die SPD-Politikerin als Fortschritt. Dieser sei jedoch erst der Anfang: „Wir wollen in Zukunft einen besseren Schlüssel von 1 zu 75.“

Harsche Worte der Kritik fand Kramme jedoch für die Sparpläne der Bundesregierung: Aktive Arbeitsmarktpolitik werde künftig nicht mehr stattfinden. Insbesondere Programmen zur Förderung von Alleinerziehenden, alten oder jungen Menschen würden die Mittel gekürzt: „Das ist verantwortungslos!“

„Guter Kompromiss“

Dr. Heinrich L. Kolb, Mitglied der FDP-Fraktion im Ausschuss für Arbeit und Soziales, unterstrich die Bedeutung der Jobcenter-Reform: „Trotz vieler Differenzen und tagespolitischen Streits“ sei es möglich gewesen, die wohl gegenwärtig „größte sozialpolitisch-organisatorische Herausforderung zum Wohle der Langzeitarbeitslosen zu meistern“.

Koalition und SPD hätten einen „guten Kompromiss“ gefunden, lobte Kolb. Das Ziel sei erreicht, die Betreuung aus einer Hand für Arbeitssuchende auch künftig zu gewährleisten. „Es heißt weiterhin: Ein Bürger - ein Bescheid.“

Wichtig sei es zudem gewesen, so der FDP-Politiker, die Entfristung der Optionskommunen zu erreichen: Die bestehenden dürften nun weiter arbeiten, außerdem könnten noch 41 weitere Optionskommunen dazu kommen. Erstmals aber habe man sich auch auf klare Kriterien für die Vermittlung geeinigt. Diese stärkten den Wettbewerb.

„Arbeitsmarktpolitischer Flickenteppich“

Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, ging jedoch hart mit Koalition und SPD ins Gericht: Statt durch die Gesetzesänderungen die „Strukturfehler von Hartz-IV“ zu beheben, zementiere die Reform die Zweiteilung der Erwerbslosen in zwei Klassen.

Auf der einen Seite stünden die, für die die Regelungen des Sozialgesetzbuch II noch Geltung hätten, auf der anderen Seite die Hartz-IV-Empfänger. „Diese Ungleichbehandlung ist unerträglich“, klagte Zimmermann. Auch die viel gepriesene Hilfe aus einer Hand sei kein Pluspunkt: Tatsächlich gebe es große Unterschiede, wie die Jobcenter geführt würden und welche finanziellen Mittel sie zur Verfügung hätten.

„Es ist für den Einzelnen ein Glücksspiel, wie gut er betreut wird“, so Zimmermanns Fazit. Die Reform schaffe einen „arbeitsmarktpolitischen Flickenteppich“, den die Bundesregierung nicht mehr im Griff habe.

„Meilenstein der effektiven Arbeitsmarktpolitik“

Anders sah das Karl Schiewerling, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Fraktion: Die Jobcenter-Reform sei ein „erster Meilenstein zu einer noch effektiveren Arbeitsmarktpolitik“. Mit einer großen Kraftanstrengung sei es gelungen, die Hilfe aus einer Hand zu bewahren und das Prinzip „Fördern und Fordern“ fortzuführen.

Die Entfristung der Optionskommunen sah der Abgeordnete, anders als seine Vorrednerin Zimmermann, nicht als Flickenteppich, sondern als Ausdruck von Subsidiarität. Doch die Jobcenter-Reform sei nur ein Anfang, weitere Etappen müssten im Bereich der Arbeitsmarktpolitik folgen, mahnte Schiewerling und kündigte an, ab Herbst werde sich die Koalition auch mit Hartz-IV-Regelsätzen und Zuverdienstmöglichkeiten befassen.

Darüber hinaus müssten die arbeitsmarktpolitischen Instrumente überarbeitet werden. „Das halte ich für ganz zentral“, unterstrich der Politiker.

„Halbherzige Reform“

Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, begrüßte zwar die Einigung über die gemeinsamen Betreuung von Arbeitslosen durch Bundesagentur für Arbeit und Kommunen, kritisierte aber, dass diese Reform spät komme. „Warum sind wir nicht schon vor zwei Jahren durchs Ziel gegangen?“ Selten sei eine Niederlage so euphorisch gepriesen worden, wie diese Reform, bemerkte die Bündnisgrüne.

Pothmer kündigte an, ihre Fraktion werde die Grundgesetzänderung mittragen, nicht aber das Begleitgesetz dazu von CDU/CSU, SPD und FDP. Dieses zeuge hauptsächlich von der Haltung der Verhandlungspartner, die „Geländegewinne“ des anderen so gering wie möglich zu halten.

Herausgekommen sei dabei ein „halbherziges“ Gesetz. Zu dringenden Korrekturen habe der Mut gefehlt. So sei es auch unverständlich, warum die SPD die Wahlfreiheit der Kommunen einschränke und auf eine Obergrenze für die Zahl der Optionskommunen bestehe. „Warum 110, diese Zahl ist willkürlich!“