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Europäische Union

„Menschenrechte in der Dritten Welt beachten“

Holger Haibach (CDU/CSU)

Holger Haibach (CDU/CSU) (DBT/Neuhauser)

Der Europarat und dessen Mitgliedsländer sollen sich stärker als bisher darum kümmern, dass multinationale Unternehmen in der Dritten Welt Menschenrechte beachten. So soll etwa Kinderarbeit unterbunden werden. Diese Forderung erhebt ein vom CDU-Bundestagsabgeordneten Holger Haibach verfasster Bericht, über den bei der am Montag, 4. Oktober 2010, beginnenden Herbsttagung der Parlamentarischen Versammlung des Staatenbunds in Straßburg debattiert wird. Auf deren Tagesordnung steht auch die EU-Grundrechteagentur in Wien, die aus Sicht des Europarats eine unsinnige Konkurrenz ist und zu Doppelarbeiten führt. Im Interview äußert sich Haibach zu seinem Bericht:


In Ihrem Bericht fordern Sie, der Europarat solle gegen Menschenrechtsverletzungen in der Dritten Welt durch multinationale Konzerne vorgehen. Ist es aber nicht Sache der Gewerkschaften, sich im Rahmen der Tarifautonomie für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen?

Im Prinzip stimmt das natürlich. Doch anders als in entwickelten Demokratien wie in Europa konnten in vielen Entwicklungsländern aufgrund der dortigen politischen Umstände noch keine starken Gewerkschaften entstehen. Deshalb ist die internationale Staatengemeinschaft gefordert.

Welche gravierenden Verstöße gegen Grundrechte der Arbeitnehmer sind denn zu beklagen?

Ich will drei Beispiele nennen. Skandalös ist etwa die Kinderarbeit in indischen Steinbrüchen, wofür nicht selten große Firmen verantwortlich sind. Diese jungen Beschäftigten müssen oft unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften, die Löhne sind niedrig, die Arbeitszeiten lang. Kritik hervorgerufen hat auch die Herstellung von hierzulande in Billigketten vertriebenen Kleidern in der fernöstlichen Textilindustrie zu Hungerlöhnen. In rohstoffreichen Ländern sind die Arbeitsbedingungen in Minen häufig hart, und bei der Errichtung solcher Abbaustätten werden die ansässigen kleinen Landbesitzer bei der Übertragung ihres Eigentums an Unternehmen zuweilen übervorteilt.

Wie lässt sich denn die Situation verbessern?

Ein Mittel könnte der Ausschluss inkriminierter Firmen von öffentlichen Aufträgen sein, was freilich wegen des Wettbewerbsrechts in Europa nicht einfach zu bewerkstelligen ist. Dem Parlament des Europarats und den Regierungen in dessen 47 Mitgliedstaaten kommt die Aufgabe zu, in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Notwendigkeit zu schaffen, nicht jedes Produkt aus der Dritten Welt zu jedem Preis zu kaufen. Eine solche Sensibilisierung kann viel bewirken. Auf internationaler Ebene existieren zahlreiche Selbstverpflichtungserklärungen seitens der Wirtschaft, in Entwicklungsländern die Menschenrechte zu beachten. Solche Deklamationen werden aber oft nur zum Teil umgesetzt und sind überdies nicht einklagbar.

Nun gibt es aber doch den Straßburger Menschenrechtsgerichtshof.

Vor den Europaratsrichtern können zwar Unternehmen gegen die Missachtung ihrer Rechte durch Staaten klagen, nicht jedoch Arbeitnehmer gegen Grundrechtsverstöße durch Konzerne. Die Schaffung einer solchen Beschwerdemöglichkeit ist juristisch sehr kompliziert, da nur Staaten und nicht auch Unternehmen als Vertragspartner des Europarats dessen Menschenrechtscharta ratifiziert haben. Ideal wäre die Verabschiedung einer Konvention über den Schutz von Grundrechten durch multinationale Konzerne als Zusatz zur Menschenrechtscharta. Die Beachtung dieser Konvention könnte dann von Arbeitnehmern eingeklagt werden. Doch ich bin skeptisch, ob sich ein solch schwieriges Unterfangen verwirklichen lässt.

Kann das Abgeordnetenhaus des Europarats überhaupt Einfluss nehmen auf internationale Unternehmen?

Konkrete Maßnahmen können wir natürlich nicht durchsetzen, dazu fehlt uns die Macht. Aber der Schutz von Menschenrechten in der Wirtschaft der Dritten Welt ist inzwischen auf der politischen Tagesordnung nach vorne gerückt. Auch die EU hat dieses Thema entdeckt. Dieser Entwicklung kann das Parlament des Europarats frische Impulse geben.

Die Volksvertretung des Staatenbunds wird auch einen Bericht debattieren, der die EU-Grundrechteagentur in Wien als Konkurrenz des Europarats kritisiert. Ist eine solche Doppelarbeit den Steuerzahlern zu vermitteln?

Diese Doppelarbeit macht in der Tat keinen Sinn. Es ist im Prinzip zwar gut, dass sich auch Brüssel um den Schutz der Menschenrechte in den EU-Ländern kümmert, auch wenn dies eigentlich Aufgabe des Europarats ist. In der Praxis haben sich nun aber die Befürchtungen bestätigt, dass es zwischen Wien und Straßburg zu Doppelarbeiten kommen kann. Besonders ärgerlich ist, dass die EU-Grundrechteagentur im Vergleich zu dem beim Europarat angesiedelten Menschenrechtsgerichtshof finanziell recht luxuriös ausgestattet ist.

Wie lässt sich dieses Problem lösen? Könnte man die Wiener Einrichtung nicht einfach in den Europarat integrieren?

Erfolgversprechend scheint mir nur der Weg zu sein, die Tätigkeit in Straßburg und Wien besser zu koordinieren, um Doppelarbeiten und Reibungsverluste möglichst zu vermeiden. Die Idee, die EU-Agentur dem Europarat zuzuordnen, hat durchaus Charme. Allerdings dürfte sich Brüssel darauf wohl nicht einlassen.

(kos)

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