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1. Untersuchungsausschuss

„Suche nach atomarem Endlager eine offene Frage“

Erkundungsbergwerk in Gorleben

(dpa)

Bei der Zeugenvernehmung im 1. Untersuchungsausschuss (Gorleben) hat der Historiker Dr. Anselm Tiggemann am Donnerstag, 30. September 2010, die Entscheidung von Bund und dem Land Niedersachsen für Gorleben als möglichen Standort für ein Endlager radioaktiven Abfalls als sachlich bezeichnet. „Ein Kriterienkatalog wurde abgearbeitet“, sagte der 40-Jährige. „Diese Entscheidung ist auf sachlicher Grundlage getroffen worden.“ Tiggemann hat über die Gorleben-Entscheidung promoviert. Derzeit ist er bei der Unionsfraktion im Bundestag beschäftigt. Der 1. Untersuchungsausschuss soll klären, ob es bei dem Beschluss der Bundesregierung im Jahr 1983, sich bei der Suche nach einem Endlager auf Gorleben zu beschränken, zur politischen Beeinflussung untersuchender Wissenschaftler gekommen ist.

„Naturwissenschaftliche Basis“

„Für das Auswahlverfahren hat es eine naturwissenschaftliche Basis gegeben“, sagte Tiggemann. Dafür hätten die Kernbrennstoffwiederaufbereitungsgesellschaft mbH (KEWA) auf Bundesebene und der Interministerielle Arbeitskreis (IMAK) auf Landesebene gesorgt.

Dass über die 30 Jahre alten Entscheidungsprozesse heute viel diskutiert werden, darüber zeigte sich der Historiker überrascht. „Diese Fragen waren schon damals bekannt und wurden diskutiert.“ Allerdings hat Tiggemann im Laufe der Befragung Einschränkungen im Detail geliefert.

Bedenken wegen Gasfunden auf DDR-Seite

Besonders eine Kabinettsvorlage in Hannover vom 2. Februar 1977 stand dabei im Fokus. Der Historiker berichtete von Bedenken, die er in den Akten gefunden habe: Die habe es wegen Gasfunden auf der DDR-Seite, nur wenige Kilometer von Gorleben entfernt, gegeben.

„Es hieß dann, dass bei einer Entscheidung von Gorleben dieser Umstand weiter untersucht werden müsste“; Wissenschaftler hätten seinerzeit gewarnt, dass es bei Gasbohrungen zu Erdabsenkungen und gefährlichen Verschiebungen im Salzstock kommen könnte.

„Enormer Zeitdruck für die Wissenschaftler“

Tiggemann räumte ein, das für die Wissenschaftler bei der Entscheidung ein enormer Zeitdruck geherrscht habe. „Mir ist nicht bekannt, dass die Gas-Frage in weiteren Gutachten bearbeitet worden ist.“ Auch habe das Aktenstudium nicht ergeben, dass etwa DDR-Behörden seinerzeit wegen der Gasfunde und der resultierenden Risiken kontaktiert worden seien.

Auch fand Tiggemann „bemerkenswert“, dass bestehende Dissense zwischen dem Land Niedersachsen und dem Bund auf der Arbeitsebene keine Rolle gespielt hätten: Der Bund favorisierte damals die Suche bei mehreren Standorten, während Niedersachsen in seinen Landesgrenzen nur an einem Platz erkunden lassen wollte.

„Man wollte die Öffentlichkeitsarbeit auf einen Standort konzentrieren“, sagte Tiggemann. Auch habe der teurere Sicherheitsaufwand für mehrere Standorte eine Rolle gespielt. Tiggemann: „Das war ausschlaggebend für den Ratschlag in der Kabinettsvorlage und ein Ausdruck politischen Willens, nur einen Standort zu benennen.“

„Auswahl nur standortspezifisch vorzunehmen“

Bereits zuvor hatte der Ausschuss Dr. Ulrich Kleemann vernommen - der Geologe hatte zwischen 2004 und 2005 im Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als Fachbereichsleiter Entsorgung gearbeitet und ist heute als Berater für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen tätig.

Die Suche nach einem Endlager in Deutschland für radioaktiven Abfall hat Kleemann als offene Frage bezeichnet. „Kein Wirtsgestein ist grundsätzlich dem anderen vorzuziehen“, sagte der 55-Jährige. „Nur standortspezifisch ist eine Auswahl vorzunehmen.“

Grundeigentümer verweigern untertägige Erkundung

So bezeichnete er den Standpunkt des BfS in den 1990er Jahren zur Erkundung Gorlebens dahingehend, dass die Behörde das gesamte Gelände des Salzstocks ohne Einschränkungen einer Erkundung unterziehen wollte. „Für eine Eignungsaussage erschien eine Beschaffung aller Salzrechte erforderlich.“ Doch die hatte der Bund nicht erhalten.

Zahlreiche Grundeigentümer über dem Salzstock verweigern bis heute die Erlaubnis zur untertägigen Erkundung des Geländes. Der Gorleben-Untersuchungsausschuss will dabei untersuchen, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung im Jahr 1983, sich bei der Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle auf den Standort zu beschränken, zu politischer Einflussnahme auf gutachtende Wissenschaftler gekommen ist.

„Suche nur in Richtung Nordost“

Kleemann sagte, bei der Erkundung Gorlebens sei es im Laufe der Jahre zu einigen Einschränkungen gekommen. „Ursprünglich waren Bohrungen nach Norden und nach Süden geplant“, sagte er. 1982 hatten die Bergwerksbetreiber die Suche nur in Richtung Nordost unternommen. „Dies war eine Veränderung, die eindeutig durch die fehlenden Salzrechte hervorgerufen wurde und nicht auf die Gegenliebe aller BfS-Mitarbeiter gestoßen ist.“

Eine weitere Erkundungsänderung sei 1998 erfolgt, als die Wissenschaftler Probleme beim Durchdringen des jüngeren Leine-Steinsalzes befürchteten und Passagen mit dieser Schicht mieden. Zur Bewertung dieser Einschränkung im Jahr 1998 zeigten sich indes die Abgeordneten des Ausschusses uneins.

„Gorleben war gesetzt“

CDU/CSU-Obmann Reinhard Grindel zitierte aus einem Papier des BfS, wonach die Einschränkung auf eine weniger zu erwartende Abfallmenge und eine weniger dringliche Erkundung zurückzuführen sei. Daraus ergebe sich der Eindruck, dass die Behörde nicht von der Notwendigkeit aller Salzrechte ausgegangen sei. Kleemann erwiderte, seine Meinung sei aus einer Vielzahl von Gesprächen im Bundesamt entstanden.

Ferner berichtete Kleemann von den Versuchen des Bundesumweltministeriums, im Jahr 2006 ein Standortauswahlverfahren zu initiieren. „Es gab in der Großen Koalition den Versuch, einen Konsens über die Endlagerproblematik zu erzielen“, sagte er. Dieser sei aber gescheitert. „In solch einem Verfahren war Gorleben gesetzt. Der Standort sollte auf Literaturbasis mit anderen möglichen Standorten verglichen werden. Mir sind keine Aussagen bekannt, die Gorleben grundsätzlich infrage stellen.“

„Der Bundesumweltminister könnte loslegen“

Ein Zeitplan sei damals erarbeitet worden. „Bis 2028 hätten wir eine Entscheidung für einen Standort gehabt“, sagte Kleemann - „wenn wir 2006 begonnen hätten“. Der Geologe sagte, er sei bei der politischen Entscheidung gegen solch ein Verfahren nicht beteiligt gewesen. „Ich glaube aber, vor allem die südlichen Bundesländer haben sich quergestellt.“

Kleemann warb für eine Neuauflage solch eines Auswahlverfahrens. „Das Instrumentarium dafür liegt vor. Der Bundesumweltminister könnte loslegen.“ (rüb)

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