Der Aufschwung und seine Verursacher
Über die Urheberschaft für den derzeitigen konjunkturellen Aufschwung in Deutschland wurde im Rahmen der Debatte zum Haushaltsetat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (17/2500, 17/2502) am Donnerstag, 25. November 2010, gestritten. Während Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ebenso wie Redner der Koalitionsfraktionen die positive wirtschaftliche Entwicklung als Folge richtiger Entscheidungen durch die Bundesregierung und die Koalition von Union und FDP ansahen, sprach der SPD-Abgeordnete Garrelt Duin von „weisen Entscheidungen und entschlossenem Handeln der Vorgängerregierung“, die dazu geführt hätten, dass Deutschland über das tiefe Tal der Krise hinweg gekommen sei.
SPD: Kein selbsttragender Aufschwung
„Wir Sozialdemokraten freuen uns unbändig über den Aufschwung“, sagte Duin. Mit den Regelungen zum Kurzarbeitergeld und den zwei Konjunkturprogrammen habe die ehemalige schwarz-rote Bundesregierung in richtiger Weise auf die Krise reagiert. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung habe unlängst zutreffend festgestellt, dass der Anteil der jetzigen Bundesregierung am Aufschwung „beschränkt“ sei, sagte der SPD-Politiker.
An diesem Aufschwung, so Duin weiter, würden zudem eine ganze Reihe von Menschen gar nicht teilnehmen können. Grund dafür sei, dass die Bundesregierung nichts gegen den Missbrauch der Leiharbeit und nichts gegen Niedriglöhne unternehme. Da der Bundeswirtschaftsminister die Frage, wie die Binnennachfrage gesteigert werden könne, nicht beantworte, sei der Aufschwung eben nicht „selbsttragend“, wie Brüderle behaupte.
FDP: Die Krise ist vorbei
„Die Krise ist vorbei“, sagte die FDP-Abgeordnete Ulrike Flach. Der Haushalt trage diesem Umstand Rechnung. Es gehe nun darum, zu konsolidieren und Subventionen zu kürzen. Das hierbei eingesparte Geld lande jedoch nicht vollständig beim Bundesfinanzminister, sondern werde „in Innovationen umgeschichtet“, betonte Flach und verwies auf die Ausgaben für die Elektromobilität und die Breitbandstrategie.
Kritik übte die FDP-Politikerin an den Grünen. Diese würden nicht nur Technologie bekämpfen, sondern auch den Mittelstand, der für technologischen Fortschritt zuständig sei, indem sie den Spitzensteuersatz auf 45 Prozent erhöhen wollten. „Damit treffen Sie keine Millionäre, sondern Facharbeiter, Ingenieure und leitende Angestellte“, sagte sie.
Linke: Ein Aufschwung der Profite
Viele Menschen in Deutschland hätten mit dem Aufschwung nichts zu tun, sagte Michael Schlecht (Die Linke). „Diese Menschen sind stinksauer, weil ihnen etwas vorgespielt wird, was mit ihrer Realität überhaupt nichts zu tun hat.“ Der Aufschwung sei ein „Aufschwung der Profite“, befand Schlecht. Seit dem Frühjahr 2009 hätten die Unternehmer ein sattes Plus von 40 Prozent eingesackt, während die Löhne nur in „homöopathischer Größenordnung angestiegen sind“.
Die positiven Wirtschaftszahlen seien dem Export zu verdanken und damit den chinesischen und US-amerikanischen Konjunkturprogrammen. „Die Bundesregierung hat daran überhaupt keinen Anteil“, urteilte er. Auf die unlängst von Wirtschaftsminister Brüderle gegenüber den Arbeitgebern erhobene Forderung nach Lohnerhöhungen eingehend sagte Schlecht, es sei zynisch, derartiges zu fordern und gleichzeitig den Mindestlohn zu verteufeln.
CDU/CSU: In die Köpfe investieren
In der Krise seien die richtigen Maßnahmen getroffen worden, urteilte der Unionsabgeordnete Dr. Michael Luther. Folge der Kurzarbeitergeldregelung sei es gewesen, dass die Menschen „nicht so tief in den Abgrund gefallen sind“. Der Aufschwung sei folglich auch nicht so stark zu bemerken, wenn man vorher den Abschwung nicht bemerkt habe.
Nun gehe es darum, die richtigen Impulse für einen dauerhaften Aufschwung zu setzen. Dies sei mit dem vorgelegten Haushalt gelungen, befand Luther. Neben der Elektromobilität und dem Energiekonzept sei vor allem das Investitionsprogramm für den Mittelstand sehr wichtig. Hiermit werde ein Paradigmenwechsel eingeleitet. „Wir müssen nicht nur in Maschinen und Anlagen, sondern in die Köpfe investieren“, sagte der CDU-Politiker. Dies zeige, dass der Koalition der Mittelstand als tragende Säule der Wirtschaft wichtig sei.
Grüne: Sie blockieren Innovationen
Statt den Wettbewerb zu fördern habe die Bundesregierung die Monopole verfestigt, kritisierte Fritz Kuhn, Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Minister Brüderle lasse das Entflechtungsgesetz „in der Schublade ruhen“, während die Entscheidung zur Atomverlängerung nur den vier Oligopolisten auf dem Energiesektor diene. „Sie sind kein Wettbewerbsminister, sonder einer, der den Wettbewerb schwächt“, urteilte Kuhn.
Gleiches gelte auch für Innovationen. Den Umweltschutz als Gegner der wirtschaftlichen Entwicklung zu sehen, wie es der Minister tue, sei falsch: „So blockieren Sie Innovationen.“ Tatsächlich könne nur mit der ökologischen Modernisierung ein ausreichender Innovationsimpuls für die gesamte Volkswirtschaft gesetzt werden. Kuhn kritisierte in diesem Zusammenhang, dass der Elektromobilitätsstrategie der Bundesregierung keine ausreichenden Marktanreizprogramme zur Seite gestellt würden.
Minister: Aufschwung wie aus dem Bilderbuch
„Deutschland ist unter Schwarz-Gelb zum wirtschaftlichen Vorbild geworden“, lautete die Einschätzung von Wirtschaftsminister Brüderle. Die Deutschen seien in „Aufschwunglaune“, was sich auch im gut angelaufenen Weihnachtsgeschäft zeige. Zum Wachstum hätten die „binnenwirtschaftlichen Kräfte mehr als die Hälfte beigetragen“, sagte der Minister, der von einem „Aufschwung wie aus dem Bilderbuch“ sprach.
Der Politikwechsel sei gut für Deutschland, so Brüderle, der angesichts der Abnahme der Arbeitslosigkeit auch das Ziel der Vollbeschäftigung für erreichbar hält. Kritik übte der Wirtschaftsminister an der Opposition. Während die SPD nur in Abwrackprämien denke, seien die Grünen „gegen alles in Deutschland“.
Ausgaben von 6,12 Milliarden Euro
Im Anschluss an die Debatte stimmte der Bundestag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen dem Wirtschaftetat 2011 in der vom Haushaltsausschuss geänderten Fassung (17/3509, 17/3523) zu. Darin sind Ausgaben in Höhe von 6,12 Milliarden Euro vorgesehen. Dies entspricht in etwa dem, was auch für 2010 eingeplant war. (hau)