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1. Untersuchungsausschuss

Baum: Starker Wille, die Endlagerfrage zu lösen

Ortsschild Gorleben

Ortsschild Gorleben (dpa-Bildarchiv)

In öffentlicher Sitzung hat der Gorleben-Untersuchungsausschuss unter Vorsitz von Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) am Donnerstag, 2. Dezember 2010, zwei weitere Zeugen vernommen: den früheren Bundesinnenminister Gerhart Rudolf Baum (FDP) sowie den früheren Ministerialdirektor im Bundesumweltministerium, Dr. Horst Glatzel. Baum war in der Regierungszeit von Bundeskanzler Helmut Schmidt von 1978 bis 1982 Innenminister. In seiner Eingangserklärung sagte er, dass man damals die Kernenergie auf den Weg gebracht habe, ohne eine klare Entsorgungsvorsorge zu haben. Deshalb sei zwischen den politischen Parteien die Entscheidung getroffen worden, dass dies nicht so weitergehen könne. Baum betonte: „Der Konsens betraf nicht nur Regierung und Parteien und Opposition mit Nuancen, sondern er betraf auch die Länder.“

„Niedersachsen tut etwas“

Baum führte weiter aus, dass der Salzstock in Gorleben untersucht worden sei, dass aber auch von anderen Salzstöcken die Rede gewesen sei. „Der Bund war interessiert, auch parallel andere Salzstöcke in Niedersachsen zu erkunden. Das hat aber die niedersächsische Landesregierung abgelehnt, die ansonsten sehr kooperativ gewesen ist.“

Laut Baum hat es auch Überlegungen gegeben, Endlagerstätten in Granit ins Auge zu fassen. Doch der Ex-Innenminister zitierte aus einer Debatte im Jahr 1982: „Ich habe bisher von keinem einzigen Bundesland eine positive Antwort bekommen. Ich habe kein Territorium. Ich bemühe mich aber um die Lösung der Probleme. Ich erkenne an, dass Niedersachsen hier etwas tut.“

„Keine begründeten Zweifel“

Baum berichtete dem Ausschuss, dass 1981 ein Zwischenstand öffentlich gemacht wurde: „Wir haben gesagt: Keine begründeten Zweifel an der bisherigen Einschätzung des Salzstockes Gorleben.“

Er sagte weiter, dass es einen starken gemeinsamen Willen gegeben habe, die Endlagerfrage zu lösen: „Wir hatten natürlich Schwierigkeiten mit der Akzeptanz. Und deshalb haben wir uns in vielen Gesprächen und Diskussionen auch mit Bürgerinitiativen unterhalten.“

CDU/CSU: Ein hohes Maß an Kontinuität

In einer Stellungnahme nach dem Aufritt des früheren Bundesinnenministers erklärte der Obmann der CDU/CSU, Reinhard Grindel: „Der Zeuge Baum hat die bisherigen Bewertungen der CDU/CSU im Untersuchungsausschuss voll bestätigt.“

Es habe in der Endlagerfrage kaum politische Kontroversen, sondern ein hohes Maß an Kontinuität gegeben: „Zentrale Aussage des Zeugen Baum war, dass es in seiner Amtszeit keine begründeten Zweifel an der Eignung des Salzstocks Gorleben gegeben hat.“

FDP: Intensive rechtliche Prüfung

Marco Buschmann, Berichterstatter der FDP-Fraktion, kommentierte die Aussage Baum so: „Der Zeuge Baum bestätigte, dass die Bundesregierung ein hohes Maß an Sensibilität für Fragen der Sicherheit und politischen Akzeptanz des Endlagerprojekts hatte.“ Es sei undenkbar, dass man fachliche Zweifel an der Eignung des Salzstocks ignoriert habe.

„Das Endlagerprojekt Gorleben wäre am Ende gewesen, wenn man nicht verantwortlich und sorgfältig gearbeitet hätte.“ Baum habe, so Marco Buschmann, den Vorwurf deutlich zurückgewiesen, die Bundesregierung hätte sich für die Erkundung nach Bergrecht statt nach Atomrecht entschieden, um Zeit zu sparen und die Bevölkerung auszuschließen. Vielmehr habe man diese Frage rechtlich intensiv geprüft.

Grüne: Fixierung auf Gorleben zementiert

Dorothea Steiner (Bündnis 90/Die Grünen) sagte über Baums Aussage: „Die politische Fixierung auf den Standort Gorleben ist unter der schwarz-gelben Regierung des damaligen Kanzlers Helmut Kohl zementiert worden. Das ist bei der heutigen Befragung des früheren Bundesinnenministers Gerhart Baum deutlich geworden. Baum legte dar, dass es bis zum Ende der sozialliberalen Koalition (1982) in den Ministerien und bei Fachleuten der Bundesregierung deutliche Zweifel an der Eignung des Salzstocks Gorleben gab. Aufgrund dieser Zweifel wurde immer auch eine Suche nach alternativen Standorten für ein Atommüllendlager als notwendig betrachtet.“

Steiner zitierte Baum mit den Worten: „Wir wollten immer auf den Fall vorbereitet sein, dass Gorleben nicht geeignet ist.“

Linke: Alternativen endgültig vom Tisch

Dorothée Menzner, Obfrau der Linksfraktion, sagte: „Vor 30 Jahren ging die damalige Bundesregierung offenbar noch anders mit den Bürgern um. Gerhart Baum legte als Bundesinnenminister in einer sozialliberalen Koalition Anfang der 1980er Jahre immerhin größten Wert auf Transparenz und Bürgerbeteiligung.“

Dieshabe die Zeugenanhörung Baums im Gorleben-Untersuchungsausschuss ergeben, so Menzner. „Mit dem Regierungswechsel Helmut Kohls hatte diese Öffentlichkeitsbeteiligung ein jähes Ende. Mit Kohl war auch die Suche nach alternativen Standorten, die die sozialliberale Regierung Helmut Schmidt anstrebte, endgültig vom Tisch.“

SPD: Minister mit Mumm in den Knochen

Die SPD-Obfrau Ute Vogt lobte die damalige SPD/FDP-Regierung. „Zu Zeiten der sozialliberalen Koalition hatten die Minister noch Mumm in den Knochen, während schwarz-gelbe Minister wie Norbert Röttgen lieber auf Show-Elemente setzen. Die Minister Baum, von Bülow und sogar Bundeskanzler Helmut Schmidt haben vor 30 Jahren mehrmals Gorleben besucht und den Kontakt zu allen gesellschaftlichen Gruppen gesucht. Und zwar bevor Entscheidungen getroffen wurden.“

Vogt nannte die Tatsache, dass die Schmidt-Regierung im Gegensatz zur Kohl-Regierung nach Alternativen suchen wollte, einen zentralen Punkt der Zeugenbefragung. Schmidt habe für die damalige Bundesregierung wörtlich gesagt: „Wir waren immer für eine Prüfung alternativer Standorte.“ Diesen Weg habe Helmut Kohl 1983 bewusst verlassen, so Vogt: „Deshalb reden wir heute ausschließlich über Gorleben.“

Glatzel: Schnelle Entscheidung für einen Salzstock

Zweiter Zeuge war der frühere Ministerialdirektor im Umweltministerium, Horst Glatzel. Der 71jährige Jurist ist heute als Rechtsanwalt tätig. Er berichtete, dass in den siebziger Jahren die Bundesrepublik der Kerntechnik aufgeschlossen gegenübergestanden und dass es einen Konsens über die Einrichtung eines Endlagers gegeben habe.

In der Frage, welches Medium dafür geeignet sei, sei die Entscheidung schnell für einen Salzstock gefallen, so Glatzel. Der Vorschlag „Gorleben“ sei dann vom Land Niedersachsen gekommen. „Man wusste aber nicht, ob Gorleben geeignet oder nicht geeignet ist“, sagte Glatzel vor dem Ausschuss. Doch es habe damals geheißen, das Erkundigungsrisiko sei nicht sehr hoch: „Man ging davon aus, dass Salzstock für die Lagerung geeignet seien würde.“

„Keine politische Einflussnahme“

Horst Glatzel war nach eigener Aussage sicher, dass es nach seinem Kenntnisstand keine politische Einflussnahme in der Endlagerfrage gegeben hat. Die Entscheidung vom Juli 1983 habe er auch nicht als Verbot gesehen, andere Standorte zu erkunden. In seiner Erinnerung sei es eher um die Frage gegangen, ob die Kapazität von Gorleben ausreichen würde, also ob man zusätzliche Standorte benötigen würde. An eventuelle Diskussionen über Sicherheitsbedenken konnte sich der Zeuge nach 29 Jahren nicht erinnern.

Für ihn und seine Kollegen sei immer klar gewesen, dass die Erkundung von Gorleben ergebnisoffen geführt wird. Seiner Ansicht nach wurden weder der Öffentlichkeit noch dem Parlament Informationen vorenthalten. Auch der Regierungswechsel habe keine Rolle bei der Entscheidung für oder gegen Gorleben gespielt. (ah)

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