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Inneres

Sicherungsverwahrung nur „Ultima Ratio“

Justizvollzugsbeamter in Flur einer JVA

(dpa)

Das System der Sicherungsverwahrung von Straftätern wird reformiert. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen sowie der SPD-Fraktion verabschiedete der Bundestag am Donnerstag, 2. Dezember 2010,einen von Unions- und FDP-Fraktion vorgelegten Gesetzentwurf (17/3403) in der durch den Rechtsausschuss geänderten Fassung (17/4062). Die Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen lehnten den Entwurf ab. Durch die mehrheitliche Zustimmung wird die „nachträgliche Sicherungsverwahrung“, die für ein Gericht die Möglichkeit vorsah, nach Verbüßung der Haft darüber zu entscheiden, ob Täter mit Rückfallgefahr weiterhin eingesperrt bleiben sollten, abgeschafft. Die Sicherungsverwahrung wird es künftig nur noch geben, wenn sie schon im Urteil angeordnet oder zumindest „vorbehalten“ war. Im Rahmen der Ausschussberatungen wurde zudem der Katalog der Taten, für die Sicherungsverwahrung infrage kommt, gegenüber dem ursprüngliche Entwurf gestrafft.

„Sehr zufriedenstellendes Ergebnis“

Von einem der umfangreichsten und schwersten Reformvorhaben der gesamten Legislaturperiode sprach der Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesjustizministerium Max Stadler (FDP). Erreicht habe man ein „sehr zufriedenstellendes Ergebnis“. Sicherungsverwahrung bedeute „weiteren Freiheitsentzug nach vollständig verbüßter schuldangemessener Strafe aufgrund einer Gefährlichkeitsprognose“. In einem Rechtsstaat dürfe dies nur die „Ultima Ratio“ sein, betonte er.

Daher sei er sehr zufrieden, dass im Rechtsausschuss der Katalog der Taten „durchforstet“ worden sei, mit dem Ergebnis, dass nun im Wesentlichen nur schwere Gewalt- und Sexualdelikte und einige weitere schwere Straftaten mit hoher Strafandrohung eine Sicherungsverwahrung zur Folge haben könnten.

Sicherungsverwahrung für Heranwachsende nicht neu

Nicht zuletzt durch die im Ausschuss erreichten Änderungen sei es ihrer Fraktion möglich geworden, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, sagte Christine Lambrecht (SPD). Mit dem Gesetz habe man „spät aber nicht zu spät“ auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom Dezember 2009 reagiert, der die deutsche Praxis der nachträglichen Sicherungsverwahrung gerügt hatte.

Der SPD sei es wichtig gewesen, dass die Anlasstaten sich auf Fälle beschränkten, die es Wert sind, „nach Verbüßung der Strafe weiterhin die Freiheit entzogen zu bekommen“. Das seien nun schwerste Taten gegen Leben, die körperliche und die sexuelle Unversehrtheit. In der Ausgangsvorlage hätten dazu auch Eigentumsdelikte gehört, sagte Lambrecht. Nicht zufrieden zeigte sie sich damit, dass es nicht gelungen sei, die Sicherungsverwahrung für Heranwachsende neu zu regeln.

Union: Wir schließen eine Sicherheitslücke

„Ausgewogen und verantwortbar“ sei die Sicherungsverwahrung geregelt worden, befand die Unionsabgeordnete Andrea Voßhoff. „Mit diesem guten Gesetz schließen wir eine Sicherheitslücke“, sagte sie. Mit dem Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter habe man auf die Fälle reagiert, die als Folge des EGMR-Urteils schon entlassen werden mussten oder noch zu entlassen sind.

Danach wird es unter engen Vorgaben möglich sein, psychisch gestörte Gewalt- und Sexualstraftäter zur Therapie in geschlossenen Einrichtungen unterzubringen, soweit dies zum Schutz der Allgemeinheit nötig ist. In den Ausschussbeartungen habe man sich zudem auf eine Verlängerung der Rückfallverjährung bei Sexualstraftaten von 10 auf 15 Jahre geeinigt.

Die Linke: Präventives Wegsperren widerspricht Strafrecht

Das Gesetz lasse erhebliche rechtsstaatliche Bedenken bestehen, befand hingegen die Abgeordnete der Linksfraktion, Halina Wawzyniak. „Präventives Wegsperren steht im Widerspruch zum deutschen Strafrecht“, sagte sie. Die von der Koalition selbst aufgestellte Forderung, die Sicherungsverwahrung dürfe nur die Ultima Ratio sein, werde zudem nicht eingehalten, so Wawzyniak, da auch nach den Ausschussberatungen immer noch Staatsschutzdelikte und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zu den Anlassstraftaten gehören würden.

Das Therapieunterbringungsgesetz sei bei der Anhörung von allen Sachverständigen als problematisch bezeichnet worden, sagte die Abgeordnete der Linksfraktion. Damit würden „Menschen zu psychisch Gestörten umetikettiert“, trotz erheblicher europarechtlicher Bedenken. „Das führt zu einer Psychiatrisierung, hilft aber niemand weite“, sagte sie.

„Nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht abgeschafft“

Statt sich gleich nach dem im Dezember des vergangenen Jahres ergangenen Urteils an die Arbeit für eine Reform der Sicherungsverwahrung zu machen, habe die Bundesregierung eine „ohnehin aussichtlose“ Beschwerde beim EGMR eingereicht, kritisiert der Grünenabgeordnete Jerzy Montag. „Damit haben Sie viele Monate verstreichen lassen und die Probleme und Kosten der Länder erhöht“, kritisierte er.

Dass der Tatenkatalog eingeschränkt wurde, lobte Montag. Besser wäre es jedoch gewesen, sich orientierend an den Versprechen von Bundesjustizminister Sabine Leutheusser-Schnarrenberger tatsächlich auf schwerste Gewalttaten und schwere Sexualstraftaten zu beschränken. Aus Montags Sicht werde zudem mit dem Gesetz die nachträgliche Sicherungsverwahrung gar nicht wirklich abgeschafft. Durch falsche Übergangsbestimmungen könne es noch mehr als 15 Jahre lang dazu kommen, kritisierte er.

FDP: Recht wird sicherer in der Anwendung

Mit dem Gesetzentwurf wurde das Recht der Sicherungsverwahrung wieder vom Kopf auf die Füße gestellt, sagte der FDP-Abgeordnete Christian Ahrendt. Dafür gebühre der Bundesjustizministerin Dank, da sie trotz vieler „forsch vorgetragener Forderungen“ bei ihrem Gesetzentwurf geblieben sei.

Mit dem Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung werde das Recht sicherer in der Anwendung, auch für die Täter, sagte Ahrendt. Diese wüssten dann schon während der Haft, dass es diesen Vorbehalt gibt. Das sei besser, als wenn sie erst am Ende der Strafe erfahren würden, dass sie in die Sicherungsverwahrung kommen. (hau)

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