Bundestag unterstützt Demokratisierung Tunesiens
Die deutsche Regierung und die Abgeordneten des Deutschen Bundestags stehen „ohne Wenn und Aber auf und an der Seite der Demokratie“ in Tunesien und Ägypten. Das betonte Dr. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) anlässlich einer vereinbarten Debatte am Donnerstag, 27. Januar 2011. Man sehe in beiden Ländern, „welche Kraft die Idee der Freiheit entfalten“ könne; dies sei „die andere Seite der Globalisierung“. Es gehe nun um den Respekt vor den Menschen- und Bürgerrechten sowie um das Rechte auf Presse, Rede- und Demonstrationsfreiheit; diese Botschaft „soll in Tunesien und Ägypten gehört werden“.
Westerwelle: Freiheit des Internets nicht beschränken
Westerwelle sagte, wer in dieser Situation Gewalt gegen die eigene Bevölkerung einsetze, der befördere Islamismus und Fundamentalismus.
Der Außenminister plädierte zudem dafür, die Pressefreiheit zu gewähren - ausdrücklich dürfe auch nicht die Freiheit des Internets, das ein „Motor für die Demokratisierung“ sei, beschnitten werden.
CDU/CSU: Forderungen nach Demokratie unterstützen
Für die Union stellte der außenpolitische Experte der Fraktion, Ruprecht Polenz, fest, Deutschland müsse „ein Signal senden, dass die Forderungen nach Rechtsstaat und Demokratie unterstützt“ würden. Man müsse aber auch selbstkritisch fragen, ob man sich nicht „zu lange vor die falsche Alternative von autoritären Regimen und islamistischem Chaos“ habe stellen lassen.
Autoritäre Regime schützten nicht vor Islamismus, sie wirkten vielmehr wie ein Brutkasten dafür. Die Hilfe, die Deutschland und die EU Tunesien beim Aufbau der Demokratie nun geben werde, müsse an klare Bedingungen geknüpft werden. So müssten alle, die sich künftig im politischen System beteiligen, erklären, ausdrücklich friedliche Mittel zu verwenden, und dazu bereit sein, sich bei veränderten Mehrheiten abwählen zu lassen.
„Grundrecht auf Demonstrationen“
Zudem müsse die Gleichberechtigung der Frau „unangetasteter Verfassungskonsens“ sein. Der Regierung in Ägypten müsse deutlich gesagt werden, dass es ein Grundrecht auf Demonstrationen gebe; es sei „ein Skandal“, dass Kommunikationsmöglichkeiten im Internet abgeschaltet worden seien.
Polenz stellte fest, die Äußerung, es gebe Völker, die für die Demokratie nicht geeignet seien, seien „überheblich und falsch“.
FDP: Tunesien beim Prozess der Selbstfindung helfen
Der außenpolitische Sprecher der FDP, Rainer Stinner, bekräftigte, man müsse Tunesien Hilfe „beim Prozess der Selbstfindung“ gewähren. Er befürworte zusätzlich ein Entgegenkommen in Handelsfragen: So solle der freie Handel, den es bislang für Industriegüter gebe, auch auf landwirtschaftliche Güter ausgeweitet werden.
Auch die Oppositionsfraktionen bekräftigten ihre Solidarität mit den Demonstranten in Tunesien und Ägypten. Günter Gloser, Europapolitiker der SPD, sage, man müsse die „mutigen Bürger“ beider Staaten unterstützen. Es sei in der Vergangenheit jedoch nötig gewesen, mit den bisherigen Regierungen zu sprechen, auch wenn es Bedenken gegeben habe.
Grüne: Historische Chance der EU
Für Bündnis 90/Die Grünen teilte Kerstin Müller die Einschätzung, dass „die Strategie des Westens in der Region“ gescheitert sei, säkulare, aber autoritäre Regime zu unterstützen, um so Islamismus zu verhindern. Nun die bisherige Politik auf den Prüfstand zu stellen und vielleicht zu einem anderen politischen Verständnis zu gelangen, sei die „historische Chance der EU“.
Müller betonte, niemand könne vorhersagen, ob Tunis vielleicht „zum Danzig des nahen Ostens“ werde; es sei nicht ausgeschlossen, dass der Funke der Revolution auf andere arabische Staaten überspringe.
Linke: Gemeinsame Sache mit Diktatoren gemacht
Hart ins Gericht mit der bisherigen Politik der Bundesregierung ging der Abgeordnete Niema Movassat von der Linksfraktion: Sie habe lange „gemeinsame Sache mit einem der schlimmsten Diktatoren der Welt“ gemacht und es sich so lange nicht „mit dem geschätzten Partner Ben Ali“ verderben wollen, solange die Möglichkeit bestanden habe, dass er im Amt bleibe.
Man habe „gelassen in Kauf genommen“, dass es in Tunesien Folter gegeben habe. (suk)