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Soziales

„Unser Thema ist keineswegs abstrakt“

Claudia Bögel

Claudia Bögel (© DBT/Edgar Zippel)

„Wachstum an sich ist positiv, wenn es sich dabei nicht allein um Profit dreht“, sagt die FDP-Abgeordnete Claudia Bögel im Interview. Es müsse darum gehen, den Blickwinkel von der reinen Wirtschaftsleistung auf die Lebensqualität zu erweitern: „Was zählt für menschliches Wohlergehen?“ In der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ leitet Bögel die Arbeitsgruppe I, die sich mit dem „Stellenwert von Wachstum und Wirtschaft“ befasst. Die Kommission soll das allein ökonomisch und quantitativ  ausgerichtete Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Messgröße für gesellschaftliches Wohlergehen weiterentwickeln und etwa um ökologische, soziale und kulturelle Kriterien ergänzen. Ziel ist die Perspektive eines qualitativen Wachstums. Das Interview im Wortlaut:


Die Kommission legt Wert auf Öffentlichkeit. Besteht aber nicht die Gefahr, dass das Gremium wegen der eher abstrakten Themenstellung doch im Schatten öffentlicher Wahrnehmung arbeiten wird?

Wir behandeln sicher keine tagesaktuellen Fragen. Unser Thema ist aber keineswegs abstrakt. Schließlich ist die Frage nach Wachstum und Lebensqualität eng mit konkreten Erfahrungen im Alltagsleben verknüpft. Insofern denke ich, dass wir durchaus auf Interesse in der Öffentlichkeit stoßen. Zudem werden wir international renommierte Koryphäen wie etwa den Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz einladen. Solche Auftritte dürften für Resonanz sorgen.

Die Kommission soll Wege zu einem qualitativen Wachstum aufzeigen, wobei es nicht zuletzt um eine Begrenzung des Ressourcenverbrauchs aus ökologischen Gründen geht. Welchen Beitrag leistet dazu ihre Projektgruppe?

Wir liefern in unserer Arbeitsgruppe wesentliche Grundlagen für die Debatte, indem wir zunächst eine Definition der Begriffe Wachstum und Nachhaltigkeit erarbeiten. Daraus folgen dann konkrete Fragestellungen für die Diskussion in der Kommission, was wir momentan intensiv erörtern. Dem Ergebnis dieser Bemühungen will ich nicht vorgreifen, dazu leisten alle Mitglieder der Projektgruppe ihren Beitrag.

IIst Wachstum gut oder böse? Geht es um einen Zuwachs an Reichtum oder ein Mehr an Glück? Lässt sich Letzteres überhaupt messen?

Ökonomisches Wachstum ist an sich positiv, wenn es sich dabei nicht allein um Profit dreht. Wichtig sind auch Aspekte wie Forschung und Innovation. Wir prüfen, wie sich der Blickwinkel von der reinen Wirtschaftsleistung auf die Lebensqualität erweitern lässt: Was zählt für menschliches Wohlergehen? Dieses lässt sich allein mit dem BIP nicht ermitteln, dazu benötigen wir zusätzliche Kriterien, einen Indikatoren-Set, um es so zu formulieren. Ich habe allerdings Zweifel, ob sich etwas Subjektives wie Glück objektiv messen lässt.

Was ist eigentlich qualitatives Wachstum? Läuft es darauf hinaus, weniger Steuern und Sozialabgaben auf die Arbeit zu erheben und stattdessen den Ressourcenverbrauch stärker zu belasten? Also auf eine Neuauflage der alten Öko-Steuer?

Qualitatives Wachstum zielt nicht auf die schlichte Vermehrung von Gütern, sondern auf die Verbesserung der Qualität von Produkten und Dienstleistungen. Vor diesem Hintergrund sollte Wachstum beleuchtet werden.

Es gibt Forderungen, im globalen Maßstab das Wachstum des reichen Nordens zu begrenzen, dem armen Süden hingegen wirtschaftliche Zuwächse zu erlauben: Was halten Sie von einem solchen Konzept?

Gar nichts. Es gibt nun mal Unterschiede bei der Wirtschaftsleistung zwischen einzelnen Staaten und zwischen Regionen auf dem Erdball. Eine künstliche Begrenzung des Wachstums in bestimmten Ländern nützt niemandem. Man darf nicht vergessen, dass Wachstum auch auf Innovationen beruht, von denen alle etwas haben können. Überdies verschafft eine hohe Wirtschaftsleistung dem Norden Ressourcen, dem Süden zu helfen. Wie eine solche Förderung dann konkret aussieht, hängt vom Einzelfall ab.

Es wird kritisiert, dass das BIP das Wachstum nicht korrekt misst. So werden Investitionen zur Behebung der Folgen von Naturkatastrophen wie des Erdbebens in Japan das dortige Wachstum steigern, obwohl diese Katastrophe Milliardenschäden angerichtet hat. Wie soll man dieses Problem lösen?

Es stimmt, dass das BIP nur begrenzte Möglichkeiten zur Ermittlung des Wachstums offeriert. Deswegen will unsere Enquete-Kommission diesen Indikator ja in verschiedene Richtungen weiterentwickeln. Gleichwohl bleibt das BIP der statistische Eckpfeiler zur Bewertung der Wirtschaftsleistung. In Japan wie bei ähnlichen Naturkatastrophen laufen zwei Entwicklungen parallel. Einerseits richtet das Erdbeben Schäden an der Infrastruktur an. Andererseits erhöhen die Investitionen zur Beseitigung der Schäden wiederum das Wachstum. Methodisch lassen sich diese beiden Prozesse nicht miteinander verrechnen.

Über Rolle und Bedeutung des Wachstums differieren die Meinungen zwischen den Parteien. Kann es zum Finale der Kommissionsarbeit eine Einigung geben oder werden im Abschlussbericht des Gremiums im Jahr 2013 Mehrheits- und Minderheitspositionen stehen?

Ohne Frage existieren große Anschauungsunterschiede zwischen den Fraktionen und den Sachverständigen, weshalb wir vielfach kontrovers diskutieren. Allerdings zeigt sich in unserer Projektgruppe, dass ein zielgerichtetes Arbeiten auch zu Annäherungen und zum Konsens führen kann, etwa bei der Definition des Wachstumsbegriffs. Zum Abschluss will die Enquete-Kommission 2013 einen gemeinsamen, einheitlichen Bericht präsentieren. So ist es jedenfalls geplant. Ob das tatsächlich gelingt, muss sich noch zeigen.

(kos)

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