Die Beschlüsse des Bundestages am 7. und 8. April
Der Bundestag hat am Donnerstag, 7. April, und Freitag, 8. April 2011, folgende Beschlüsse gefasst, zum Teil ohne vorherige abschließende Aussprache:
Patientenrechtegesetz: Bei Enthaltung der Linksfraktion hat der Bundestag am 8. April gegen das Votum von CDU/CSU und FDP einen Antrag der SPD „für ein modernes Patientenrechtegesetz“ (17/907) auf Empfehlung des Gesundheitsausschusses (17/5227) abgelehnt. Darin hatte die SPD kritisiert, dass die Rechte der Patienten in unterschiedlichen Gesetzen verankert sind oft erst durch die Rechtsprechung konkretisiert werden, was es den Patienten erschwere, ihre Ansprüche geltend zu machen. Daher müssten die Rechte der Patienten und vor allem der Opfer von Behandlungsfehlern verbessert, Risikomanagement und Fehlermeldesysteme optimiert und die Krankenkassen zur Unterstützung bei Rechtsstreitigkeiten verpflichtet werden, hieß es im Antrag der SPD. Die Union hielt den Antrag für nicht zielgenau und überzogen.
Neue Regelungen für Investmentfonds: Gegen das Votum von SPD und Linksfraktion bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen hat der Bundestag am 8. April neue Regelungen für Investmentfonds beschlossen. Den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (17/4510, 17/4811), kurz OGAW-IV-Umsetzungsgesetz genannt, nahm er in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung (17/5403, 17/5417) mit Koalitionsmehrheit an. Damit werden grenzüberschreitende Verschmelzungen von Fonds erleichtert und doppelstöckige Fondsstrukturen bei Publikumsfonds unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht. Wesentliche Anlegerinformationen werden in einem maximal dreiseitigen Informationsdokument EU-weit vereinheitlicht. Beschleunigt werden die bei grenzüberschreitendem Vertrieb von Investmentfonds erforderlichen Anzeigeverfahren, mit denen der Zugang zum gesamten Binnenmarkt erreicht werden kann. Bei Änderungen von Vertragsbedingungen werden Anleger künftig direkt informiert. Zugleich werden Anforderungen an Mikrofinanzinstitute reduziert, damit sich in Deutschland ein Markt für Mikrofinanzfonds entwickeln kann.
Tschernobyl-Anträge abgelehnt: Keine Mehrheit haben am 8. April Anträge der drei Oppositionsfraktionen gefunden, die auf den 25. Jahrestag der Reaktorkatastrophe am 26. April 1986 im ukrainischen Tschernobyl Bezug nehmen. In ihrem Antrag „Für eine zukunftssichere Energieversorgung ohne Atomkraft und eine lebendige europäische Erinnerungskultur“ (17/5366) hatte die SPD unter anderem gefordert, das Förderprogramm „Grenzen überwinden“ für Weißrussland fortzusetzen, die Einrichtung einer „Geschichtswerkstatt Tschernobyl“ in Kiew zu unterstützen und sich für einen Jugendaustausch einzusetzen, der Kindern und Jugendlichen aus den noch radioaktiv belasteten Regionen zugute kommt. Die Grünen stimmten mit der SPD für, die Koalition stimmte gegen den Antrag, Die Linke enthielt sich. Die Linke hatte in ihrem Antrag (17/5379) gefordert, Projekte und Initiativen von Nichtregierungsorganisationen für die Opfer der Reaktorkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima zu fördern und alle deutschen Atomkraftwerke sofort stillzulegen. Die Grünen enthielten sich, Union, SPD und FDP stimmten gegen diese Initiative. Bündnis 90/Die Grünen traten dafür ein (17/5375), den durch Atomunfälle betroffenen Menschen und Ländern zu helfen, sich weltweit für einen raschen Atomausstieg einzusetzen und in Deutschland die Atomkraftnutzung spätestens 2017 zu beenden. Nur Die Linke stimmte mit den Grünen für den Antrag, die Koalition stimmte dagegen, die SPD enthielt sich.
Initiativen zur Abrüstung abgelehnt: Bei Enthaltung der SPD und gegen das Votum von Union und FDP hat der Bundestag einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Deutschland atomwaffenfrei - Bei der Abrüstung der Atomwaffen vorangehen“ (17/122) am 8. April im Bundestag keine Mehrheit gefunden. Das Parlament folgte dabei einer Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses (17/2213). Die Grünen hatten die Bundesregierung aufgefordert, keine Bundeswehrpiloten und Jagdbomber zum Atomwaffeneinsatz mehr bereitzustellen, die aktive nukleare Teilhabe aufzugeben und sich gegenüber den USA und anderen Nato-Partnern für den Abzug der verbliebenen US-Atomwaffen aus Deutschland und Europa einzusetzen. Der Bundestag lehnte darüber hinaus gegen die Stimmen der Linken und Grünen zwei Anträge der Linksfraktion (17/116, 17/886) auf Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses (17/2214, 17/2215) ab. Im ersten Antrag hatte Die Linke gefordert, Atomwaffen unverzüglich aus Deutschland abzuziehen, im zweiten ging es ihr darum, die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages im Mai 2010 in New York zu nutzen, um das atomare Kontroll- und Abrüstungsregime zu stärken.
Erhebung der Bankenabgabe: Ohne Änderungen hat der Bundestag die Verordnung der Bundesregierung über die Erhebung der Beiträge zum Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute (17/4977) auf Empfehlung des Finanzausschusses (17/5401, 17/5405) zur Kenntnis genommen. Die Verordnung konkretisiert die gesetzlichen Vorgaben für die Erhebung der vom Bundestag beschlossenen Bankenabgabe, also von Jahres- und Sonderbeiträgen der beitragspflichtigen Kreditinstitute zum Aufbau des sogenannten Restrukturierungsfonds, aus dem bei künftigen Finanzkrisen die Sanierung oder Abwicklung in Schieflage geratener systemrelevanter Banken finanziert werden soll. Vorgesehen ist, dass die Banken einen gesonderten Meldebogen mit den bei ihnen verfügbaren Daten, die zur Berechnung der Jahresbeiträge erforderlich sind, an die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FSMA) melden. Die FSMA verwaltet den Banken-Restrukturierungsfonds.
Europäisches Betriebsräte-Gesetz geändert: Bei Enthaltung aller drei Oppositionsfraktionen hat der Bundestag am 7. April den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Europäische-Betriebsräte-Gesetzes (17/4808) in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung (17/5399) verabschiedet. Damit wird eine EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Mit der Änderung wird das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in EU-weit tätigen Unternehmen und Unternehmensgruppen gestärkt. Unter anderem wurde die Definition der Begriffe Unterrichtung und Anhörung erweitert. Die Rolle der Gewerkschaften als Sachverständige zur Untestützung der Verhandlungen des „besonderen Verhandlungsgremiums“ wird anerkannt. Ferner enthält das Gesetz eine Regelung für Schulungen der Mitglieder dieses Gremiums, das in Europäischen Aktiengesellschaften als Kontaktstelle zwischen Unternehmensleitung und Belegschaft vorgesehen ist. Gegen das Votum der Opposition lehnte der Bundestag einen Antrag der SPD (17/5184) ab, in dem die Fraktion „wirksame Sanktionen“ zur Stärkung von Europäischen Betriebsräten gefordert hatte. Unter anderem wollte die SPD Strafen bei Pflichtverstößen gegen die Richtlinie festlegen und einen Anspruch auf Unterlassung von Maßnahmen, die der Beteiligung der Arbeitnehmer entgegenwirken, im Gesetz festschreiben.
Unerlaubte Telefonwerbung: Abgelehnt hat der Bundestag am 7. April Anträge der Linksfraktion (17/3041) und von Bündnis 90/Die Grünen (17/3060), die den Kampf gegen unerlaubte Telefonwerbung zum Gegenstand haben. Der Bundestag folgte dabei einer Empfehlung des Rechtsausschusses (17/3587). Dem Antrag der Linken stimmte lediglich diese Fraktion selbst zu, die Grünen enthielten sich. Die Linke hatte gefordert, dass ein im Rahmen eines unerlaubten Telefonanrufs geschlossener Vertrag erst nach schriftlicher Bestätigung des Verbrauchers wirksam wird und dass Arbeitsagenturen Erwerbslose nicht in unseriöse Callcenter vermitteln dürfen. Nur Linke und Grüne votierten für den Grünen-Antrag, wonach eine Bestätigung für telefonisch angebahnte Verträge, die gegen das Verbot der Telefonwerbung ohne Einwilligung des Verbrauchers verstoßen, vorgesehen werden sollte. Für die Einwilligung der Verbraucher zur Telefonwerbung sollte Textform verbindlich vorgeschrieben werden, so die Grünen.
Fahrberechtigung für Fahrer von Einsatzfahrzeugen: Einstimmig hat der Bundestag am 7. April einen Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (17/4981) in der vom Verkehrsausschuss geänderten Fassung (17/5355) beschlossen. Damit wurde eine Ermächtigungsgrundlage für eine spezielle Fahrberechtigung für Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren, des Rettungsdienstes, des Technischen Hilfswerks und des Katastrophenschutzes geschaffen, damit diese Einsatzfahrzeuge bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 4,75 Tonnen beziehungsweise 7,5 Tonnen auf der Grundlage einer besonderen Ausbildung und Prüfung fahren dürfen. Immer mehr Einsatzfahrzeuge hatten in der Vergangenheit die zulässige Gesamtmasse von bis zu dreieinhalb Tonnen überschritten und durften von Inhabern der alten Führerscheinklasse 3 nur noch dann gefahren werden, wenn diese die Fahrprüfung vor 1999 abgelegt hatten. Seit 1999 ist für Fahrzeuge von dreieinhalb bis siebeneinhalb Tonnen der Führerschein der Klasse C1, für Fahrzeuge mit mehr als siebeneinhalb Tonnen der Klasse C erforderlich. Aufgrund dieser Anforderungen mussten für bundesweit 16.000 Einsatzfahrzeuge fünf oder mehr Fahrer zur Verfügung stehen, um eine Einsatzfähigkeit rund um die Uhr zu gewährleisten. Einen Entwurf des Bundesrates zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (17/2766), in dem das Problem ausgegriffen und eine Sonderfahrberechtigung für schwerere Einsatzfahrzeuge gefordert worden war, erklärte der Bundestag einvernehmlich für erledigt.
Unterstützung für die Deutsche Welle: Gegen das Votum der Linksfraktion hat der Bundestag am 7. April auf Empfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (17/5260) eine Entschließung zur Aufgabenplanung der Deutschen Welle für den Zeitraum von 2010 bis 2013 (17/1289) verabschiedet. Darin unterstützt das Parlament die strukturelle Neuausrichtung des deutschen Auslandssenders angesichts wachsender internationaler Konkurrenz, veränderten Nutzerverhaltens und knapper finanzieller Mittel. Der Bundestag begrüßt, dass die Deutsche Welle ihre Präsenz auf Kernregionen konzentriert und vor allem Multiplikatoren und Informationssuchende anspricht. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Deutsche Welle zunehmend als Instrument der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern zu begreifen und die Einrichtung flexibler Strukturen für potenzielle Krisenregionen zu ermöglichen, um dort im Bedarfsfall Präsenz zeigen zu können. Zudem solle die Kooperation mit den ARD-Landesfundfunkanstalten, dem ZDF und dem Deutschlandradio intensiviert werden.
Prozessbevollmächtigten bestellt: Ohne Aussprache hat der Bundestag am 7. April Prof. Dr. Bernd Grzeszick als Prozessbevollmächtigten in Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bestellt (Verfahren 2 BvC 4/10, 2 BvC 6/10 und 2 BvC 8/10). Die Beschwerdeführer hatten vor dem Verfassungsgericht Einspruch gegen die Gültigkeit der Europawahl vom 7. Juni 2009 eingelegt. Der Bundestag hatte diese Wahleinsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Daraufhin hatten die Beschwerdeführer Wahlprüfungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben. Das Gericht hat auf den 3. Mai 2011 zur mündlichen Verhandlung geladen, die eine einleitende Stellungnahme des Bundestages vorsieht. Die Beschwerdeführer hatten gerügt, dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel unter anderem gegen den Gleichheitssatz und das Demokratieprinzip verstoße. Ein weiterer Einwand betrifft die sogenannten „starren Listen“, die das Demokratieprinzip und die Grundsätze der direkten Wahl, der Freiheit und Unmittelbarkeit der Wahl sowie der Gleichheit der Wählbarkeit verletzen würden. Der Bundestag folgte bei seinem Beschluss einer Empfehlung des Rechtsausschusses vom 6. April (17/5398), die bei Enthaltung der Linksfraktion gefasst wurde.
Beschlüsse zu Petitionen: Ohne Aussprache hat der Bundestag am 7. April Beschlüsse zu einer Reihe von Petitionen gefasst. Im Einzelnen wurden die Empfehlungen des Petitionsausschusses zu den Sammelübersichten 242 bis 248 übernommen (17/5211, 17/5212, 17/5213, 17/5214, 17/5215, 17/5216, 17/5217). (vom)