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1. Untersuchungsausschuss

Rechtliches Erkundungsverfahren unter der Lupe

Fass mit Symbol für Radioaktivität

(pa/chromorange)

Der 1. Untersuchungsausschuss des Bundestages zu Gorleben hat am Donnerstag, 12. Mai 2011, mit der Vernehmung des Zeugen Dr. Heinrich Getz vor allem das rechtliche Erkundungsverfahren des Gorlebener Salzstocks unter die Lupe genommen.

Dabei stand die Frage im Vordergrund, wie die Entscheidung zustande gekommen war, den Salzstock nicht nach Atomrecht, sondern nach Bergrecht zu untersuchen. Heinrich Getz arbeitete von 1979 bis 1982 als Referatsleiter im Bundesinnenministerium und war für Atomgesetze zuständig.

„Bergrechtliches Verfahren bei einem Schacht“

Der Gorleben-Untersuchungsausschuss prüft, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung aus dem Jahr 1983, sich bei der Suche nach einem Endlager für radioaktiven Abfall auf den Standort Gorleben zu beschränken, zu Einflussnahmen auf die untersuchenden Wissenschaftler gekommen ist.

Zuerst äußerte Getz die Ansicht, dass die anfängliche Erkundung über die Anfertigung von Schächten nach Bergrecht rechtlich zulässig gewesen sei. „Ich bin immer der Meinung gewesen, dass ein atomrechtliches Verfahren angewandt wird, wenn es sich um atomares Material handelt“, sagte er. „Bei einem Schacht handelt es sich um ein bergrechtliches Verfahren, es entsteht ja kein neues Verfahren.“

„Planfeststellungsverfahren bei atomrechtlichem Vorgehen“

Spätere Fragen der Lagerung würden dann ein viel strengeres Verfahren erfordern. Bei einem atomrechtlichen Vorgehen wäre - im Gegensatz zum Bergrecht - ein Planfeststellungsverfahren unter Einbeziehung der Öffentlichkeit notwendig.

Abgeordnete aus den Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der Linksfraktion hielten indes im Verlauf der Vernehmung dem ehemaligen Referatsleiter Vermerke vor, aus denen andere Positionen hervorgehen. Ein Vermerk vom Juni 1981 besage, dass das Referat von Getz sich durch die Rechtsauffassung eines beauftragten Gutachters bestätigt sehe, wonach schon das Anlegen der Schächte ein atomrechtliches Verfahren erfordern würde.

„Da war das Atomrecht abstrakt“

Ein wenige Tage später angefertigter Vermerk weise darauf hin, dass der Getz vorgesetzte Unterabteilungsleiter gefordert habe, die Rechtsmeinung des Gutachters nicht nach außen zu kommunizieren. „Ich kann mich nicht erinnern“, sagte Getz. „Wenn Sie mich zitieren, dass ich meine Meinung geändert habe, wird das wohl stimmen.“

Auf die Frage, ob es doch eines Planfeststellungsverfahrens für Gorleben bedurft hätte, antwortete Getz: „Ja. Ich bedaure, dass man meiner Rechtsauffassung nicht gefolgt ist.“ Allerdings habe es zum Zeitpunkt dieser Debatte keine Schächte gegeben: „Da war das Atomrecht abstrakt.“  

„Rivalität zwischen Innen- und Wirtschaftsministerium“

Getz berichtete, dass bei der Frage der friedlichen Nutzung von Kernenergie traditionell eine Rivalität zwischen dem Innen- und dem Wirtschaftsministerium herrsche. Ersteres habe sich immer auf seine Zuständigkeit für die Reaktorsicherheit berufen. „Wir verspürten vom Bundeswirtschaftsministerium immer den Druck, beim Erkundungsverfahren keine Probleme zu machen“, sagte er.

„Offenen Streit gab es aber nicht. Ich kann mich an keinen Problemfall erinnern.“ Er würde sich erinnern, wenn Druck ausgeübt worden wäre, den er nicht billigen würde. „Mir ist nicht bekannt, dass ein solcher Zeitdruck herrschte.“

„Viel Mühe aufgebraucht“

Zur Beteiligung der Öffentlichkeit sagte Getz, die Exekutive habe viel Arbeit hierfür geleistet. „Es wurde viel Mühe aufgebracht, um in Gorleben zu überzeugen.“

Auch habe er mit dem Regierungswechsel 1982 vom Kabinett Helmut Schmidts (SPD) hin zur Regierung von Helmut Kohl (CDU) keinerlei Bruch in seiner Arbeit empfunden.

„Es ist nichts fachlich gedreht worden“

Mit dem zweiten Zeugen Dr. Arnulf Matting ging der Ausschuss anschließend der Frage nach, ob es bei der Vorbereitung der entscheidenden Kabinettsvorlage zum Beschluss für Gorleben als einzigen Erkundungsstandort für die Lagerung von Atommüll im Jahr 1983 zu Manipulationen von Wissenschaftlern seitens der Politik gekommen ist. „Es ist nichts fachlich gedreht worden“, sagte Matting.

Der heute 74-Jährige war ab dem Frühjahr 1982 im Bundesinnenministerium für Entsorgungsfragen zuständig. Im Mittelpunkt der Befragung stand seine Teilnahme an einem vorbereitenden Gespräch am 11. Mai 1983 mit Wissenschaftlern von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB).

„Eine formelle Weisung gab es nicht“

Die Mitarbeiter hatten später ausgesagt, Matting sowie je ein Vertreter des Kanzleramts, des Bundeswirtschafts- und des Forschungsministeriums hätten bei dem überraschenden Besuch in Hannover unter anderem die Weisung gegeben, die ursprüngliche Forderung nach der Suche verschiedener möglicher Standorte für ein Endlager im PTB-Bericht zur Vorbereitung der Kabinettsvorlage fallen zu lassen.

„Ich kann mich überhaupt nicht an die Sitzung erinnern“, sagte Matting. Eine formelle Weisung habe es nicht gegeben. „Wir haben nur die Bitte geäußert, sich auf die eigentliche Aufgabe der PTB zu konzentrieren.“ Matting sagte, er sehe nicht, warum die Forderung nach einer Untersuchung mehrerer Standorte im Fachbericht hätte Platz finden sollen.

„Wer soll das bezahlen? Wir haben ja Gorleben“

Dies sei von den PTB-Mitarbeitern nur geäußert worden, weil sie die Müllfüllmenge in Gorleben für nicht ausreichend erachtet hätten: „Aber da war der Schacht Konrad ja schon längst in der Diskussion.“ Warum von dieser Sitzung bisher kein Vermerk existiert, konnte er nicht erklären.

Matting erklärte, die Exekitive habe aber sehr wohl an Alternativen gedacht, allerdings nur durch theoretische Vorarbeiten. „Andere Standorte wurden nicht erkundet, weil das Personal hierfür gar nicht zur Verfügung stand.“ Ferner fragte er: „Und wer soll das bezahlen? Wir haben ja Gorleben.“ Schließlich hätte man wohl keine anderen Bundesländer außer Niedersachsen gehabt, die sich mit Standorten anboten.

„Dann habe ich mich wohl nicht durchgesetzt“

Im Verlauf der Ausschusssitzung hielten Abgeordnete ihm zwei Ministervorlagen aus dem Frühjahr 1982 vor, in der Matting um Unterstützung der Länder bei der Suche nach alternativen Standorten gebeten habe. „Ich kann mich daran nicht erinnern“, sagte er, „dann habe ich mich wohl nicht durchgesetzt.“

Auf die Frage, warum bei der Formulierung der wissenschaftlichen Kriterien für ein Endlager die Forderung nach einem 250 Meter dicken Deckgebirge über dem Lager auf 200 Meter gesenkt worden sei - wie es in Gorleben der Fall ist -, antwortete Matting: „Wenn es so gelaufen wäre, würde ich das nicht in Ordnung finden. Aber ich kenne die Vorgänge nicht.“

„Das sind gravierende Dinge“

Als Grünen-Obfrau Sylvia Kotting-Uhl ihm Beispiele im PTB-Bericht aufzeigte, wonach bei mehreren Passagen ursprünglich vorsichtigere Aussagen geglättet worden seien, erwiderte Matting: „Das sind gravierende Dinge, das ist nicht nur Redaktion.“

Aber die Änderungen könnten auch von den Wissenschaftlern selbst stammen - ohne Zutun aus Bonn. „Ich weiß nicht mehr, was ich gemeint habe mit der Äußerung, manche Aussagen könnten positiver gestaltet werden“, sagte er mit Blick auf die Vorgänge im Jahr 1983. (jr)

Liste der Zeugen
  • Dr. Heinrich Getz,ehemaliger Mitarbeiter des Bundesministeriums des Innern und Bundesministeriums für Umwelt
  • Dr. Arnulf Matting, ehemaliger Mitarbeiter des Bundesministeriums des Innern und Bundesministeriums für Umwelt

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