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Europäische Union

„Vorstellungen liegen teilweise weit auseinander“

Gunther Krichbaum

Gunther Krichbaum (© DBT/Urban)

Von Sonntag, 29. Mai, bis Dienstag, 31. Mai 2011, treffen sich in Budapest die Europaausschüsse der nationalen Parlamente der EU-Staaten und Vertreter des Europäischen Parlaments zur 45. COSAC (Conferece of Community and European Affairs Committees of Parliaments of the European Union). Mit dabei ist auch der Vorsitzende des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, der CDU-Abgeordnete Gunther Krichbaum. Im Interview nimmt er zum Konferenzprogramm und zu aktuellen Fragen der europäischen Zusammenarbeit Stellung.


Herr Krichbaum, was ist eigentlich die Aufgabe der COSAC?

Die COSAC ist eine Konferenz der Europaausschüsse der nationalen Parlamente aller 27 EU-Staaten und von Vertretern des Europäischen Parlaments. Sie trifft sich zweimal pro Jahr, jeweils im Land der aktuellen Ratspräsidentschaft. Daher findet das nächste Treffen in Budapest statt. Sinn und Zweck der COSAC sind die stärkere Vernetzung der nationalen Europapolitiker untereinander und mit den Kollegen aus dem Europäischen Parlament, der Erfahrungsaustausch und die offene Diskussion über aktuelle Themen. Natürlich ist die Europapolitik stark regierungsgeprägt. Aber durch den Vertrag von Lissabon haben die nationalen Parlamente auch in diesem Politikbereich eigene Rechte erhalten. Aber mindestens genauso wichtig wie die offizielle Tagesordnung sind die vielen bilateralen Gespräche, die ich mit meinen Kollegen in den Beratungspausen führen kann.

Sie persönlich haben vor einem Jahr gesagt, dass sich die Rolle der COSAC als Folge des Vertrages von Lissabon, der den nationalen Parlamenten, aber auch dem Europäischen Parlament neue Befugnisse zugeteilt hat, verändern müsse. Ist das in ausreichendem Maße geschehen?

Noch nicht in dem Umfang, den ich mir wünsche. Das liegt aber sicher auch daran, dass die Befugnisse der nationalen Parlamente gegenüber ihren eigenen Regierungen in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Und so ist es für viele Kollegen noch ungewohnt, nach dem Vertrag von Lissabon beispielsweise eine eigenständige Subsidiaritätsprüfung zu unternehmen. Aber ich bin mir sicher, dass die neuen Mitspracherechte, die der Vertrag ermöglicht, die nationalen Abgeordneten zumindest in der Europapolitik selbstbewusster machen wird und davon auch die COSAC profitiert. Was jetzt schon beobachtet werden kann ist, dass die COSAC schneller auf aktuelle Entwicklungen reagiert. So haben beispielsweise viele Parlamente erhebliche Bedenken, ob die EU-Kommission bei ihrem Vorschlag für eine gemeinsame Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftssteuer die Regeln der Subsidiarität eingehalten hat. Der ungarische COSAC-Vorsitz hat daraufhin innerhalb weniger Tage dieses Thema auf unsere Tagesordnung gesetzt.

Beim anstehenden COSAC-Treffen wird sicherlich auch die Frage der Stabilisierung des Euro diskutiert werden. Ist das Thema unter den Europapolitikern ebenso umstritten wie unter den Regierungschefs und den Finanzministern? Oder finden Sie eher eine gemeinsame Linie?

Nun, zunächst treffen sich bei der COSAC nationale Abgeordnete und Mitglieder des Europäischen Parlaments. Und jedes Land hat zu den Themen Euro-Stabilisierung und den künftigen langfristigen Rettungsschirm (ESM) seine ganz eigenen Vorstellungen, was beispielsweise die Bedingungen für die Hilfen angeht. Dies spiegelt sich natürlich auch bei unseren Treffen wieder.

Zuletzt haben Sie sich deutlich gegen die Schaffung des Einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA) ausgesprochen. Werden Sie ihre Ablehnung auch gegenüber ihren europäischen Kollegen deutlich machen?

Zunächst möchte ich klarstellen, dass ich mich nicht gegen SEPA ausgesprochen habe. Es wird vielmehr höchste Zeit, dass der Gemeinsame Binnenmarkt auch ein einheitlicher Zahlungsverkehrsraum wird. Massive Bedenken habe ich aber gegen die konkrete Umsetzung von SEPA. Nur 0,9 Prozent aller Überweisungen, die in Deutschland bei den Banken eingereicht werden, sind grenzüberschreitend. Trotzdem wird jeder deutsche Bankkunde - vom Großunternehmen bis zum Schüler - eine neue 22-stellige Kontonummer erhalten. In Malta wird diese sogar 31 Ziffern haben! Zudem muss nach den derzeitigen Plänen jede einzelne Lastschrift, die wir alle für Miete, Versicherungen, Steuern und Vereinsbeiträge abgegeben haben, erneuert werden. Mit anderen Worten: SEPA ist grundsätzlich wichtig, die konkrete Ausgestaltung stößt bei mir aber auf massive Kritik, weil sie Europa den Menschen ganz sicher nicht näher bringen wird.

Was erwarten Sie noch an Anregungen von dem anstehenden Treffen in Budapest?

Es geht natürlich nicht nur um die aktuellen Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro, sondern vor allem auch um die Frage, wie wir künftig derartige Krisen verhindern können. Deshalb werden wir auch über eine verbesserte wirtschafts- und haushaltspolitische Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten diskutieren. Auch hier liegen die Vorstellungen in den einzelnen Parlamenten teilweise weit auseinander.

Herr Krichbaum - Sie als Vorsitzender des Europaausschusses: Machen Sie sich angesichts der anhaltenden europäischen Schuldenkrise Sorgen um den Bestand der EU?

Ich halte es für falsch, wenn jetzt in den Medien überall über das baldige Ende von Euro und EU spekuliert wird. Dies verunsichert die Menschen nur zusätzlich und hilft bei der Bewältigung der anstehenden Probleme überhaupt nicht. Richtig ist aber auch, dass die bislang notwendig gewordenen Hilfspakete und auch der permanente Rettungsschirm, der ab 2013 greifen soll, bei vielen Menschen in Europa und speziell auch in Deutschland Zweifel aufkommen lassen, ob Europa überhaupt noch sinnvoll ist. Und da sage ich aus voller Überzeugung, dass wir Europa gerade in den Zeiten der Globalisierung dringend brauchen. Denn wir dürfen eines nicht übersehen: Am Ende des 21. Jahrhunderts wird Europa nur noch vier Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren. Ob Bekämpfung des internationalen Terrorismus, Energieversorgung, Rohstoffsicherung für unsere Industrie und Wahrung unserer sozialen Standards: Bei all diesen Herausforderungen sind einzelne Mitgliedsländer viel zu klein, um alleine Lösungen zu finden. Hierfür brauchen wir Europa und daher lohnt sich jetzt jeder Einsatz dafür, dass Europa und der Euro weiterhin Erfolgsgeschichten sind.

Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, um die Situation in den Problemländern Griechenland, Irland, aber auch Portugal und Spanien in den Griff zu bekommen?

Zunächst dürfen wir diese Länder nicht über einen Kamm scheren. Die Probleme in Griechenland sind durch eine unverantwortliche Verschuldungspolitik aller Regierungen der letzten Jahre entstanden. In Irland hat die Schieflage der Banken die Krise verursacht, Portugal fehlt vor allem die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Spanien leidet unter der jahrelangen Immobilienkrise. Es gibt also nicht eine Ursache und damit auch nicht eine Medizin für alle. Aber was für die gesamte EU richtig ist, gilt ganz besonders in den von Ihnen angesprochenen Ländern: Es sind noch sehr viele Reformen notwendig, um unsere Wirtschaft auf den globalen Märkten wettbewerbsfähig zu halten. Denn um uns herum entstehen in Asien und Südamerika neue Wachstumszentren, mit denen wir zu konkurrieren haben. Um unsere Errungenschaften und unsere Werte zu bewahren, müssen wir gemeinsam große Anstrengungen zum Erhalt unserer Wettbewerbsposition unternehmen.

(hau)