„Entscheidung entzieht sich meiner Kenntnis“
Die Anfänge des Beschlussprozesses für Gorleben als möglichen Standort für die Endlagerung von Atommüll liegen weiterhin im Dunkeln. „Die niedersächsische Entscheidung entzieht sich komplett meiner Kenntnis“, sagte der Zeuge Prof. Dr. Klaus Kühn am Donnerstag, 30. Juni 2011, vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss unter Vorsitz von Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU). Die Bundesregierung sei zwar über die Entscheidung Hannovers im Jahr 1977 überrascht gewesen, habe diese aber akzeptiert.
Drei Großversuche eingestellt
Kühn arbeitete seit 1965 als Ingenieur für die Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF). Von 1973 bis 1995 leitete er das Institut für Tieflagerung der GSF. Im Lager Asse gab es auch Prüfungsarbeiten zur möglichen Lagerung von Atommüll in Gorleben.
Drei Großversuche seien indes im Jahr 1992 auf Beschluss des Bundesministeriums für Forschung und Technologie eingestellt worden. „Es herrschte Uneinigkeit über die Restfinanzierung dieser Versuche zwischen den beteiligten Bundesministerien“, sagte Kühn, „obwohl ein Großteil der Finanzierung schon stand.“
„Mit der Wirtschaft hatten wir überhaupt nichts zu tun“
Der Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung im Jahr 1983, sich bei der Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle auf Gorleben als möglichen Standort zu beschränken, zu Manipulationen oder politischen Einflussnahmen auf Wissenschaftler gekommen ist.
„Ich bin nie von der Politik angewiesen worden, irgendwelche Ergebnisse zu veröffentlichen oder nicht“, sagte er. „Und mit der Wirtschaft hatten wir überhaupt nichts zu tun.“ Zu den Arbeiten sagte Kühn, man habe sich zwar bei der Suche auf Salz konzentriert. „Aber wir haben uns an anderen internationalen Untersuchungen wie mit der Schweiz im Granit beteiligt.“
„Endlagerung spielte eine untergeordnete Rolle“
Die Kriterien bei der Endlagersuche hätten sich dabei im Verlauf der Jahre geändert. „Anfang der siebziger Jahre wurde nach einem nationalen Entsorgungszentrum gesucht, mit einer Wiederaufarbeitungsanlage als Herzstück“, sagte Kühn. „Endlagerung spielte da eine untergeordnete Rolle.“
So seien anfangs wichtige Kriterien gewesen, wegen der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage auf eine möglichst geringe Bevölkerungsdichte im Umfeld sowie auf eine möglichst geringe Milchwirtschaftsdichte zu setzen.
„Nur prototypische Untersuchungen geleistet“
Kühn wies Darstellungen zurück, er habe Asse als Prototyp für Gorleben bezeichnet. „Wir haben nur prototypische Untersuchungen für Gorleben geleistet“, sagte er und verwies in diesem Zusammenhang auf gebirgsmechanische und hydrologische Testverfahren.
Im Übrigen betonte er: „In Gorleben ist es nahezu unmöglich, dass wir dieselben Fehler wie in Asse machen. Asse war im Gegensatz zu Gorleben ein Produktionsbergwerk gewesen.“ Kühn äußerte sich zu ursprünglich geplanten Forschungsarbeiten zur Eignung Gorlebens als Atommüllendlager im Lager Asse.
Probearbeiten nie durchgeführt
So hätten die Forscher vorgehabt, dort probehalber hoch strahlendes Material hinunterzulassen. „Wir wollten Kobalt-60-Kugeln für drei bis vier Jahre rückholbar durch verrohrte Schächte anbringen, um die Wirkung von Wärme auf das Salz zu erkunden“, sagte er. Bei Vertreterinnen von Bündnis 90/Die Grünen löste Kühn damit Nachfragen aus, hatte er doch vor diesen Planungen schon in den siebziger Jahren für den Standort Asse als Lager für hoch radioaktiven Müll wegen der Möglichkeit von Wasser- oder Laugeneintritten Bedenken gehegt.
Die Probearbeiten wurden indes nie durchgeführt: 1992 verfügte das Bundesforschungsministerium einen Stopp der Gorleben-Forschung in Asse.
„Wir wollten so was nicht an der Zonengrenze haben“
Kühn war auch an der ersten Studie der privatwirtschaftlichen Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungsgesellschaft (KEWA) aus dem Jahr 1976 beteiligt. Die Studie hatte ursprünglich Gorleben als möglichen Standort nicht genannt. „Wir wollten so was nicht an der Zonengrenze haben“, sagte er.
„Ich halte mich für unabhängig“
Der 73-Jährige bestätigte, seit dem Jahr 2005 Ehrenmitglied der Kerntechnischen Gesellschaft (KTG) zu sein. Eine Mitgliedschaft im Deutschen Atomforum dementierte er hingegen. Angesprochen auf Aktenhinweise, nach denen er über Jahre hinweg in einer Arbeitsgemeinschaft des Atomforums zu nuklearer Infrastruktur mitgearbeitet habe, sagte er: „Daran kann ich mich nicht erinnern.“KTG-Gründungsmitglied Kühn sagte, er wisse nicht, ob die KTG vom Atomforum Gelder erhalten habe. „Natürlich halte ich mich für unabhängig“, betonte er. (jr)