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Europäische Union

„Mitbestimmung nationaler Parlamente unverzichtbar“

Bundestagspräsident Norbert Lammert und Vorsitzender des Präsidiums Richter des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff

Bundestagspräsident Norbert Lammert und Vorsitzender des Präsidiums Richter des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff (DBT/Melde)

Die Mitbestimmung des Bundestages und anderer nationaler Parlamente in EU-Angelegenheiten ist als Instrument einer demokratisch-parlamentarischen Legitimierung der Brüsseler Politik und der fortschreitenden EU-Integration unverzichtbar: Diese Botschaft vermittelte die Tagung „Europarecht im Bundestag“, die am Freitag, 1. Juli 2011, von der Deutschen Sektion der internationalen Juristen-Kommission veranstaltet wurde. Verfassungsrichter Prof. Dr. Rudolf Mellinghoff als Vorsitzender dieser Vereinigung und andere Redner wiesen darauf hin, dass Karlsruhe mit den Urteilen zum Lissabon-Vertrag und zum Europäischen Haftbefehl das Gewicht des Bundestages in der EU-Politik gestärkt habe. Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert dankte dem Verfassungsgericht für diese Aufwertung des Bundestages in EU-Angelegenheiten.

Immer umfänglichere EU-Gesetzgebung

Lammert erklärte, durch die Globalisierung und die zunehmende internationale Finanzverflechtung sowie durch die wachsende europäische Integration werde die Gesetzgebung der nationalen Parlamente „signifikant verändert“. So habe man es mit einer immer umfänglicheren EU-Gesetzgebung zu tun, die im Ergebnis in nationales Recht umgesetzt werden müsse.

Diese Entwicklung sei jedoch „kein Ausdruck von Entparlamentarisierung“, so der Unionsabgeordnete: Brüssel eigne sich keine Kompetenzen eigenmächtig an, vielmehr geschehe dies auf der Basis völkerrechtlicher Verträge, die von den nationalen Parlamenten ratifiziert würden.

Kritik an mangelnder Legitimierung Brüsseler Politik

Allerdings sei der „kuriose Zustand“ nicht zu übersehen, dass staatliche Zuständigkeiten zusehends auf eine Instanz übertragen würden, die ihrerseits kein Staat sei und auch keiner werden solle.

Dabei wanderten auch parlamentarische Kompetenzen an den EU-Ministerrat, was Kritik an einer mangelnden parlamentarischen Legitimierung der Brüsseler Politik hervorrufe.

Langjähriges Bemühen um Mitbestimmungsrechte

Die Professoren Dr. Franz C. Mayer (Universität Bielefeld) und Dr. Matthias Ruffert (Unversität Jena) würdigten das langjährige Bemühen des Bundestages um effektive Mitbestimmungsrechte in der EU-Politik, was sich bei der Ratifizierung des Lissabon-Vertrages oder praktisch etwa bei der Einrichtung eines eigenen Verbindungsbüros des Bundestages in Brüssel gezeigt habe.

Auf diesem Gebiet könne das deutsche Parlament im Vergleich mit anderen nationalen Volksvertretungen in der EU eine „Erfolgsgeschichte“ verbuchen, sagte Mayer. Er sieht die Chance, dass sich beim Ringen um Mitwirkungsrechte gegenüber der vorwiegend intergouvernemental geprägten EU der Bundestag langfristig als Ganzes und nicht nur auf Seiten der jeweiligen Opposition als Widerpart der Regierung profiliert.

„Beteiligung nicht auf den Haushaltsausschuss reduzieren“

Für Ruffert gibt es bei der Ausgestaltung der EU-Politik verfassungsrechtlich keinen Gegensatz zwischen dem EU-Parlament und den nationalen Abgeordnetenhäusern. Über eine frühzeitige Wahrnehmung des im Lissabon-Vertrags verankerten Subsidiaritätsprinzips könne der Bundestag einer verbreiteten Gewohnheit entgegenwirken, wonach die Regierung am Parlament vorbei in Brüssel ungeliebten EU-Regelungen zustimme und hinterher die Schuld für solche Beschlüsse auf die EU abschiebe.

Der Jenaer Wissenschaftler wies darauf hin, dass im Zusammenhang mit den Euro-Rettungsschirmen dieses Politikfeld als intergouvernementale Angelegenheit ohne Mitbestimmung durch das EU-Parlament konzipiert werde. Umso wichtiger sei deshalb die Mitwirkung nationaler Parlamente wie des Bundestages, die nicht auf die Beteiligung des Haushaltsausschusses reduziert werden dürfe.

„Bundestag lässt sich nicht Butter vom Brot nehmen“

Aus Sicht von Gunther Krichbaum hat sich in den vergangenen Jahren die Parlamentarisierung der an sich in hohem Maße exekutiv geprägten EU-Politik verstärkt. Der Bundestag lasse sich „von der Regierung nicht die Butter vom Brot nehmen“, betonte der Vorsitzende des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union im Bundestag.

Der Ausschuss insgesamt und nicht nur dessen oppositioneller Teil reklamiere seine Rechte gegenüber der Regierung. Der CDU-Abgeordnete erklärte, im Zusammenhang mit der Griechenland-Hilfe habe der Bundestag demonstriert, dass er schnell und verantwortungsvoll auf aktuelle Erfordernisse reagieren könne. Es zeige sich, dass die erweiterten parlamentarischen Mitwirkungsrechte nicht zu einer Lähmung der EU-Politik führen.

„Regierung verhält sich zuweilen restriktiv“

Auch Klaus Hagemann sagte, dass sich seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags die Beteiligungsrechte der nationalen Parlamente verbessert hätten. Aus Sicht des Vorsitzenden des vom Haushaltsausschuss eingesetzten EU-Unterausschusses offenbart sich jedoch zwischenzeitlich eine Tendenz, wonach „sich dies wieder in Richtung Regierung entwickeln kann“.

Der SPD-Abgeordnete erläuterte, oft bekomme man erst aufgrund von „Nachbohren und Druck“ die nötigen Informationen von der Regierung, die sich zuweilen „restriktiv“ verhalte. Bei manchen Themen wie etwa dem derzeit diskutierten Europäischen Stabilitätsmechanismus habe man sich auch auf Informationen aus Österreich stützen müssen. Hagemann forderte, der Bundestag und dessen zuständige Ausschüsse müssten frühzeitig in EU-Angelegenheiten einbezogen werden. (kos)

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