+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

Europäische Union

„Ambitionen an den Realitäten ausrichten“

Michael Link (FDP)

Michael Link (FDP) (© DBT/Urban)

Seit Juli führt Polen den Ratsvorsitz in der EU. Innerhalb des Deutschen Bundestages verantwortet der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union die parlamentarische Mitwirkung und Kontrolle der Europapolitik. Aus Anlass des Vorsitzwechsels spricht der stellvertretende Ausschussvorsitzende Michael Link (FDP) über die Euro-Krise und darüber, ob ihr etwas Gutes für die Zukunft abgewonnen werden kann. Das Interview im Wortlaut:


Turnusgemäß übernimmt Polen am 1. Juli den Ratsvorsitz im Ministerrat - mitten in der Euro-Krise. Welche sind die dringendsten Aufgaben, die Polen in den nächsten sechs Monaten lösen muss?

Polen wird die Bemühungen um die Stabilisierung der überschuldeten Staaten der Eurozone auf EU-Ebene weiter vorantreiben müssen. Zum Gesamtpaket gehören nicht nur der Vertrag zum Europäischen Stabilisierungsmechanismus, sondern vor allem auch, dass in Zukunft eine geordnete Restrukturierung von Staatsschulden vorgenommen werden kann. Die sogenannte „Collective Action Clauses“ müssen so bald wie möglich erarbeitet und zwischen allen EU Staaten vereinbart werden. Auch muss der Stabilitätspakt wirksam geschärft werden. Hier versprechen wir uns von der Ratspräsidentschaft ein Zugehen auf die Forderungen des Europäischen Parlaments nach weitgehend automatischen Sanktionen.

Und über die Euro-Krise hinaus?

Unter polnischer Ratspräsidentschaft laufen die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU an, die aber erst Ende 2013 abgeschlossen werden können. Der Beitrittsvertrag mit Kroatien wird unterzeichnet werden. Ferner geht es darum, auch die Beitrittsverhandlungen mit Island und der Türkei voranzubringen und die Staaten des Westbalkans darin zu unterstützen, dass diese Fortschritte im Vorbeitrittsprozess machen. Nach Einführung von Grenzkontrollen durch Dänemark müssen die Ratspräsidentschaft und die Kommission verstärkt darauf achten, dass der Schengen-Acquis nicht von einzelnen Staaten wieder zurückgedreht wird.

Das 20-jährige Jubiläum des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages wurde mit gemeinsamen Regierungskonsultationen der Länder gefeiert. Inwiefern stimmen sich die EU-Ausschüsse beider Länder ab?

Die Ausschüsse tauschen sich im Rahmen der COSAC, des Zusammenschlusses der Europaausschüsse in den Parlamenten der EU, aus. Zweimal jährlich treffen sich die Ausschussvorsitzenden, zweimal jährlich Delegationen der Ausschüsse. Im Rahmen des „Weimarer Dreiecks“ treffen wir uns auch regelmäßig mit den Kollegen aus Frankreich und Polen. Der eng getaktete Sitzungsrhythmus jedes Parlaments erlaubt aber keine fortlaufende Abstimmung zwischen den Parlamenten.

Mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags sollten die nationalen Parlamente in der EU-Politik gegenüber ihren Regierungen gestärkt werden. Unterscheidet sich die Zusammenarbeit des Parlaments mit der Regierung nach eineinhalb Jahren Lissabon-Vertrag in der Praxis?

Seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon und der Begleitgesetze hat sich sehr viel verändert: Der Bundestag hat deutlich mehr Mitwirkungsrechte und wir nutzen diese Rechte auch. Wir haben deutlich mehr Stellungnahmen in EU Angelegenheiten abgegeben, darunter auch nach Paragraf 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union mehrere qualifizierte Stellungnahmen, in denen die Bundesregierung gehalten ist, Einvernehmen mit dem Bundestag herzustellen. Zum Beispiel zu den Vertragsänderungen zur Erhöhung der Zahl der Mandate im EP, zur Änderung von Artikel 136 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der die Einrichtung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus erlauben soll und zu den Beitrittsverhandlungen mit Island. Wir lassen uns von der Bundesregierung viel intensiver unterrichten.

Setzt der Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union auch eigene Akzente?

Ja, wir nutzen die erweiterten Befugnisse auch, um eigene Schwerpunkte zu setzen. So hat sich der EU-Ausschuss auf Betreiben der FDP gemeinsam mit unserem Koalitionspartner seit Beginn der Euro-Krise intensiv mit der Krise und möglichen Lösungen befasst und die Verhandlungen auf EU-Ebene mit einer ganzen Reihe von Entschließungen konstruktiv und kritisch begleitet. Wir laden das Finanzministerium in jede Sitzung des Ausschusses ein, um uns über den Stand zu unterrichten.

Im Angesicht der Euro-Krise wurde oft auf schnelle Entscheidungen seitens der Regierungen gedrungen. Bleibt da den Parlamentariern noch genug Zeit zu überlegen und gegebenenfalls einzugreifen?

Zu Anfang der Krise musste der Bundestag Entscheidungen unter Zeitdruck treffen. Es ging darum, rasch Maßnahmen zu ergreifen, die eine Eskalation der Krise verhindern sollten. Nun befinden sich die fraglichen Krisenländer unter genauer Beobachtung der Kommission, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank. Daher hat man ein viel genaueres Bild der Lage, und Finanzierungslücken können dadurch nicht mehr erst im letzten Moment und quasi über Nacht auftauchen. Um die Haushaltssouveränität des Bundestages und damit das Demokratiegebot unserer Verfassung zu wahren, werden wir großen Wert auf einen umfassenden und strikten Parlamentsvorbehalt im Euro-Rettungsschirm legen. Ich sehe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerade zur Frage der Parlamentsbeteiligung mit großem Interesse entgegen.

Durch die Schuldenkrise ist die EU immer wieder beherrschendes Thema in der Öffentlichkeit - oft aber negativ besetzt. Können Sie der Krise dennoch etwas Gutes für die Zukunft der EU abgewinnen?

Die Krise zeigt, an welchen Stellen die Integration lückenhaft war. Eine Währungsunion kann nur unter solchen Staaten langfristig funktionieren, die bereit sind, ihre Wirtschaftspolitiken konvergent zu gestalten, und die weitgehend ähnliche Vorstellungen von der Wichtigkeit einer hohen Wettbewerbsfähigkeit, einer niedrigen Staatsquote, einer niedrigen Staatsverschuldung und ähnlichen Fragen haben. Verletzungen der Stabilitätsregeln müssen auch tatsächlich geahndet werden. Die Krise sollte alle Verantwortlichen zum Nachdenken anregen, in Zukunft politische Ambitionen mehr an den wirtschaftlichen Realitäten auszurichten. Dann kann die europäische Integration auch wieder eine solidere Zukunft haben.

(eis)

Marginalspalte