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Auswärtiges

„Deutsche Enthaltung war falsch“

Joachim Hörster (CDU/CSU)

Joachim Hörster (CDU/CSU) (Hörster/ M. Vollmer)

Aus Sicht Joachim Hörsters war die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über die Libyen-Resolution eine Fehlentscheidung. Nach dem Sturz Gaddafis sei die Demokratie in Libyen „nicht von vornherein ein Selbstläufer“, mahnt der CDU-Bundestagsabge- ordnete aus dem Wahlkreis Montabaur (Rheinland-Pfalz) im Interview. Bei deutschen Hilfsprogrammen für Nordafrika dürfe es „keine Bevormundung“ der Reformkräfte geben, betont der Vorsitzende der deutsch-arabischen Parlamentariergruppe. Das Interview im Wortlaut:


Wie es scheint, wurde Gaddafi endgültig von der Macht vertrieben. War es ein Fehler, dass sich Deutschland im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution enthalten hat? Oder ist es gut, dass sich die Bundeswehr bislang aus dem Krieg in Libyen heraushält?

Bei der Entscheidung in der UNO stand ein Bundeswehreinsatz in Libyen nicht zur Debatte. Es ging vielmehr darum, anderen Staaten ein Eingreifen in dem Land zugunsten der Zivilbevölkerung zu ermöglichen. Insofern war die deutsche Enthaltung falsch.

Bei Gaddafis Entmachtung spielten die Nato-Luftangriffe eine entscheidende Rolle. Das ist doch aber durch die UN-Resolution nicht gedeckt. War die Formulierung vom Schutz der Zivilbevölkerung nur ein Vorwand für das Ziel, in Tripolis einen Umsturz militärisch zu erzwingen?

Das ist eine heikle Frage, über die Interpretation des UN-Beschlusses wird heftig gestritten. Ich denke, es war von vornherein klar, dass die Durchsetzung eines Flugverbots in Libyen nicht ausreicht, um Gaddafis Regime nachhaltig zu schwächen. Wenn allerdings der Schutz der Zivilbevölkerung nicht das Hauptargument der UN-Resolution gewesen wäre, hätte man möglicherweise im Sicherheitsrat ein Veto von Ländern wie Russland und China riskiert, und dann wäre aus dem Einsatz in Libyen nichts geworden.

Kann man davon ausgehen, dass Libyen nach Gaddafi tatsächlich eine Demokratie wird?

Mit Gewissheit lässt sich das nicht voraussagen. Bislang hatten die vielen unterschiedlichen Oppositionsgruppierungen das gemeinsame Anliegen, Gaddafi zu stürzen. Man muss nun abwarten, auf welche weitergehenden Ziele sich diese Organisationen im nationalen Übergangsrat verständigen - und ob es eine solche Einigung überhaupt gibt. Die Demokratie ist nicht von vornherein ein Selbstläufer.

Könnten in Tripolis Islamisten die Macht ergreifen?

Völlig von der Hand zu weisen ist diese Gefahr nicht. Es ist nicht auszuschließen, dass sich islamistische Gruppen im Untergrund gut organisiert haben und nun ihre Chance wittern.

Wie wird die politische Landschaft Nordafrikas in Zukunft aussehen? Da bietet sich doch ein sehr differenziertes Bild dar.

In der Tat zeichnet sich in dieser Weltgegend keine einheitliche Entwicklung ab. Man muss sich Land für Land im einzelnen anschauen. In Marokko entwickeln sich aus dem alten System heraus zaghafte Reformen. In Algerien sind Präsident und Parlament durch relativ freie Urnengänge legitimiert, wobei indes die Militärs im Hintergrund viel Einfluss ausüben. In Tunesien werden bereits demokratische Wahlen vorbereitet, allerdings müssen sich die rund 40 Parteien politisch in überschaubare Spektren sortieren, mit einer solch großen Zahl von Gruppierungen lässt sich keine Politik machen. Libyen befindet sich noch in der Umsturzphase. In Ägypten wiederum macht sich bei den Demonstranten des Tahrir-Platzes, denen die Revolution zu verdanken ist und die nun erleben, dass es unter den regierenden Militärs mit den Reformen nur sehr zögerlich vorangeht, Enttäuschung breit.

Wie soll sich Berlin im künftigen Nordafrika engagieren? Mit Wirtschaftshilfe, mit Geld für demokratische Aufbauprogramme, in Libyen vielleicht mit Soldaten zur Stabilisierung der Lage?

Es darf keine Bevormundung unsererseits geben. Erst einmal müssen die Reformkräfte in diesen Ländern kundtun, welche Hilfe sie von uns haben wollen. Dann können wir schnell Unterstützung leisten, wir sind mit Stiftungen und Hilfsorganisationen sehr gut aufgestellt. Es verbietet sich auch eine deutsche Scheckbuchpolitik in dieser Region. Libyen etwa ist wegen seiner Ölvorkommen ein reiches Land, auch wenn jetzt sicher Hilfe zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung nötig ist. In den Umbruch- und Reformländern geht es jetzt vorrangig darum, Strukturen eines demokratischen Gemeinwesens herauszubilden. Die Notwendigkeit eines Bundeswehreinsatzes sehe ich überhaupt nicht.

Sollte sich auch der Bundestag für Demokratie und Rechtsstaat in Nordafrika engagieren?

Wenn um Unterstützung nachgefragt wird, dann verweigert sich der Bundestag nicht. So haben wir schon mit tunesischen Reformpolitikern Kontakt aufgenommen. Im November findet ein Treffen aller Parlamentariergruppen, die sich mit den arabischen Ländern befassen, mit den Botschaftern der arabischen Staaten statt, um die dortigen Entwicklungen zu erörtern. Die deutschen Abgeordneten sind optimistisch, dass diese Länder durch Diplomaten vertreten sein werden, die der Notwendigkeit von demokratischen Reformen aufgeschlossen gegenüberstehen.

(kos)

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