Der schwierige Weg zum Miteinander
„Niemals, sagt er, hätte man über so viel Leid, nur weil die eigene Schuld übermächtig und bekennende Reue in all den Jahren vordringlich gewesen sei, schweigen, das gemiedene Thema den Rechtsgestrickten überlassen dürfen. Dieses Versäumnis sei bodenlos.“ Mit diesem Zitat von Günter Grass aus seinem Roman „Im Krebsgang“ eröffnete Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert am Dienstag, 25. Oktober 2011, die Ausstellung „Angekommen“.Im Mittelpunkt der Ausstellung der Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“, die von Mittwoch, 26. Oktober, bis Freitag, 18. November, in der Halle des Berliner Paul-Löbe-Haus zu sehen ist, steht das Schicksal der zwölf bis fünfzehn Millionen Deutschen, die bis weit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges von Flucht und Vertreibung betroffen waren.
„Weder vergessen noch verschweigen oder verdrängen“
Das Schicksal dieser Menschen gehöre zu den Tragödien des 20. Jahrhunderts, die man weder vergessen noch verschweigen und schon gar nicht verdrängen dürfe, betonte Lammert. Gleichzeitig dürfe aber auch nicht vergessen werde, dass diese Tragödie nicht wie ein unabwendbares Naturereignis über die Menschen gekommen sei. Sie habe benennbare Ursachen.
Zur Aufarbeitung und zur Vermittlung der eigenen Geschichte gehöre es aber auch, die Ereignisse, die nach und in Folge des zweiten Weltkrieges stattgefunden haben und die nicht nur das Schicksal von Millionen Menschen bestimmt und geprägt haben, sondern auch eine „wesentliche Rahmenbedingung gewesen sind für den Aufbau unseres Landes“, zu dokumentieren.
Der Weg der Neuankömmlinge
Diese Ausstellung verfolge genau das Ziel, an ein Ereignis, an Menschen, an Entwicklungen, die für „die Geschichte unseres Landes, ja darüber hinaus für die Geschichte Europas im vergangenen Jahrhundert eine überragende Rolle gespielt haben“, zu erinnern.
In drei Abschnitten von der Ankunft über die ersten Jahre durch die Wirtschaftswunderzeit bis hin zur Gegenwart beschreibt die Ausstellung den Weg der „Neuankömmlinge“. Plakate, Fotografien und Zeitzeugenberichte erzählen vom Leid der Betroffenen, von Spannungen mit Alteingesessenen, von Mangelernährung, von sozialer und wirtschaftlicher Ausgrenzung, von schwierigen Rahmenbedingungen für den Neubeginn, aber auch von Alltagsfreuden, Erfolgen und Anstrengungen von Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe. So dokumentiert die Ausstellung den schwierigen Weg zum Miteinander.
„Nach schwierigen Anfangszeiten zueinander gefunden“
Dass dies keine lineare Erfolgsgeschichte gewesen sei, sondern für viele eine zusätzliche Leidenserfahrung, eine bittere Erfahrung, das dürfe nicht vergessen werden, betonte die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen und Vorsitzende der Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ in ihrem Grußwort.
Die Bedeutung dieses größten Bevölkerungsumbruchs in der deutschen und europäischen Geschichte und was Vertreibung und die Aufnahme der Vertriebenen für dieses Land bedeuteten, seien vielen nicht bewusst, sagte Steinbach. Unter den Bedingungen des zwangsweisen Miteinanders, unter Härten und Spannungen und teils totaler Ablehnungen, nach schwierigen Anfangszeiten, hätten „wir zueinander gefunden“, unterstrich sie diesen Anspruch.
„Ein neues Miteinander, eine neue Identität“
Flucht und Vertreibung hätten dieses Land „nachhaltiger geprägt als uns bewusst“ sei, betonte Steinbach. Aus den vielschichtigen Kulturen der Alt- und Neubürger sei ein neues Miteinander, eine neue Identität entstanden. Vertriebene hätten das Land in politischer, sozialer und konfessioneller Art entscheidend geprägt.
Auch deshalb sei diese Ausstellung so wichtig und das Paul-Löbe-Haus genau der richtige Ort für diese Ausstellungseröffnung, da es doch nach einem ebenfalls Vertriebenen benannt sei, der zudem entscheidend das Grundgesetz mitgestaltet habe.
„Angekommen. Die Integration der Vertriebenen in Deutschland“ ist bereits die dritte Wanderausstellung der Stiftung. Alle drei Ausstellungen „Erzwungene Wege. Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts“, „Die Gerufenen. Deutsches Leben in Mittel- und Osteuropa“ und die aktuelle Ausstellung werden als Trilogie ab März 2012 für drei Monate im Berliner Kronprinzenpalais gezeigt.
Anmeldung erforderlich
Die Ausstellung kann nur nach vorheriger Anmeldung besichtigt werden (Telefon: 030/227-38883, E-Mail: info-ausstellungen-plh@bundestag.de).
Besichtigungen sind von Montag bis Donnerstag um 11 Uhr und um 14 Uhr sowie freitags um 11 Uhr möglich (Westeingang des Paul-Löbe-Hauses gegenüber dem Bundeskanzleramt). (klz)