Der 9. November - ein deutscher Gedenktag
Mit dem 9. November verbindet sich in Deutschland nicht nur das Gedenken an die Reichspogromnacht vor 73 Jahren, sondern auch an die Ausrufung der ersten deutschen Republik vor 93 Jahren und vor allem an das Jahr 1989, als an diesem Tag die Mauer in Berlin fiel.
9. November 1918: Als am 30. Oktober 1918 der Befehl der deutschen Seekriegsleitung bekannt wurde, trotz der schon besiegelten militärischen Niederlage des Deutschen Reiches erneut gegen die englische Flotte auszulaufen, weigerten sich die Matrosen der Hochseeflotte, an diesem militärisch fragwürdigen Unternehmen teilzunehmen. Die Meuterei der Marinesoldaten in Kiel und Wilhelmshaven markierte den Beginn einer Aufstandsbewegung, der sich rasch weitere Soldaten und Fabrikarbeiter anschlossen.
Am 9. November 1918 erreichte die revolutionäre Welle Berlin. Angesichts riesiger Demonstrationszüge verkündete Reichskanzler Prinz Max von Baden eigenmächtig die Abdankung des Kaisers, weil er hoffte, damit den politischen Umsturz noch aufhalten zu können. Max von Baden übertrug dem MSPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert das Amt des Reichskanzlers, der durch eine Regierungsumbildung verhindern wollte, dass die revolutionäre Bewegung sich weiter radikalisierte.
Noch am selben Tag rief Philipp Scheidemann (MSPD) von einem Fenster des Reichstagsgebäudes die „deutsche Republik“ aus. Wenige Stunden später proklamierte Karl Liebknecht (USPD/Spartakusbund) von einem Balkon des Berliner Stadtschlosses die „freie sozialistische Republik“.
Arbeiter- und Soldatenräte
Ebenfalls am 9. November 1918 beschloss eine Berliner Soldatenversammlung, in den Berliner Betrieben und Garnisonen Arbeiter- und Soldatenräte zu wählen, die auf einer Vollversammlung am 10. November eine neue provisorische Regierung einsetzen sollten. Um den Machtambitionen der linksradikalen Kräfte zuvorzukommen, entschloss sich die Führung der MSPD, vorab gemeinsam mit der USPD eine Regierung zu bilden. Am 10. November unterzeichneten beide Parteien eine Vereinbarung über die Bildung einer paritätisch zusammengesetzten Regierung, des „Rates der Volksbeauftragten“, die noch am selben Tag von der Versammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte als provisorische Reichsregierung bestätigt wurde. Der sechsköpfige Rat der Volksbeauftragten hatte mit Friedrich Ebert (MSPD) und Hugo Haase (USPD) zwei Vorsitzende.
Am 12. November verfügte der Rat der Volksbeauftragten unter anderem die Einführung des Wahlrechts für Frauen; am 30. November beschloss er Wahlen zur Verfassunggebenden Nationalversammlung für den 19. Januar 1919.
9. November 1938: Die Diskriminierung, Ausgrenzung und Ermordung der Juden waren von Anfang an Ziele des nationalsozialistischen Deutschlands. Von Beginn an wurden diese für jeden wahrnehmbar umgesetzt, so dass nicht zufällig bis Anfang 1938 bereits über 100.000 jüdische Deutsche ihr Heimatland verlassen hatten.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs am 12. März 1938 nahmen Umfang und Brutalität der Verfolgung zu. In München, Nürnberg und Dortmund wurden von Juni bis September 1938 die Synagogen gesprengt und abgebrochen - Ereignisse, die die Bevölkerung begeistert feierte.
Diese zunehmende Verfolgung der Juden kulminierte schließlich in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, als in ganz Deutschland die meisten der noch bestehenden 400 Synagogen verwüstet und in Brand gesteckt, Friedhöfe geschändet und jüdische Geschäfte und Wohnungen verwüstet wurden.
Verhaftet und verschleppt
Nach offiziellen Angaben kamen während des Pogroms rund 100 Menschen ums Leben, tatsächlich jedoch waren es wesentlich mehr, wenn man die zahlreichen Selbstmorde verzweifelter Menschen hinzuzählt. Rund 30.000 Juden, die nach ihrer Vermögenslage schon weit vorher „ausgesucht“ worden waren, wurden verhaftet, in Konzentrationslager verschleppt und erst entlassen, wenn sie Auswanderungspapiere vorlegen konnten.
Die Besitzer zerstörter Geschäfte mussten auf eigene Kosten „das Straßenbild wiederherstellen“. Ihre Versicherungssumme von insgesamt 225 Millionen Reichsmark wurde hierfür beschlagnahmt.
Außerdem wurde den Juden mit der Begründung, sie hätten den Ausbruch des „Volkszorns“ zu verantworten, eine Kollektivstrafe auferlegt, die sich schließlich auf 1,127 Milliarden Reichsmark belief. Mit dem Pogrom begann zugleich die Phase der völligen Rechtlosigkeit, wurden Juden durch Gesetze und Verordnungen vollends aus der deutschen Gesellschaft ausgeschlossen.
Nur nach Umfang und Perfektion also war der Pogrom vom 9.November 1938 ein Novum - die Verbrechen dieser Nacht reihen sich ein in die Kette der Verfolgungsmaßnahmen, die schließlich in der Ermordung der Juden in Deutschland und Europa endeten.
9. November 1989: In einer Pressekonferenz des Sekretärs des Zentralkomitees der SED für Informationswesen, Günter Schabowski, stellte der italienische Journalist Ricardo Ehrmann eine Frage zur neuen Reiseregelung der DDR. Daraufhin verlas Schabowski eine Erklärung, in der es unter anderem hieß: „Die zuständigen Abteilungen Pass- und Meldewesen der Volkspolizeikreisämter in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne dass dabei noch die Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen“. Und: „Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD beziehungsweise zu West-Berlin erfolgen“.
„Sofort, unverzüglich“
Auf die Frage, ab wann das gilt, sagte Schabowski: „Das tritt nach meiner Kenntnis... ist das sofort, unverzüglich.“ Da die Pressekonferenz live im DDR-Fernsehen übertragen wurde, zogen Tausende Berliner zu den Grenzübergangsstellen und verlangten deren Öffnung.
Der Forderung kamen zuerst die Offiziere der Passkontrolleinheit und die Grenztruppen der DDR am Grenzübergang Bornholmer Straße nach. Die Folge war eine Kettenreaktion an allen Grenzübergängen in und um Berlin.
Nach Mitternacht wurden Übergänge auch an der innerdeutschen Grenze zur Bundesrepublik geöffnet. Die Mauer war nach 28 Jahren gefallen. Damit ging die mehr als 40 Jahre dauernde Teilung Deutschlands und die Spaltung des Kontinents zu Ende. (vom)