Wie die Erkundungen im Gorlebener Salzstock abliefen
Erkundungsänderungen im Gorlebener Salzstock der neunziger Jahre hat der Gorleben-Untersuchungsausschuss unter Vorsitz von Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) am Donnerstag, 24. November 2011, ins Augenmerk genommen. Hierzu befragten die Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Bruno Thomauske, der seinerzeit als Fachbereichsleiter im Bundesamt für Strahlenschutz arbeitete. „Natürlich ist es möglich, abhängig von der Abfallmenge die Erkundung zu beschränken“, sagte der 62-Jährige. Das Bundesamt sei zur Auffassung gekommen, dass es keine Gründe gebe, die a priori dagegen stünden, dass die Nordostpassage für die Abfallmenge ausreichend sei.
„Erkundung nicht zwingend begründbar“
1997 hatte das Bundesamt vorgeschlagen, im Gorlebener Salzstock vorerst die Nordostpassage zu erkunden. „Ursprünglich sollte 1982 der gesamte Salzstock den Untersuchungsraum bilden“, sagte Thomauske. Allerdings fehlten für die Erkundung der Südwestpassage die nötigen Salzrechte. „Es war klar, dass eine Erkundung von Süd-West und Nord-Ost nicht zwingend begründbar war.“ Diese Beschränkung sei ab 1991 in die Diskussion aufgenommen worden.
Der Gorleben-Ausschuss geht der Frage nach, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung, sich bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll auf den Standort Gorleben zu beschränken, zu politischen Einflussnahmen und Manipulationen gekommen ist.
„Mit erheblichen Einschränkungen möglich“
Thomauske sagte, bei den Routenerkundungen sei es einzig um die Frage gegangen, ob eine sequenzielle Erkundung (nur Nordost) oder eine parallele (Nordost und Südwest) zweckmäßiger sei. „Eine sequenzielle Erkundung würde auch teurer werden als eine parallele.“ Im Grunde sei dies auch keine Beschränkung gewesen. „Bei der sequenziellen Untersuchung hieß die Frage: Ist die Passage geeignet oder nicht?“
Abgeordnete der Opposition hielten Thomauske ein von ihm verfasstes Schreiben vom 15. Mai 1991 vor, laut dem Thomauske damals auch eine Erkundung des Südwestteils für zwingend gehalten habe. Der Physiker erwiderte mit dem Zitat aus einem Schreiben vom 18. Juni 1991, wonach er damals geschrieben habe, dass eine Erkundung nur des Nordostflügels mit erheblichen Einschränkungen möglich sei.
„Es gab keine politische Beeinflussung“
Dem Entschluss zur eingeschränkten Routenerkundung habe auch die Erkenntnis zugrunde gelegen, dass sich die zu erwartende Menge von Atommüll verringerte. „Das Projekt war einer gewissen Entwicklung unterzogen. 1991 galt noch die Grundlage einer größeren Entsorgung von 2500 Gigawattjahren.“ Den Vorwurf, Ergebnisse aus der Nordoserkundung auf den gesamten Salzstock zu übertragen, wies Thomauske zurück: „Wir haben zu keinem Zeitpunkt unbegründet Ergebnisse aus Nordost auf Südwest übertragen.“
Niemand habe daran gedacht, in Nordost zu erkunden und im Südwesten zu lagern. Ferner bestritt Thomauske Druck aus der Politik auf die Forschung: „Es gab keine politische Beeinflussung. Das Bundesamt hat sich im Ergebnis zu diesem Vorschlag durchgerungen.“
„Ich habe das nicht entschieden“
Im zweiten Teil seiner Zeugenvernehmung berichtete Thomauske über die Entscheidungsprozesse im Bundesamt für Strahlenschutz. „Selbstverständlich gehören in einem Diskussionsprozess alle Argumente auf den Tisch“, sagte er. „Dazu gehört, dass die Mitarbeiter ihre Positionen zur Sprache bringen.“
Auf die Frage, warum Thomauske mit der Übernahme neuer Aufgaben nicht mehr mit dem früher dafür tätigen Referenten Gert Wosnik zusammenarbeitete, sagte Thomauske: „Das lag in der Hoheit der Amtsleitung. Ich habe das nicht entschieden.“ Er habe zu keinem Zeitpunkt darauf eingewirkt, dass Wosnik seine Position verliert.
„Wosnik war nicht zuständig“
Aus der Opposition wurde dem Zeugen ein Schreiben Wosniks vom 31. Januar 1997 vorgehalten. In ihm kritisierte der ehemalige Referent die von Thomauske zusammengefasste Entscheidung, sich vorerst bei der Erkundung des Gorlebener Salzstocks auf die Nordostpassage zu beschränken. In dem Schreiben heißt es von Wosnik, hätte man ihm Thomauskes Schreiben vorgelegt, hätte er es nicht gezeichnet.
„Es war nicht von Bedeutung, dass er gegenzeichnet“, erwiderte Thomauske vor dem Ausschuss. „Wosnik war zuständig für die Überwachung, ob Vorhaben bergrechtmäßig zulässig waren.“ Außerdem sei sein Schreiben mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe sowie der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe abgesprochen gewesen. Auf die Frage, ob man bei einer eventuellen Eignung der Nordostpassage auf eine weitere Erkundung des Südwestflügels verzichtet hätte, antwortete Thomauske: „Diese Frage ist nicht beantwortbar.“
„Konzept umfasste beide Flügel“
Als zweiter Zeuge sagte Gert Wosnik aus. Der ehemalige Bergbaufachmann des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) berichtete über die Erkundungen im Salzstock Gorleben. „Ursprünglich sollte eine untertägige Erkundung möglichst den gesamten Salzstock umfassen“, sagte Wosnik.
1997 hatte das BfS beschlossen, auf Grund fehlender Salzrechte vorerst nur die Nordostpassage des Salzstocks zu erkunden. „Dabei umfasste ein spekulatives, von mir konzipiertes Endlagerbergwerk in Gorleben beide Flügel – mit den Schächten in der Mitte“, sagte der 76-Jährige. „Modellrechnungen hatten ergeben, dass es günstig für die Schächte wäre, wenn die Wärmeentwicklung durch den Abfall von beiden Seiten kommt und sich so die Wirkung reduziert.“
„Beschränkung war eine Konzeptänderung“
„Die Beschränkung der Erkundung war eine Konzeptänderung“, kritisierte Wosnik. Zum 31. März 1997 hatte er sich auf eigenen Antrag hin in den frühzeitigen Ruhestand versetzen lassen. Den Antrag hatte er bereits ein Jahr zuvor gestellt. „Es ging ums ganze Betriebsklima beim BfS.“ Er habe sich durch verschiedene Verhaltensweisen beschwert gefühlt.
in Hauptgrund sei eine anstehende Organisationsänderung gewesen. Er hätte seine Verantwortung für den Betrieb der Projekte in Gorleben und anderer Anlagen behalten sollen, jedoch bei Abgabe von Kompetenzen. „Aber auch, weil bekannt gegeben worden war, dass auf die Erkundung des ganzen Salzstocks verzichtet werden soll. Das war im Gespräch mit Kollegen so gekommen.“
„Das fand ich fachlich nicht vertretbar“
Wenige Wochen vor seinem Ausscheiden hatte Wosnik am 31. Januar 1997 auf Betreiben seines Vorgesetzten Helmut Röthemeyer in einem Schreiben ein Schreiben von Fachbereichsleiter Bruno Thomauske kritisiert. Der hatte sich darin für die Beschränkung der Erkundung ausgesprochen.
„Das fand ich fachlich nicht vertretbar.“ Zu einer sequenziellen Erkundung, also erst im Nordostflügel des Salzstocks, sagte Wosnik: „Das müsste sorgfältig überprüft werden. Für die Abfallmenge wäre diese Passage ausreichend.“ (jr)