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Menschenrechte

Einblicke in einen globalisierten kriminellen Markt

Fünf Experten waren am Mittwoch, 30. November 2011, zu einer öffentlichen Anhörung in den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe geladen, um die Problematik rund um das Thema Menschenhandel aus ihrer Sicht darzustellen. Der Ausschussvorsitzende Tom Koenigs (Bündnis 90/Die Grünen) stellte eingangs anhand von Statistiken die Bedeutung des Themas heraus. Offiziellen Angaben zufolge kam es im Jahr 2010 in Deutschland zu insgesamt 1.498 Fällen von Menschenhandel, die gemeldet oder angezeigt worden waren. Vermutlich liegt die Dunkelziffer höher. Außerdem, so Koenigs, verschweige die Statistik, „dass die Opfer in Deutschland keine Hilfe erhalten; weder Aufenthaltsgenehmigung, noch Dolmetscher“. Deshalb stelle sich die Frage, folgerte Koenigs, wie sich in Deutschland der Menschenhandel verhindern und sich die Lage der Opfer verbessern lasse.

„Opfer sexueller Ausbeutung“

Als erste Expertin sprach Özlem Dünder-Özdogan, Koordinatorin von der Zentralen Koordinierungs- und Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel – KOBRA Phoenix e.V. Sie stellte heraus, dass weiblichen Opfern zumeist sexuelle Ausbeutung widerfährt. Oftmals würden sie sich mit HIV infizieren, weil sie zum ungeschützten Geschlechtsverkehr gezwungen werden. Die Opfer seien deshalb physisch und psychisch krank, führte Dünder-Özdogan aus.

Deshalb forderte die Sachverständige, für die Zeit nach Abschluss des Strafverfahrens eine Aufenthaltsperspektive aufgrund der erlittenen Straftat zu schaffen. Den Betroffenen werde von den Tätern in der Regel ihr Pass bei der Einreise abgenommen. „Anträge bei dem Sozialamt wegen der Kosten der Passbeschaffung und Fahrtkosten werden nicht erstattet“, sagte Dünder-Özdogan.

„Aufenthaltsrecht grundlegend erweitern“

Für das Deutsche Institut für Menschenrechte sprach Dr. Petra Follmar-Otto, Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland/Europa. Sie befürwortete, dass die Opfer das Recht erhalten, nach einem Prozess in Deutschland bleiben zu dürfen. Dazu führte die Sachverständige aus, dass, wenn es zu einem Prozess und gegebenenfalls einer Verurteilung der Täter in Deutschland komme, oft Mittelsmänner in der Heimat die Opferfamilien oder aber die Opfer selbst nach ihrer Rückkehr bedrohten und angriffen.

Deshalb forderte sie eine „grundlegende Erweiterung des Aufenthaltsrechts“. Als positives Beispiel nannte sie die Situation in Italien. Dort habe die Ausweitung des Aufenthaltsrechts zu mehr Anklagen und Verurteilungen geführt.

„Betroffene vor Strafverfolgung schützen“

Die UNICEF-Expertin für Interessensvertretung und Politik, Jyothi Kanics, äußerte sich zu der allgemeinen internationalen Situation von Menschenhandelsopfern. Dabei hob sie die Lage von Kindern und Jugendlichen hervor, die oftmals als Drogenschmuggler eingesetzt würden.

Man müsse, sagte Kanics, die Betroffenen vor Strafverfolgung schützen. Vor allem minderjährige Opfer sollten geschützt und als Kinder behandelt werden.

„Opfer oft nur sehr problematisch festzustellen“

Die frühere österreichische Bundesministerin Dr. Helga Konrad war Sonderbeauftragte der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OSZE) für die Bekämpfung des Menschenhandels und Vorsitzende der Task Force gegen den Menschenhandel im Stabilitätspakt für Südosteuropa. Sie betonte, dass Menschenhandel seit Jahrzehnten bekannt sei, auch in Europa, und dass er stetig zugenommen habe: „In den letzten Jahren hat dieses kriminelle Geschäft durch die Globalisierung eine neue Dimension erhalten. Heute gehört der Menschenhandel zu den am stärksten globalisierten kriminellen Märkten unserer Zeit.“

Aufgrund der ebenfalls durch die Globalisierung geförderten weltweiten Migration sei es für Polizei und Einwanderungsbehörden oft sehr problematisch festzustellen, wer Opfer von Menschenhandel sei, sagte sie.

Gesetzesunterschiede zwischen den Bundesländern

Dr. Robert Oberloher von der Hochschule der Polizei Hamburg ist Politologe und Kriminologe. Er führte Gesetzesunterschiede zwischen den Bundesländern an und sprach sich für eine einheitliche bundesweite Kooperation staatlicher und nichtstaatlicher Stellen aus.

Naile Tanis, Geschäftsführerin des KOK (Bundesweiter Koordinationskreis gegen Frauenhandel und Gewal an Frauen im Migrationsprozess), sprach als letzte Rednerin in der öffentlichen Anhörung. Sie stellte in Ergänzung zu ihren Vorrednern heraus, dass es zwar einen positiven Trend bei der Bekämpfung des Menschenhandels gebe, aber das Ausmaß transnationaler organisierter Kriminalität zu beobachten sei. Deshalb sei die internationale Zusammenarbeit sowie eine bundesweit einheitliche Gesetzgebung gefragt. (ver)

Liste der geladenen Sachverständigen

Özlem Dünder-Özdogan, Zentrale Koordinierungs- und Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel – KOBRA Phoenix e.V.
Dr. Petra Follmar-Otto, Deutsches Institut für Menschenrechte, Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland/Europa
Jyothi Kanics, Advocacy & Policy Specialist, United Nations Children's Fund (UNICEF)
Dr. Helga Konrad, österreichische Bundesministerin a. D., ehemalige Sonderbeauftragte der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OSZE) für die Bekämpfung des Menschenhandels und ehemalige Vorsitzende der Task Force gegen den Menschenhandel im Stabilitätspakt für Südosteuropa
Dr. Robert Oberloher, Hochschule der Polizei Hamburg, Politologie und Kriminologie
Naile Tanis, Geschäftsführerin des Bundesweiten Koordinierungskreises gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess (KOK)

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