+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

Parlament

„Ägypten hat noch einen langen Weg vor sich“

Klaus Brandner (SPD)

(DBT/photothek)

Kurz vor den ersehnten Wahlen ist die Revolution zurück auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Seit Anfang des Jahres sind die Blicke der Welt auf den Verkehrsknotenpunkt der ägyptischen Hauptstadt gerichtet, von wo aus meist junge Revolutionäre Staatschef Husni Mubarak aus dem Amt jagten und wo sich nun ihre Wut auf die Übergangsregierung und das Militär entlädt. Einige Abgeordnete des Bundestages behalten die Lage im Land am Nil besonders genau im Auge: die Mitglieder der Deutsch-Ägyptischen Parlamentariergruppe. Aktuell zählt die Gruppe 13 Mitglieder aus allen Fraktionen. Das Interesse an ihr sei aber in den zurückliegenden Monaten „stark gestiegen“, erzählt Klaus Brandner (SPD), seit 2009 deren Vorsitzender.

Erste Parlamentariergruppe schon 1976

Doch seit der Revolution – und insbesondere seit Mubaraks Sturz – hat sich noch mehr für die Parlamentariergruppe verändert. „Früher war es vor allem schwierig, Kontakte zu Oppositionspolitikern herzustellen“, erinnert sich Brandner. Das sei nun anders.

Dabei sei Ägypten schon immer ein Land gewesen, das sich stark dem Westen geöffnet habe, so Brandner weiter. Das war auch der Anstoß, warum bereits 1976, mitten im Kalten Krieg, die erste Deutsch-Ägyptische Parlamentariergruppe gegründet wurde.

Keine Einbahnstraße

Bei ihren Sitzungen tauschen sich die Mitglieder der Parlamentariergruppe immer wieder mit Experten aus den unterschiedlichsten Ministerien und politischen Stiftungen aus. Zudem stehen regelmäßige Treffen mit dem ägyptischen Botschafter auf dem Programm, und einmal pro Legislaturperiode wird eine Parlamentariergruppe aus Ägypten in Berlin empfangen.

Immer wieder reisen die deutschen Abgeordneten auch in das nordafrikanische Land, wo nicht nur Beziehungen auf politischer Ebene gepflegt werden: „Unsere Kontakte sind sehr vielfältig“, sagt Brandner. Schließlich wolle man einen umfassenden Eindruck von Ägypten gewinnen. So treffe man sich nicht nur mit Politikern und Regierungsvertretern, sondern besuche auch Universitäten, Stiftungen oder wirtschaftliche Projekte.

Die Kontakte sind jedoch keine Einbahnstraße: Seit Beginn der Revolution erreichten nicht wenige Anfragen aus Ägypten die Parlamentariergruppe, mit Bitten um Informationen, Einschätzungen der aktuellen Lage, demokratisches Know-how. Brandner und seine Kollegen sehen ihre Aufgabe darin, diesen Anfragen nachzukommen.

„Weiteres Konfliktpotenzial“

Schon im Frühjahr war Brandner selbst in Ägypten und hat neben Politikern auch die Menschen getroffen, die den Takt der Revolution vorgaben: die Blogger. Bei seinen vielen Gesprächen sei ihm klar geworden, dass die meisten Ägypter ein starkes Parlament wollen. Wie stark das allerdings tatsächlich wird, das ist die große Frage, die nach wie vor ungeklärt ist – ein Umstand, der auch in der Parlamentariergruppe besorgt registriert wurde: Dass erst nach den Unterhauswahlen ausgelotet werde, welche Rechte das Gremium bekommt, „birgt weiteres Konfliktpotenzial“, glaubt Brandner.

Auch dass die Wahl an drei Tagen – der erste Termin ist am Montag, 28. November 2011, der letzte erst am 10. Januar 2012 – abgehalten wird, da man nicht genügend Kräfte hat, um einen geordneten Wahlablauf sicherzustellen, sieht Brandner kritisch: „Positiv ist, dass man sichergehen will, dass alles seine Ordnung hat“, sagt er. Allerdings dürften die Zwischenergebnisse kaum geheim bleiben. „Deswegen besteht eine hohe Manipulationsgefahr“, so seine Befürchtung.

Weniger besorgt zeigt er sich in Sachen Muslimbruderschaft und Militär. Die ägyptische Revolution sei eine demokratische, keine religiöse gewesen. Im Übrigen werde der Wahlgewinner wohl auf einen oder mehrere Koalitionspartner angewiesen sein. Danach müsse man gemeinsam für eine Verfassung sorgen, die den Schutz von Minderheiten, wie den Kopten, garantiert und ein zu mächtiges Militär verhindert.

„Nicht zu stark einmischen“

Obwohl Letzteres – so scheint es – unter anderem Ansprüche in Fragen der Gerichtsbarkeit erhebe oder Sonderrechte im Verfassungsgebungsprozess einfordere, beansprucht es laut Brandner ohnehin keine politische Macht. Vielmehr gehe es ihm um ökonomischen Einfluss: „20 Prozent der ägyptischen Wirtschaftsleistung wird von Unternehmen in Militärbesitz erwirtschaftet“, betont Brandner. Daher habe es ein großes Interesse, dass die Wirtschaft funktioniert.

Den Demokratisierungsprozess Ägyptens wird die Parlamentariergruppe auch in Zukunft intensiv verfolgen. Nach den Wahlen warten auf die neue Regierung zahlreiche Herkulesaufgaben. Denn was nützt Demokratie, wenn sie nicht dazu beiträgt, dass es den Ägyptern besser geht? „Es ist noch ein langer Weg zu besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen“, sagt Brandner. „Da sind wir und auch unsere Wirtschaft gefragt.“

Vor einem zu starken Einmischen warnt Brandner allerdings: „Ägypten ist ein Land mit einer Tausende von Jahren alten Kultur“, betont er. Nun zu sagen: „Ihr müsst Demokratie so machen wie wir“, sei der falsche Weg. (bst)

Marginalspalte