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Entwicklung

Opposition greift Minister Niebel scharf an

Sascha Raabe, SPD

(© DBT/photothek.net)

Fast auf den Tag genau seit 60 Jahren gibt es die Fragestunde im Deutschen Bundestag. Dass sie gerade in den Händen der Opposition ein scharfes Instrument zur Kontrolle der Regierung sein kann, zeigte die von der SPD beantragte Aktuelle Stunde zu Stellenbesetzungen im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) am Mittwoch, 25. Januar 2012.  Weil die SPD-Fraktion ihre Fragen zu diesem Thema in der Fragestunde nicht hinreichend durch die Parlamentarische Staatsekretärin Gudrun Kopp (FDP) beantwortet sah, verlangte sie die anschließende einstündige Aussprache.

„Besetzung nach Parteibuch“

Die Vorwürfe der Opposition an den seit mehreren Wochen in den Schlagzeilen stehenden Ressortchef hatten es in sich: Minister Dirk Niebel (FDP) betreibe in seinem Hause „Vetternwirtschaft“  und „Ämterpatronage“, Positionen auf Leitungsebene würden nach FDP-Parteibuch und nicht nach Qualifikation besetzt – so das Urteil der Opposition.

Die Koalitionsfraktionen erinnerten im Gegenzug daran, dass auch unter der Vorgängerin des Ministers,Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), wichtige Positionen nach dem Kriterium „politischer Nähe“ besetzt worden seien.

Aufwuchs von rund 180 Stellen

Hintergrund der Diskussion ist der vom Bundestag mit dem Haushalt 2012 bewilligte Aufwuchs von rund 180 Stellen im BMZ, von denen nach Presseberichten einige Leitungsfunktionen mit Bewerbern mit FDP-Hintergrund besetzt worden sein sollen. Außerdem plant Niebel den Berichten zufolge, die Zahl der Abteilungen im Hause von drei auf nunmehr fünf zu vergrößern.

Die Koalition argumentiert, mit diesem Aufwuchs die politische Steuerungsfähigkeit des Ministeriums gegenüber den Durchführungsorganisationen nach deren Zusammenführung zur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchzusetzen.

SPD: Minister für Vetternwirtschaft und Abwicklung

Dr. Sascha Raabe (SPD) sprach als erster Redner der Debatte sprach von einem „Minister für Vetternwirtschaft und Abwicklung“, sein Ministerium drohe zu einem „Versorgungswerk für FDP-Funktionäre“ zu verkommen. Niebel schade dem Vertrauen in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit, wenn er in Partnerländern stets – und zu Recht – gute Regierungsführung einfordere, diesem Kriterium aber im eigenen Hause offenbar selbst nicht gerecht werde.

Konkret beanstandete Raabe die Berufung einer früheren FDP-Oberbürgermeisterin in eine leitende Position des Ministeriums. Bei dieser Personalie bestehe der „Anfangsverdacht“, das Ministerium habe Beratungsleistungen für das Bewerbungsverfahren in Höhe von rund 60.000 Euro nur in Anspruch genommen, um den „Anschein eines gesetzeskonformen Verfahrens“ zu wahren. Sollte sich dies bewahrheiten, bliebe Niebel nur „die einzig richtige Personalentscheidung“: der eigene Rücktritt.

Linke fürchtet um Kompetenz des Ministeriums 

Auch Heike Hänsel (Die Linke) sprach vom „handfesten Verdacht“, dass bei der Stellenvergabe im BMZ die Parteizugehörigkeit das „entscheidendes Kriterium“ sei. Niebel trage mit seiner Personalpolitik zum Vertrauensverlust der Politik bei. Hänsel verwies unter anderem auf die Personalie einer ehemaligen Mitarbeiterin des Beratungsunternehmens McKinsey und auf die genannte ehemaligen Oberbürgermeisterin, deren fachliche Eignungen nicht einleuchten würden.

Solche Personalentscheidungen würden sich auch auf die Kompetenz des Ministeriums auswirken, argumentierte Hänsel: So hätte das BMZ Entwicklungsgelder für Nicaragua gestrichen – ausgerechnet mit dem Argument, es gebe dort Defizite im Bereich guter Regierungsführung.

Grüne: Unkluge Personalpolitik

Von einer „unklugen Personalpolitik“ sprach für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Abgeordneten Uta Koczy.

Es sei zwar nicht ungewöhnlich, das Spitzenposten in Ministerien auch nach politischer Nähe vergeben würden, allerdings noch nie in dem Umfang wie in Niebels Ressort in den vergangenen Jahren, sagte Koczy. Minister Niebel habe den „Ruf verspielt“, er trage Unruhe in sein Haus und demotiviere seine Mitarbeiter.

Minister: Scheinheilige Diskussion

Der viel Gescholtene nannte die Diskussion „scheinheilig“, weil hier viele Dinge „verkürzt“ würden und obendrein mit Mitarbeitern, die keine Personen öffentlichen Interesses seien, öffentlich ein „schändliches Spiel“ betrieben werde. Der Aufwuchs um 180 Stellen sei Konsequenz der „größten Strukturreform“ des Ministeriums, an der die Vorgängerregierungen „kläglich“ gescheitert seien, sagte Niebel.

Zudem würde der Bundeshaushalt unter dem Strich sogar um mehr als 300 Posten entlastet. Neue Stellen seien in einem transparenten Bewerbungsverfahren vergeben worden, und zu keinem Zeitpunkt habe er einer Bewerberin oder einem Bewerber vor Abschluss des Verfahrens eine Zusage signalisiert oder signalisieren lassen, betonte der Minister. Niebel bat zudem darum, die „Kirche im Dorf“ zu lassen: „Nur weil jemand liberal ist, ist er noch lange nicht geisteskrank und muss von öffentlichen Stellen ferngehalten werden.“

Union lobt „hervorragende Arbeit“ des Ministers

Sibylle Pfeiffer von der Unionsfraktion mahnte an, zur Sachlichkeit zurückzukehren. Die Opposition schieße mit „Kanonen auf Spatzen“, wenn sie die Entwicklungszusammenarbeit auf diese Personalfrage reduziere. „Dieses Glashaus kann auch zur Falle werden“, warnte die Abgeordnete.

Der Minister solle an seiner „hervorragenden Arbeit“ gemessen werden: Niebel gebe die richtigen Impulse für die Entwicklungszusammenarbeit. Seine Vorgängerin, der im Übrigen vergleichbare Vorwürfe in Personalfragen gemacht worden seien, sei an der „notwendigen Strukturreform“, gescheitert.

FDP: Hexenjagd der Opposition

Auch Helga Daub (FDP) betonte, dass durch die Neuorganisation unter dem Strich 300 Stellen für den Bundeshaushalt wegfallen würden. Bei den 180 neuen Posten in diesem Jahr gehe es darum, die „politische Steuerung“ ins Ministerium zurückzuholen.

Der Opposition warf Daub vor, ihr parlamentarisches Kontrollrecht für eine „Hexenjagd“ zu missbrauchen: Es sei unangemessen und beleidigend, „die Kompetenz von Menschen“ in Frage zu stellen, nur weil sie neben ihren Qualifikationen auch noch eine Parteizugehörigkeit haben. (ahe)