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Parlament

„Hinfahren ist für Abgeordnete die richtige Strategie“

Viola von Cramon (Bündnis 90/ Die Grünen)

(DBT/Schüring)

Sinkende Mehrwegquote bei Getränkeflaschen, steigende Netzentgelte, Schadstoffausstoß von Kreuzfahrtschiffen – nur drei von insgesamt 91 Themen, zu denen Abgeordnete des Bundestages Fragen für die Fragestunde (17/9517) am Mittwoch, 9. Mai 2012, eingereicht haben. Viola von Cramon-Taubadel, Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen für die Auswärtigen Beziehungen der Europäischen Union, will sich insbesondere nach der Haltung der Bundesregierung zu einem politischen Boykott der Fußball-Europameisterschaft, die unter anderem in der Ukraine stattfindet, erkundigen. Bereits in der vergangenen Woche hatte die Europäische Kommission angekündigt, den Spielen in der Ukraine aus Protest gegen die Politik des Präsidenten Wiktor Janukowitsch fernzubleiben. Dieser steht international in der Kritik insbesondere wegen des Umgangs mit der schwerkranken und inhaftierten früheren Premierministerin Julia Timoschenko. Weshalb sie der Bundeskanzlerin ebenfalls zum Boykott rät, Parlamentariern jedoch dringend eine Reise in die Ukraine empfiehlt, erklärt die Abgeordnete im Interview:

Frau von Cramon, es gab Gerüchte, dass auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) einen Boykott der Spiele in der Ukraine unterstützt. Ihr Sprecher hat das nun dementiert. Sie wollen diesbezüglich am Mittwoch nachhaken, wieso?

Erst im März hat die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Rahmen einer Kleinen Anfrage die Bundesregierung gefragt, wie sie die Menschenrechtslage in der Ukraine einschätzt – und welche Auswirkungen diese auf die Fußball-Europameisterschaft haben wird. Die Antwort, die wir bekamen, wich doch recht stark ab von den aktuellen Aussagen einiger Mitglieder der Bundesregierung. Uns interessiert, wie dieser plötzliche Sinneswandel zustande kam. Ist das, was die Regierung uns schriftlich als Antwort gegeben hat, noch aktuell? Oder wenn nicht: Was hat sie bewogen, ihre Einschätzung so kurzfristig zu ändern?

In der Antwort auf diese Anfrage Ihrer Fraktion hatte die Bundesregierung geschrieben, sie gehe davon aus, dass sich die Rolle der Ukraine als Mitgastgeber der EURO 2012 auch positiv auf die Menschenrechtslage im Land auswirken würde. War die Bundesregierung zu blauäugig im Umgang mit der ukrainischen Regierung?

Die Menschenrechtssituation in der Ukraine ist ja nicht erst in den letzten zwei Monaten politisch erodiert, sie hat sich seit dem Amtsantritt von Präsident Janukowitsch im Jahr 2010 kontinuierlich verschlechtert. Ich finde es deshalb schon beängstigend, dass wir es bislang nicht geschafft haben, die internationale Medienöffentlichkeit auf die Lage in der Ukraine zu lenken. Vielleicht ist es gut, dass es nun im Zusammenhang mit der Europameisterschaft dazu gekommen ist, dass sich verschiedene Staaten und Parlamente mit der Frage auseinandersetzen, was eigentlich in der Ukraine passiert.

Aber war es denn realistisch anzunehmen, dass ein Fußballturnier die Menschenrechtssituation verändern könnte?

Vielleicht war es naiv, aber alle haben angenommen, dass die Ukraine im Vorfeld eines solchen Sportgroßereignisses ein echtes Interesse an der Verbesserung der Beziehungen zur Europäischen Union und auch zu Deutschland haben würde. Wir haben gehofft, dass die leisen Andeutungen, dass inhaftierte ehemalige Regierungsmitglieder ein Problem für die EM darstellen könnten, von der ukrainischen Regierung verstanden würden. Aber die Appelle haben bislang offensichtlich nicht gefruchtet.

Wie wirksam ist denn ein symbolisches Fernbleiben der Regierungen, wenn es darum gehen soll, die Situation von Frau Timoschenko in der Haft zu verbessern? Wäre hier nicht doch Diplomatie hilfreicher als ein öffentlichkeitswirksamer Boykott?

Diplomatie ist das eine. Doch tatsächlich würde ich allen in die Ukraine reisenden Kollegen raten, vor allem Aktivisten, Journalisten und Oppositionspolitiker zu treffen, welche unter der schwierigen innenpolitischen Situation besonders leiden, ihnen den Rücken zu stärken und vor Ort auch öffentliche Statements abzugeben. Es ist wichtig, die Opposition  in der Ukraine, deren parlamentarischen Rechte stark beschnitten sind, zu unterstützen, damit sie gestärkt in die Parlamentswahlen im Oktober geht und eine Chance erhält, vielleicht sogar Mehrheiten zu erringen. Also: Hinfahren ist für Abgeordnete die richtige Strategie  – sofern sie dann auch vor Ort die richtigen Signale setzen.

Gilt das auch für die Bundesregierung? Was raten Sie Frau Merkel – soll sie in die Ukraine reisen oder nicht?

In ihrem Fall ist die in Aussicht gestellte Absage das richtige Signal. Frau Merkel darf sich auf keinen Fall von Janukowitschs Präsidialadministration instrumentalisieren lassen. Und auch andere Mitglieder der Bundesregierung tun sehr gut daran, wenn sie sich bei ihren Besuchen nicht mit ihm auf der Ehrentribüne ablichten lassen. (sas)

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