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Parlament

Beschlussunfähiger Bundestag bedeutet Sitzungsende

Plenum und Text auf Tafel: Die Sitzung ist aufgehoben

(© dpa)

Als amtierende Bundestagspräsidentin hat Petra Pau (Die Linke) am Freitag, 15. Juni 2012, die 185. Plenarsitzung des Bundestages in der laufenden Wahlperiode aufgehoben, weil sie die Beschlussfähigkeit des Bundestages nicht feststellen konnte. Abgestimmt werden sollte über eine Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (17/9989) zu einem gemeinsamen Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (17/8923), der darauf abzielte, das deutsche Presse-Grosso gesetzlich zu verankern. Die Abstimmung stand im Zusammenhang mit einer Debatte über Wettbewerbspolitik.

Der Sitzungsaufhebung vorausgegangen war eine reguläre Abstimmung durch Handzeichen, die nach Meinung des Präsidiums zu keinem eindeutigen Ergebnis führte. Auch die Wiederholung der Abstimmung brachte keine Klarheit. Im Ausschuss hatten CDU/CSU und FDP gegen, SPD und Grüne für den Antrag gestimmt, Die Linke hatte sich enthalten.

Abstimmung durch Hammelsprung

Die Bundestagspräsidentin rief daraufhin zum sogenannten „Hammelsprung“ auf, um Klarheit über die Mehrheitsverhältnisse zu erlangen. Dabei verlassen die Abgeordneten den Plenarsaal, um je nach Abstimmungsverhalten durch unterschiedliche Türen wieder einzutreten. Beim Eintritt in den Saal werden sie gezählt.

Das Ergebnis der Abstimmung erbrachte, dass 204 Abgeordnete der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses gefolgt waren, den Antrag abzulehnen, sieben Abgeordnete hingegen dem Antrag zustimmten. Damit war der Bundestag offenkundig nicht beschlussfähig. Denn in der Geschäftsordnung des Parlaments ist festgelegt, dass der Bundestag beschlussfähig ist, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist.

311 Abgeordnete müssen anwesend sein

Da der Bundestag zurzeit 620 Mitglieder zählt, hätten 311 Abgeordnete an dem „Hammelsprung“ teilnehmen müssen. Das war nicht der Fall. Die Bundestagspräsidentin musste also die Beschlussunfähigkeit feststellen und die Sitzung „sofort“ aufheben. So sieht es Paragraf 45 Absatz 3 der Geschäftsordnung vor.

Die Geschäftsordnung legt auch fest, dass der Präsident nach einer aufgehobenen Sitzung für denselben Tag eine weitere Sitzung mit derselben Tagesordnung einberufen kann (Paragraf 20 Absatz 5). Da ihr ein Antrag auf Wiederaufnahme oder Wiedereinberufung der Sitzung nicht vorliege, verkündete die Bundestagspräsidentin daraufhin das endgültige Ende der laufenden Sitzung und wies auf eine anschließende Sitzung des Ältestenrates hin.

Keine erste Lesung des Betreuungsgeld-Gesetzentwurfs

Die Sitzung am 15. Juni umfasste in der Planung sechs Tagesordnungspunkte. Erster Punkt war die Debatte über die Wettbewerbspolitik, an deren Ende unter anderem ein SPD-Antrag zu fairen Lebensmittelpreisen (17/4874, 17/5824) abgelehnt wurde. Die Beschlussunfähigkeit wurde im Zuge der Abstimmung über den Presse-Grosso-Antrag festgestellt.

Ursprünglich war geplant, im Anschluss 90 Minuten lang über die Energiewende und eine Stunde lang über das Betreuungsgeld zu debattieren. Für die erste Lesung des Gesetzentwurfs zum Betreuungsgeld war eine Stunde angesetzt. Entfallen sind damit auch eine 45-minütige Aussprache über Korruption im Gesundheitswesen sowie eine halbstündige Debatte in Erinnerung an die Rede von US-Präsident Ronald Reagan am 12. Juni 1987 vor dem Brandenburger Tor mit dem Aufruf an Michail Gorbatschow, diese Mauer einzureißen („Tear down this wall“). Angesetzt war darüber hinaus eine weitere halbstündige Aussprache über Arbeit für Menschen mit Behinderung.

Vier Fälle in den letzten zwanzig Jahren

Dass der Bundestag seine Beschlussfähigkeit überprüfen lässt, kommt nicht häufig vor, es hat seit 1990 aber einige Fälle gegeben. Vier Mal kam es dabei zur Feststellung der Beschlussunfähigkeit. So hatte der SPD-Abgeordnete Dr. Peter Struck am 7. September 1994 anlässlich der Beratung des Abschlussberichts des Treuhand-Untersuchungsausschusses beantragt, die Beschlussfähigkeit des Hauses festzustellen. Die Auszählung der Stimmen ergab die Beschlussunfähigkeit, worauf die Sitzung aufgehoben wurde und die SPD durchsetzen konnte, dass noch eine weitere Plenarsitzung vor dem Ende der Wahlperiode stattfindet.

Am 10. März 2004 hatte die SPD-Abgeordnete Nina Hauer im Zuge einer nachträglichen Überweisung des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes an den Haushaltsausschuss beantragt, die Beschlussfähigkeit festzustellen. Als diese nicht gegeben war, wurde die Sitzung aufgehoben.

Herbeirufung von Ministern als Auslöser

In der vergangenen Wahlperiode gab es zwei Fälle der festgestellten Beschlussunfähigkeit. Am 19. Mai 2006 ließ der Abgeordnete Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) die Beschlussfähigkeit feststellen. Es ging um einen Geschäftsordnungsantrag Becks, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) in den Plenarsaal rufen zu lassen. Der Antrag stand im Zusammenhang mit der ersten Lesung des Steueränderungsgesetzes 2007.

Um die Herbeirufung von Familienministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) ging es bei der Beratung eines FDP-Antrags zu einem „Sofortprogramm für mehr Kinderbetreuung“ (16/5114) am 27. April 2007. Den Antrag gestellt hatte die Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk (Bündnis 90/Die Grünen). Auch hier folgte auf den Hammelsprung die Feststellung der Beschlussunfähigkeit und damit die Aufhebung der Sitzung. (vom)

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