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Parlament

Baupolitikerin aus Schwerin: Heidrun Bluhm

Heidrun Bluhm, DIE LINKE.

Heidrun Bluhm, DIE LINKE. (DBT/Neuhauser)

Heidrun Bluhm gehörte zum „Nomenklatur-Kader“ der SED, schulte im Institut des Zentralkomitees angehende Führungskräfte in Marxismus-Leninismus. Dann zerbrach die DDR. Nach der Wiedervereinigung startete die gelernte Bauzeichnerin als Innenarchitektin neu — denn mit Politik wollte sie nie wieder ihren Lebensunterhalt verdienen. Doch Bluhm ist ein „Homo politicus“: Bereits 1990 wurde sie für die PDS, später für Die Linke kommunalpolitisch aktiv. 2002 übernahm die heute 54-Jährige das Amt der Baudezernentin und stellvertretenden Oberbürgermeisterin in ihrer Heimatstadt Schwerin. Seit 2005 ist Bluhm im Bundestag bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion.

Tochter eines Kraftfahrers und einer Verkäuferin

Jung, intelligent, zielstrebig — und dazu die Tochter eines Kraftfahrers und einer Verkäuferin: Heidrun Bluhm hatte die besten Voraussetzungen für eine Karriere im „Arbeiter- und Bauernstaat“. „Als Arbeiterkind wurde ich extrem gefördert und angespornt“, erinnert sich Bluhm. Doch als SED-Mitglied wurde sie glatt abgelehnt — zunächst jedenfalls. Die heutige Abgeordnete der Partei Die Linke hat gerade ihre Lehre zur Bauzeichnerin abgeschlossen, als sie an ihrem 18. Geburtstag formal um Aufnahme in die SED bittet. „Ich wollte mehr tun in dieser Gesellschaft als nur leben und arbeiten. Ich wollte mich einbringen“, erklärt sie.

Erst wenige Minuten vorher ist die schmale, agil wirkende Politikerin in ihr Büro geeilt gekommen. Kaum hat sie am Besprechungstisch Platz genommen, ist sie voll konzentriert: Aufmerksam hört sie zu, antwortet dann schnell und gestenreich.

Mit Feuereifer bei der FDJ

„Weil ich aus einem Baubetrieb kam und meine Eltern Arbeiter waren, passte ich ja eigentlich wunderbar in die Partei“, erklärt sie. Als Auftrag für die einjährige Kandidatenzeit sollte sie die Jugendorganisation „FDJ“ in ihrem Betrieb auf Vordermann bringen. Bluhm macht sich mit Feuereifer an die Arbeit, organisiert Arbeitsaufgaben und Freizeitaktivitäten für die 160 Jugendlichen und jungen Erwachsenen des Betriebs.

Das kommt offenbar gut an: „Innerhalb weniger Monate wurde ich zur hauptamtlichen FDJ-Sekretärin gewählt. “Doch die Jung-Funktionärin eckt auch an: „Ich habe Dinge angesprochen, die nicht gut liefen und bin dann sehr schnell mit dem Betriebsdirektor und der Parteisekretärin aneinandergeraten.“

„Nicht reif“ für die Partei

Da sei zum Beispiel die Sache mit den Schrottaktionen gewesen, erzählt sie: „Wir sollten das Material, das auf den Baustellen übrig geblieben war, einsammeln und es der Wiederverwertung zuführen.“ Zehn Prozent des Erlöses hatten an einen FDJ-Fonds zu gehen, aus dem wiederum Sportfeste oder andere Aktivitäten für Jugendliche finanziert wurden.

Doch: „Ich habe festgestellt, dass auf den Baustellen sehr viel Schrott einfach mit eingegraben wurde. Wenn wir kamen, um ihn einzusammeln, waren die Baugruben oft schon wieder zugeschüttet.“ Bluhm macht Meldung. Das wird aber nicht honoriert. Im Gegenteil: „Als am Ende meines Kandidatenjahres über die Aufnahme entschieden werden sollte, wurde ich abgelehnt — ich sei noch nicht reif, hieß es.“

Lehrerin für Marxismus-Leninismus

Doch in der Kreisleitung der SED ist man bereits auf die ambitionierte, junge Frau aufmerksam geworden. „Ich bekam einen Anruf. Der zweite Sekretär meldete sich und fragte: ‚Nach alledem, willst du noch immer Mitglied werden?’“ Bluhm will — und wird es im zweiten Anlauf wenige Wochen später. Ihre Parteikarriere beginnt. Zunächst besucht sie ein Jahr die FDJ-Jugendhochschule „Wilhelm Pieck“, paukt dort vor allem die Grundlagen des Marxismus-Leninismus.

Danach arbeitet Bluhm in der Kreisleitung der FDJ in Schwerin. Ab 1981 ist sie Lehrerin für Marxismus-Leninismus zunächst in der Bezirksgewerkschaftsschule des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB), ab 1988 im Institut des Zentralkomitees der SED — einer parteiinternen Kaderschmiede, wo Bluhm Landwirte auf ihre Führungsaufgaben in den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vorbereitet.

Sozialismus gepredigt – und an der SED gezweifelt

Doch zu dieser Zeit hinterfragt sie längst ihr Tun: „Ich habe die Idee des Sozialismus — an die ich glaubte — gepredigt wie ein Pastor, aber gleichzeitig wusste ich, dass das, was wir in der DDR machen, nicht das ist, was der Lehre zufolge notwendig gewesen wäre.“ Die persönliche Freiheit des Einzelnen sei nicht geachtet worden, individuelle Potenziale zu stark reglementiert worden, kritisiert sie. Insbesondere die Meinungshoheit der SED-Führung habe sie „gewurmt“, sagt sie: „Es kann doch nicht sein, dass diese alte Männerriege im Politbüro immer Recht hat und alle anderen, die für eine Öffnung sind, für mehr Freiheiten und mehr Demokratie, nur Unrecht haben“, denkt sie.

Gegen Kritik und Verbesserungsvorschläge ist die Parteiführung immun — reagiert mit Strafen. Das muss auch Bluhm erfahren. Mehrmals sei sie gerügt worden, berichtet sie: „Ich hätte Ende der Achtziger genügend Anlass gehabt, mein Parteibuch auf den Tisch zu legen und zu sagen, macht euren Scheiß doch allein.“ Doch sie tut es nicht. Aus Verantwortungsfühl, sagt Bluhm.

Keine Zukunft für die DDR

Obwohl sie sich innerlich distanziert hat, ist sie dennoch über die Wucht der „friedlichen Revolution“ im Herbst 1989 erstaunt. Schnell ist sie überzeugt, dass der Staat nicht mehr zu retten ist. Ihre Sicht der damaligen Ereignisse: „Eine neue, andere DDR, das hätte nicht funktioniert — auch weil die Demonstrationen auf den Straßen gesteuert waren. Die gingen ja nicht nur von der Opposition aus, sondern wurden auch von der BRD gesteuert.“

Die Wende ist eine deutliche Zäsur in ihrem Leben. Sie ist 32, Mutter von zwei Kindern und auf ihr berufliches Profil passen im wiedervereinten Deutschland keine Stellen. So orientiert sich Bluhm um: „Mir war klar: Du musst was Neues lernen.“1990 beginnt sie in Hamburg Innenarchitektur zu studieren und macht sich schließlich mit einem eigenen Büro in Schwerin selbstständig. Später kommt eine Planungsgesellschaft dazu. Ob Ärzte- oder Bürohäuser, Gastronomie oder Hotels — Bluhm und ihr Geschäftspartner, ein Architekt, planen und bauen in den Jahren nach der Wende zahlreiche Objekte in Mecklenburg-Vorpommern.

Stadtpräsidentin und Baudezernentin

„Hauptamtliche Politik mache ich nicht mehr“ — das war nach dem Zusammenbruch der DDR Bluhms Haltung. „Mit Politik wollte ich einfach nicht mehr meine Existenz sichern müssen.“ Eine Abkehr vom politischen Engagement ist es aber nicht. Nach 1990 beginnt sie sich als gebürtige Schwerinerin ehrenamtlich für die PDS in der Kommunalpolitik der neuen Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern zu engagieren.

Von 1990 bis 2002 ist sie Mitglied der Stadtvertretung und Stadtpräsidentin, dann wird sie als Beigeordnete für das Ressort Bauen, Ordnung und Umwelt nominiert. Ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann. Drei Jahre ist Bluhm daraufhin mit Leib und Seele Baudezernentin: „Die Kommunalpolitik entspricht schon sehr meinem Naturell. Ich wollte nachweisen, dass man vor Ort zusammen mit den Menschen etwas bewegen kann“, erklärt sie. Eines ihrer großen Projekte ist die Bundesgartenschau, die sie mit vorbereitet.

Wohnungspolitik als soziale Schwerpunktaufgabe

Doch als die Schau im Jahr 2009 eröffnet wird, ist Bluhm bereits Bundestagsabgeordnete. „Ich habe meine Arbeit als Baudezernentin wirklich ungern abgegeben“, bekennt sie. „Aber wer konnte ahnen, dass es 2005 zu einer vorgezogenen Bundestagswahl kommt?“ Sie ist populär im Wahlkreis und wird inständig gebeten, zu kandidieren. Also tut sie es.

Inzwischen ist Bluhm seit sieben Jahren im Bundestag als Sprecherin der Linksfraktion zuständig für „ihr“ Thema, die Bau- und Wohnungspolitik. Ein Politikbereich, der, so Bluhm, zu einer sozialen „Schwerpunktaufgabe“ werde: „Immobilien sind heute Mobilien, die an Börsen international gehandelt werden.“ Aus dem Blick gerate dabei, dass Wohnen ein Grundrecht sei, mahnt Bluhm. Die Wohnungspolitik der Regierung, die darauf ziele, immer mehr Wohnungen zu privatisieren, kritisiert sie besonders: „Für Wohnraum zu sorgen, ist eine zutiefst gesellschaftspolitische Aufgabe. Diese zu privatisieren ist falsch.“ (sas/05.09.2012)

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