„Die Gesellschaft muss Krebskranke besser integrieren“
Krebsvorsorge und neue Krebstherapien sind regelmäßig Thema der gesundheitspolitischen Diskussion. Doch wie geht es eigentlich den Menschen, die an Krebs leiden oder eine Krebserkrankung überwunden haben? Und wie kann ihre gesellschaftliche Teilhabe gefördert werden? Zu diesen Fragen äußert sich im Interview der FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Lutz Knopek (FDP), der 2009 die Parlamentarische Gruppe „Leben & Krebs“ gegründet hat.
Herr Knopek, kurz nach Ihrem Einzug in den Bundestag im Herbst 2009 haben Sie die Parlamentarische Gruppe (PG) „Leben & Krebs“ gegründet. Warum?
Weil ich das Gefühl hatte, dass das Thema Krebs im Parlament zu kurz kommt.
Wie kann das sein? Der Gesundheitsausschuss beschäftigt sich doch regelmäßig mit der „Volkskrankheit“ Krebs.
Das stimmt, aber dort geht es vor allem um ganz konkrete gesundheitspolitische Aspekte wie die Neuordnung des Arzneimittelmarktes oder die Reform der Kassenfinanzierung, die natürlich Menschen, die an Krebs erkrankt sind, ganz unmittelbar betreffen. Wir hingegen befassen uns vor allem mit der Dimension, die diese Krankheit für die Betroffenen selbst, aber auch für die Gesellschaft insgesamt hat.
Was heißt das konkret?
Dass wir die Frage in den Fokus rücken, wie Menschen mit Krebs, trotz Krebs, nach Krebs leben. Unsere parlamentarische Gruppe heißt ja ganz bewusst „Leben & Krebs“, denn heute ist eine Krebsdiagnose glücklicherweise längst nicht mehr gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Viele Tumorarten lassen sich dank des medizinischen Fortschritts recht gut behandeln; gleichzeitig wird es aufgrund des demografischen Wandels immer mehr krebskranke Menschen geben. Das stellt auch die Gesellschaft vor neue Herausforderungen.
Inwiefern?
Aus vielen Gesprächen mit krebskranken Menschen weiß ich, dass sie sich oft ausgegrenzt fühlen und das Gefühl haben, dass man ihnen anders begegnet als vor ihrer Erkrankung. Wir möchten dazu beitragen, dass sich das ändert. Die Gesellschaft muss es viel stärker als bisher als ihre Aufgabe begreifen, krebskranke Mitmenschen zu integrieren.
Wie kann die PG einen solchen Wandel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung krebskranker Menschen befördern?
Unter anderem dadurch, dass sie sich dem Thema Krebs interdisziplinär nähert und ihre Erkenntnisse in verschiedene Bundestagsausschüsse trägt. An der PG beteiligen sich ja nicht nur Gesundheitspolitiker, sondern zum Beispiel auch einige Seniorenpolitiker. Und ich selbst bin im Sportausschuss, in dem wir uns vor einiger Zeit auf meine Anregung hin mit dem Thema Sport und Krebs beschäftigt haben.
Was haben denn Sport und Krebs miteinander zu tun?
Heute weiß man, dass bestimmte sportliche Aktivitäten sehr positive Effekte auf die Rekonvaleszenz nach einer Chemotherapie haben. Mittlerweile gehen viele Onkologen sogar davon aus, dass Sport bei manchen Krebsarten therapeutische Wirkungen entfalten kann.
Wird die Arbeit der PG auch über den Bundestag hinaus wahrgenommen?
Ja, vor allem durch unsere enge Kooperation mit der Deutschen Krebsgesellschaft, die bisher auf allen unseren Sitzungen vertreten war. Umgekehrt hatte ich die Möglichkeit, die Arbeit der PG auf dem Krebskongress Anfang Februar 2012 in Berlin vorzustellen. Dadurch hat es sich in der interessierten Öffentlichkeit herumgesprochen, dass es eine parlamentarische Lobby für die Interessen krebskranker Menschen gibt.
Und wie waren die Reaktionen?
Ausgesprochen positiv. Ich weiß von vielen, die sich in Selbsthilfegruppen engagieren, dass sie über unsere Existenz sehr froh sind, weil sie sich dadurch in ihren Aktivitäten unterstützt und ermutigt fühlen.
Sie selbst sind Biologe und haben vor Ihrer Wahl in den Bundestag im Herbst 2009 für verschiedene Pharmaunternehmen gearbeitet, die Krebsarzneimittel entwickeln. Inwiefern spielte dieser berufliche Hintergrund eine Rolle bei Ihrem Entschluss, die PG „Leben & Krebs“ zu gründen?
Natürlich beschäftigt mich die Krankheit Krebs aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit schon seit vielen Jahren. Gelernt habe ich damals auch, dass es keinen Sinn hat zu versuchen, ein Thema wie Krebs zu verdrängen und zu ignorieren, weil man auf Dauer so mit seiner Angst vor dieser Krankheit nicht fertig werden kann. Die gesellschaftliche Dimension von Krebs ist mir aber auch erst im Bundestag bewusst geworden.
Sind Sie denn zufrieden mit dem, was die PG bisher erreicht hat?
Ja, auch wenn das natürlich schwer zu messen ist. Aber ich bin überzeugt, dass wir dem Bundestag und auch der Fachöffentlichkeit eine Menge Denkanstöße gegeben haben, das Thema Krebs und alles, was damit zusammenhängt, mit anderen Augen zu sehen als bisher.
(nal)