„Es sollten nicht zu viele Fakten geschaffen werden“
Vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestags hat Gerald Hennenhöfer über die Erkundung in Gorleben während der neunziger Jahre ausgesagt. Der heute 64-Jährige leitete von 1994 bis 1998 im Bundesumweltministerium (BMU) die Abteilung für Reaktorsicherheit und war auch für Fragen der Endlagerung zuständig. Seit 2009 ist er erneut in dieser Funktion. „Es gab keine Vorfestlegungen oder fachlichen Gründe, die laufenden Erkundungen einzustellen“, sagte er am Donnerstag, 13. September 2012, vor dem Ausschuss.
„Wir waren vom Verantwortungsgedanken geprägt“
Der Gorleben-Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung, sich bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll auf den Standort Gorleben zu beschränken, zu Einflussnahmen oder Manipulationen gekommen ist.
Das Klima in Teilen der Politik und der Energieversorgungsunternehmen schilderte Hennenhöfer damit, dass es in Gorleben vorangehen sollte, „aber nicht zu schnell“. „Es sollte nicht zu viel investiert und es sollten nicht zu viele Fakten geschaffen werden.“ Hennenhöfer sagte: „Wir dagegen waren mehr vom Verantwortungsgedanken geprägt.“
„Ein Errichtungsmoratorium konnten wir uns vorstellen“
Man habe wissen wollen, ob der Standort grundsätzlich in Frage kommt oder nicht. „Ein Erkundungsmoratorium lehnten wir ab, ein Errichtungsmoratorium konnten wir uns vorstellen.“ Er sei davon ausgegangen, dass erst einmal Fakten gesammelt würden: „Wie damit umgegangen wird, ist offen.“
Die Energieversorgungsunternehmen (EVU) hätten sich damals in den Neunzigern auf den Wettbewerb vorbereitet und Kosten senken müssen. „Man warf uns in den Planungen zu große Volumina vor und war der Meinung, irgendwann werde man irgendwo im Osten die radioaktiven Abfälle lagern.“ Die Suche nach einem Endlager wird von den EVU finanziert.
„Da werden Äpfel mit Birnen verglichen“
Dabei sei die Position des BMU gewesen, dass es bei der Standortsuche nicht eine einfache Wahrheit gebe. „Dass sich Sicherheit durch Vergleichen ergibt, bezweifle ich. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen.“
Auch Änderungen am Erkundungskonzept in den Neunzigern erörterten die Abgeordneten. Damals hatte man beschlossen, sich bei der Erkundung vorerst auf die Nordostpassage im Gorlebener Salzstock zu beschränken, da für die Südwestpassage nicht die notwendigen Salzrechte vorlagen.
„Ich kann mich nicht erinnern“
Die Abgeordneten hielten Hennenhöfer Warnungen von Behördenexperten vor, die aus sicherheitstechnischen Gründen solch eine Beschränkung kritisch sahen. Auf die Frage, ob diese Warnungen zu ihm als Abteilungsleiter durchgedrungen seien, antwortete Hennenhöfer: „Ich kann mich nicht erinnern.“
Ferner behandelten die Abgeordneten eine Art Positionspapier, welches Hennenhöfer 1995 angefertigt hatte. „1995 war die Nutzung der Atomenergie für den Beamten Hennenhöfer zu fördern“, sagte er nun zum damaligen Papier. „Damals waren andere Zeiten.“ Den heutigen gemeinsamen Ansatz unterstütze er nachhaltig.
„Der Nordost-Vorschlag hat mich verblüfft“
„Von Billig-Lösungen war nie die Rede“, sagte der Zeuge mit Blick auf den Entschluss in den neunziger Jahren, vorerst nur in der Nordostpassage des Salzstocks zu erkunden; für den Südwesten fehlten die dafür erforderlichen Salzrechte. „Es kann auch ein sicherheitstechnischer Vorteil sein, wenn man die Südwestpassage nicht verritzt“, so der 64-Jährige.
Hennenhöfer berichtete über die damaligen Pläne einer eingeschränkten Erkundung. „Ich habe angedeutet, dass der Nordost-Vorschlag mich verblüfft hat. Ich fragte: Wie kommt das jetzt?“ Schließlich habe sich bei seinen Mitarbeitern der Entschluss herausgebildet: „Das geht so.“ Dem habe er nichts vorzubringen gehabt. „Ich weiß nicht, was an dieser Entscheidung so anrüchig sei. Das ist eine Phantomdiskussion.“
„Meine Abteilung wollte keine Lex Gorleben“
Ferner äußerte sich Hennenhöfer über die fehlenden Salzrechte in Gorleben. „Ich hatte zur Diskussion um die Salzrechte eine eigene Haltung“, sagte er. „Meine Abteilung mochte keine Enteignungsvorschriften, sie wollte keine Lex Gorleben.“ Für ihn indes sei es ein zentraler Punkt gewesen, ein sicheres Endlager zu bauen – mit den Salzrechten. „Jede Autobahn kann man quer durch die Landschaft bauen.“
Hennenhöfer sagte, damaliger Standpunkt sei gewesen, dass „die Politik die Kernenergie gewollt hat“. Dass die Politik heute andere Lösungen suche, unterstütze er. (jr/14.09.2012)