Der Rolle von Facebook bei der Arabellion auf der Spur
Die 24 jungen Frauen und Männer aus arabischen Ländern, die noch bis 5. Oktober ein vierwöchiges Internationales Parlaments-Stipendium (IPS) beim Bundestag absolvieren, diskutieren am Mittwoch, 19. September 2012, mit vier Journalisten und Kommunikationsexperten über die Frage, ob es die Arabellion, die Revolte in mehreren arabischen Ländern, auch ohne Facebook gegeben hätte. Hätte sich die arabische Demokratiebewegung auch ohne Internet durchsetzen können? Ist die Revolte von Tunesien und Ägypten nur per Facebook in die anderen Länder übergesprungen? Und welche Rolle speiel die neuen und die alten Medien bei der aktuellen Welle von Gewalt, die sich derzeit an dem amerikanische Mohammed-Video entzündet?
Diskussion mit vier Experten
Ob und welche politische Verantwortung die Medien tragen und welche Rolle sie in Demokratisierungsprozessen in der arabischen Welt spielen können, darüber diskutieren die Stipendiaten ab 9.30 Uhr im Sitzungssaal E 300 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin mit Mazen Hassan, Deutschland-Korrespondent der ägyptischen Tageszeitung Al-Ahram, mit der Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Carola Richter von der Freien Universität Berlin, mit dem Netzexperten Matthias Spielkamp und mit der Journalistin und Syrien-Expertin Kristin Helberg
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Die Diskussion moderiert Miriam Hollstein von der Tageszeitung „Die Welt“. Medienvertreter mit Akkreditierung können an der Veranstaltung teilnehmen.
Auf die Straße gegangen, gebloggt, getwittert
Die zwölf Männer und zwölf Frauen aus Ägypten, Tunesien, Marokko, Jordanien, dem Libanon, den Palästinensischen Gebieten und dem Jemen sind im vergangenen Jahr für die Demokratie in ihren Ländern auf die Straße gegangen, haben gebloggt, getwittert, real und virtuell für ihre Rechte gekämpft. Sie wollen mit ihren eigenen Erfahrungen zur Diskussion und zur Bewertung der jüngsten Ereignisse beitragen.
Am Mittwoch, 12. September, hatte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert die arabischen Stipendiaten begrüßt: „Die Einladung an Sie verstehen wir als ein Angebot, von der Erfahrung, die wir gemacht haben, zu partizipieren“, sagte Lammert it Blick auf die Überwindung zweier Diktaturen in Deutschland.
„Kein missionarischer Ehrgeiz“
Das Programm wolle nicht nur die Persönlichkeit der jungen Frauen und Männer weiterentwickeln, sondern der Besuch der Stipendiaten solle auch einen Beitrag zur Entwicklung in dem jeweiligen arabischen Land leisten, sagte Lammert. Das, was sich in den arabischen Ländern zu entwickeln scheint, werde vom deutschen Parlament mit großem Interesse und großer Sympathie verfolgt.
Dabei habe man jedoch keinen missionarischen Ehrgeiz. Gerade von Deutschland – mit der gescheiterten Demokratie im ersten Anlauf – könnten die arabischen Frauen und Männer lernen, so der Parlamentspräsident. „Wir wissen, wie zerbrechlich ein solcher Prozess ist, mit wie vielen Risiken er auch dann verbunden ist, wenn er von vielen Begeisterten mit großem Engagement vorgetragen wird“, so Lammert bei der Begrüßung der arabischen Gäste.
Kooperation braucht ein Parlament
Anschließend diskutierten die jungen Teilnehmer mit Norbert Lammert in lebendigem Austausch über Freiheit und Gewalt, über Demokratie und Diktatur. Welche Zukunft der deutsche Bundestagspräsident für die arabischen Staaten sehe, wollten die jungen Araber beispielsweise wissen.
Lammert machte dabei deutlich, dass der Prozess einer Demokratisierung nur im Land selbst geschehen könne. Zu glauben, dass externe Effekte zu einer langfristigen Veränderung der Verhältnisse führe, sei falsch. Deutschland könne dabei nur unterstützen. „Wie immer sich die Verhältnisse in den Ländern entwickeln — wir werden mit der jeweiligen Regierung so oder so kooperieren“, sagte Lammert vielsagend. Denn Kooperation könne nur stattfinden, wo es ein Parlament gebe.
Deutsche Demokratie im Blickpunkt
Die 24 jungen Stipendiaten nutzten die Gelegenheit, um in die deutsche Politik einzutauchen. Vor allem die außenpolitischen Beziehungen zu der arabischen Welt sind das Thema, das den Teilnehmern auf den Nägeln brennt. Doch nicht nur das deutsche System soll im Mittelpunkt des Aufenthalts stehen, die jungen Araber sollen nach ihrer Rückkehr in die Heimatländer ihre gemachten Erfahrungen auch anwenden.
Das sei die Hauptbotschaft des Programms, sagt Initiator Wolfgang Börnsen (CDU/CSU) beim Empfang im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. „Es soll den Menschen, die sich für Demokratie und Parlamentarismus interessieren, zeigen, dass wir sie nicht alleine lassen, sondern bei ihrem couragierten Aufbau begleiten werden“, so der Abgeordnete, der seit vielen Jahren Vorsitzender der zuständigen Berichterstattergruppe im Bundestag ist. (ldi/18.09.2012)