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Auswärtiges

„Wohlfahrtsgewinne für beide Kontinente“

Ruprecht Polenz, CDU/CSU

Ruprecht Polenz, CDU/CSU (DBT/Melde)

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU/CSU), setzt sich für die Einrichtung einer transatlantischen Freihandelszone ein. Dies würde „Wohlfahrtsgewinne für beide Kontinente bewirken“ und helfen, die Staatsschuldenkrise zu lösen, sagte Polenz in einem am Montag, 12. November 2012 erschienenen Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“. Gleichzeitig müsse sich Europa in Zukunft stärker darauf einstellen, Sicherheitsprobleme auf dem Kontinent und an seiner Peripherie ohne Hilfe der USA zu lösen. „Die USA werden, was die sicherheitspolitische Ordnungsfunktion in Europa angeht, nicht mehr so stark gebraucht“, sagt Polenz. Das Interview im Wortlaut:


Herr Polenz, was bedeuteten vier weitere Jahre Präsidentschaft Barack Obama für Europa?

Zuerst Kontinuität. Wir sollten außerdem als Europäer die Initiative für eine transatlantische Freihandelszone ergreifen. Das würde Europa und Nordamerika noch enger zusammen bringen und Wohlfahrtsgewinne für beide Kontinente bewirken. Diese positiven Impulse für die Wirtschaft würden sowohl den USA wie uns Europäern helfen, die Probleme der hohen Staatsschulden, die wir beide haben, zu lösen.

Was hält Europa und die USA noch zusammen?

Vieles. Amerikanische Investitionen schaffen Arbeitsplätze in Deutschland und umgekehrt. Wir haben im Rahmen der Nato eine ständige Sicherheitsabstimmung und gemeinsame Einsätze von Afghanistan bis zum Kosovo und in den Nahen Osten hinein. Und uns verbinden gemeinsame Werte  und natürlich die Geschichte, die auch für die Deutschen nach 1945 eine Erfolgsgeschichte war.

Washington blickt zunehmend nach Südamerika und in den pazifischen Raum. Kehren die USA Europa damit nicht den Rücken zu?

Sie wenden sich denselben Regionen zu, denen auch die Europäer Aufmerksamkeit widmen. Die USA werden dringend als pazifische Macht gebraucht, weil die vertrauensbildenden Strukturen, die sich in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg unter tatkräftiger Mithilfe der Amerikaner herausgebildet haben, im asiatisch-pazifischen Raum vollständig fehlen. Im Übrigen wünschen sich die ASEAN-Länder auch dringend eine aktive amerikanische Rolle. Es ist daher auch in unserem Interesse, dass die Amerikaner dort präsent sind. Denn wir könnten diese Ordnungsrolle im asiatisch-pazifischen Raum nicht übernehmen. 

Aber das bedeutet auch, dass amerikanische Kräfte aus Europa abgezogen werden müssten?

Die USA werden, was die sicherheitspolitische Ordnungsfunktion angeht, in Europa nicht mehr so stark gebraucht. Denn wir haben inzwischen strukturell selbsttragende friedenssichernde Mechanismen durch die Europäische Union geschaffen.

Die Amerikaner wünschen sich von den europäischen Nato-Ländern mehr Engagement in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Wie soll das gehen, wenn sich die Europäer – wie etwa im Falle Libyens – uneins sind?

Der Wunsch der Amerikaner, dass ihnen Lasten abgenommen werden, ist so alt wie die Nato. Richtig ist, dass die Amerikaner davon ausgehen, dass die europäischen Nato-Partner Sicherheitsprobleme in Europa und an der Peripherie stärker auch ohne Hilfe der USA lösen können. In Libyen haben die USA signalisiert: Wir machen zwar mit, aber wir sind nicht diejenigen, die den Einsatz anführen. Denn es liegt stärker im europäischen Interesse, was in Nordafrika, speziell in Libyen, geschieht. Auf diese Haltung wird man sich jetzt in Europa stärker einstellen müssen.

Aber was sollten eigentlich die Europäer tun?

Europa hat sich mit dem Lissabon-Vertrag viel Zeit gelassen, und wir brauchen jetzt auch wiederum viel Zeit, um die Staatsschuldenkrise anzugehen. Die politische Aufmerksamkeit sollte dann aber auch wieder der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union zur Verfügung stehen. Da kann es durchaus heilsam sein, wenn man in der Europäischen Union den Druck der Verhältnisse spürt und man gedanklich nicht immer noch das Netz oder den doppelten Boden USA dabei hat.

Wäre ein in außen- und sicherheitspolitischen Fragen entschlossen und gemeinsam auftretendes Europa letztendlich nicht eine Konkurrenz zu den USA?

Es wäre kein Konkurrent, sondern ein wirksamerer Partner. In Fragen der Sicherheitspolitik haben die USA und Europa ein gleichgerichtetes Interesse, nämlich Krisen vorzubeugen und Konflikte in der Welt zu verhindern. Das sind die generellen Linien und da sehe ich nicht, dass wir in eine Konkurrenzsituation kommen könnten. Natürlich sind die USA, so wie das Madeleine Albright, die frühere US-Außenministerin, jetzt nochmals gesagt hat, die „unverzichtbare Nation“, weil ohne sie kaum ein Konflikt dieser Welt gelöst werden kann. Aber sie sind eben schon länger nicht mehr in der Lage diese Konflikte allein zu lösen. Deshalb wird auch für die Amerikaner an einer multilateral eingebetteten Vorgehensweise kein Weg vorbeiführen.

Präsident Obama hat das Ziel einer atomwaffenfreien Zone ausgegeben. Im Sommer hat die Nato allerdings beschlossen, das Atomwaffenarsenal in Europa zu modernisieren. Wie passt das zusammen?

Es war von vorneherein klar, das dieses Ziel nicht heute und nicht morgen zu erreichen ist. In der Zwischenzeit ist es notwendig, sich zum bestehenden Arsenal zu verhalten. Da gibt es auch aus technischen Gründen Modernisierungsbedarf, allein um Sicherheitsanforderungen zu entsprechen. Man darf das Ziel einer atomwaffenfreie Welt nicht damit verwechseln, ab heute wird kein Cent mehr in Nuklearwaffen gesteckt wird. Das hat Obama so auch nicht formuliert.

Im Wahlkampf zeichneten Berichte aus den USA das Bild einer angeschlagenen Nation. Können die USA noch glaubhaft eine Führungsrolle einnehmen?

Es gibt immer Punkte, auf denen man das Szenario eines „Niedergangs des Westens“ aufbauen kann. Jeder weiß, dass zum Beispiel die Infrastruktur in den USA dringend große Investitionen benötigt, was nicht zuletzt Hurrikan „Sandy“ gezeigt hat. Was in solchen Szenarien aber immer ausgeblendet wird, ist die Tatsache, dass Europa in den nächsten 30 Jahren 100 Millionen Einwohner verlieren wird, während die Amerikaner 100 Millionen Einwohner gewinnen werden. Die USA sind eine wachsende Nation. Und sie sind weiterhin so attraktiv, dass zum Beispiel 800.000 der klügsten Köpfe aus aller Welt zum Studium an US-Universitäten kommen und durch eine kluge Politik auch dazu bewegt werden, nach dem Abschluss zu bleiben. Die Amerikaner bleiben für die nächsten Jahrzehnte Weltmacht Nummer eins – mit einem beträchtlichen Abstand vor allen anderen.

Werden die Vereinigten Staaten in dieser Rolle nicht von China verdrängt?

Man muss sich die Herausforderungen anschauen, vor denen China steht. Dort hat man aufgrund der Ein-Kind-Politik ein riesiges demographisches Problem, große Energie- und Umweltprobleme und vor allem nach wie vor ein politisches System mit einem rigiden Ein-Parteien-Herrschafts- und Kontrollverständnis. Dieses System passt zunehmend schlechter zum herrschenden Wirtschaftssystem und zur wachsenden Ungleichheit. Wir haben ein großes Interesse daran, dass China mit seinen Herausforderungen fertig und in die Weltwirtschaft integriert wird. Aber in der jetzigen Verfassung würde sich China niemand ernsthaft als Weltführungsmacht wünschen. Ich jedenfalls nicht. 

Was sind die größten außenpolitischen Herausforderungen in Obamas zweiter Amtszeit?

Der Truppenabzug aus Afghanistan muss so bewältigt werden, dass das Land nicht zurückfällt in die Situation der 1990er Jahre. Das Nuklearproblem mit dem Iran muss auf einem Weg gelöst werden, der nicht in eine militärische Konfrontation mündet, aber zugleich die Sicherheit gibt, dass es keine weiteren nuklear bewaffneten Staaten auf dieser Welt gibt. Im Nahen Osten sollten wir die arabischen Freiheitsbewegungen so stärken, dass aus dieser historischen Zeitenwende, tatsächlich auch ein dauerhafter Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wird. Und nicht zuletzt sollte das Verhältnis zu Russland auf ein Gleis kommen, das Russland hilft, einen Platz als zivile Großmacht zu finden, statt allein mit den Überbleibseln des Kalten Krieges und dem Sitz im Sicherheitsrat weltpolitisch nach Einfluss zu suchen.

(ahe/as/12.11.2012)

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