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Parlament

Thierse besorgt um türkische Kurdenpolitikerin

Dr. h. c. Wolfgang Thierse, SPD

Dr. h. c. Wolfgang Thierse, SPD (DBT/photothek.net)

Von 1994 bis 2004 saß Leyla Zana im Gefängnis, in diesem Jahr wurde sie erneut zu zehn Jahren Haft verurteilt.  Die türkische Abgeordnete, deren Fall 2002 den Anstoß für die Gründung der Bundestagsinitiative „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ gab, wird derzeit zwar durch ihre parlamentarische Immunität geschützt. Dennoch macht sich Bundestagsvizepräsident Dr. Wolfgang Thierse (SPD), der im Rahmen der Initiative die Patenschaft für die Kurdenpolitikerin übernommen hat, große Sorgen um sie.

„Es lebe die türkisch-kurdische Brüderschaft“

Es war nur ein einziger Satz, doch er reichte aus, um landesweit für Aufsehen und Anfeindungen zu sorgen. „Es lebe die türkisch-kurdische Brüderschaft“, hatte Leyla Zana ihrem Amtseid hinzugefügt, den sie nach ihrer Wahl in die türkische Nationalversammlung im Herbst 1991 wie vorgeschrieben in türkischer Sprache abgelegt hatte. Eine Provokation, denn damals war es in der Türkei gesetzlich verboten, kurdisch zu sprechen.

Prompt wurde die junge Abgeordnete aus Diyarbakir von der türkischen Justiz ins Visier genommen. Nicht einmal ihr rechtlicher Status als Abgeordnete konnte die damals 30-Jährige schützen: Im März 1994 wurde ihre parlamentarische Immunität und die von sechs ihrer Fraktionskollegen aufgehoben, im Dezember desselben Jahres wurde sie wegen „Landesverrats“ und „Unterstützung einer terroristischen Organisation“, sprich der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, zu 15 Jahren Haft verurteilt, die 1998 noch einmal um zwei Jahre erhöht wurde.

Rechtsstaatliche Mängel

Bewegung in die Sache kam erst, als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Juni 2002 rechtsstaatliche Mängel beim Verfahren gegen Zana feststellte. Daraufhin forderten die Abgeordneten des Bundestages fraktionsübergreifend in einer Petition die Freilassung der türkischen Kollegin und verabschiedeten 2003 den gemeinsamen Antrag „Schutz von bedrohten Menschenrechtsverteidigern“, in dem sie sich dazu verpflichteten, bedrohten Parlamentariern und Menschenrechtlern weltweit beizustehen – die Initiative „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ des Bundestages war geboren.    

In der Türkei wurden die Signale aus dem europäischen Ausland durchaus vernommen. Das Staatssicherheitsgericht des Landes, das damals noch heftig in die EU strebte, nahm das Verfahren gegen Leyla Zana wieder auf, bestätigte allerdings am 21. April 2004 die verhängten Haftstrafen.

Sacharow-Preis für geistige Freiheit

Die Entrüstung in der EU – 1995 hatte das Europäische Parlament Leyla Zana den Sacharow-Preis für geistige Freiheit verliehen, der alljährlich an Persönlichkeiten geht, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit einsetzen – war groß. So kritisierte der damalige EU-Kommissar für Erweiterung Günter Verheugen, dass das Urteil gegen Zana nicht im Einklang mit den sogenannten Kopenhagener Kriterien stehe, die von einem Beitrittskandidaten erfüllt werden müssen, um Vollmitglied der EU zu werden.

Auch der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der sich just am Tag der Urteilsverkündung zu Gesprächen in Ankara befand, zeigte sich tief enttäuscht. „Die Türkei wird viel Mühe haben, die Wirkung dieses Urteils im Ausland zu überwinden“, sagte der SPD-Politiker noch in Ankara. „Dieses Urteil wird unter deutschen Parlamentariern große Empörung hervorrufen.“

„Ein unhaltbarer Zustand“

Im Fall von Leyla Zana, für die Thierse im Rahmen der Initiative „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ eine Patenschaft übernahm, zeigte der vielstimmige Protest Wirkung: Im Juni 2004 wurde sie vorläufig freigelassen, und zwar auf Anordnung des Obersten Gerichts der Türkei.

Doch befinden sich bis heute mehrere Parlamentarier in der Türkei in Haft – ein unhaltbarer Zustand, wie Thierse findet. Bei einem Treffen mit türkischen Abgeordneten im Mai 2012, bei dem es unter anderem um die Morde der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle in Deutschland und den Stand der Aufarbeitung dieser Verbrechen ging, habe er die Gäste daher „geradezu pathetisch gebeten, doch Solidarität zu üben mit ihren Parlamentskolleginnen und -kollegen, die im Gefängnis sitzen oder von Haft bedroht sind“, erzählt er. „Ich hoffe sehr, dass die Parlamentskollegen aus der Türkei begriffen haben, dass wir in Deutschland Solidarität unter Parlamentariern ernst meinen.“

Ende Mai 2012 wurde die heute 51-Jährige, die bei den Parlamentswahlen in der Türkei im Juni 2011 als unabhängige Abgeordnete wiederum in die türkische Nationalversammlung gewählt wurde, wegen Propaganda für die PKK erneut zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Bis zu den Parlamentswahlen 2015 ist Leyla Zana durch ihre parlamentarische Immunität geschützt. (nal/13.12.2012)

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