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Europäische Union

„Die Rechte der nationalen Parlamente einsetzen“

Patrick Sensburg (CDU/CSU), Vorsitzender des Unterausschusses Europarecht

Patrick Sensburg (CDU/CSU), Vorsitzender des Unterausschusses Europarecht (DBT/Nowak-Katz)

Über Mangel an Arbeit kann sich der Rechtsausschuss nicht beklagen: Neben den vielen nationalen rechtspolitischen Gesetzentwürfen wird die europäische Rechtspolitik für seine Arbeit immer wichtiger. Damit er hier den Überblick behält, wird er vom Unterausschuss Europarecht unterstützt – ein Gremium, in dem vor allem europabegeisterte Abgeordnete sitzen, wie sein Vorsitzender, der CDU-Abgeordnete Prof. Dr. Patrick Sensburg aus dem Hochsauerlandkreis, im Interview erzählt.


Herr Professor Sensburg, warum braucht es einen Unterausschuss Europarecht?

Weil heute ein großer Teil der Rechtssetzungsakte aus Europa kommt und unsere Lebenswelt immer stärker von EU-Verordnungen und EU-Richtlinien und deren Umsetzung in nationales Recht geprägt wird. Ich nenne nur den Verordnungsentwurf für ein gemeinsames europäisches Kaufrecht, den Richtlinienentwurf zur Einlagensicherung, zur Europäischen Schutzanordnung, zu Insider-Geschäften und Marktmanipulation oder zur Alternative Dispute Resolution. Gleiches gilt für ACTA, SWIFT sowie die Vorratsdatenspeicherung. Dies sind nur einige Themen, mit denen wir uns im Unterausschuss intensiv beschäftigt haben.

Gerade die zuletzt von Ihnen genannten sind ja politisch hoch umstritten.

Ja, aber diesen Streit vermögen wir im Unterausschuss konstruktiv zu nutzen. Wir diskutieren intensiv, aber auch sehr sach- und konsensorientiert. Das liegt vor allem daran, dass alle neun Mitglieder des Unterausschusses überzeugte Europäer sind, die zukunftsorientiert an einem Dialog mit Europa interessiert sind. Hierbei eint uns der Wille, die Beteiligungsrechte des Bundestages, die durch den Vertrag von Lissabon gestärkt wurden, intensiv wahrzunehmen. Denn solange,wir in Europa kein Parlament haben, das alle Rechte und Aufgaben hat, die einem „echten“ Parlament zustehen, brauchen wir neben dem Europäischen Parlament auch die Legitimation durch die nationalen Volksvertretungen. 

Wie läuft eine typische Sitzung des Unterausschusses ab?

Zu Anfang einer jeden Sitzung berichtet die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder der parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium, Dr. Max Stadler, zu den Sitzungen des Rates für Justiz und Inneres. Sie erstatten Bericht zu den aktuellen rechtspolitischen Vorhaben der EU und beantworten dann die diesbezüglichen Fragen der Abgeordneten. Danach werden die einzelnen Dossiers beraten und auch diskutiert, ob im Rahmen der Subsidiaritätsfrist eine Stellungnahme abzugeben ist. Der sachkonzentrierten Arbeit im Unterausschuss ist es zu verdanken, dass wir bereits mehrfach gemeinsame Stellungnahmen zu Vorlagen aus Brüssel erarbeiten konnten, die der Bundestag dann verabschiedet hat; so haben wir zum Beispiel beim europäischen Kaufrecht eine Subsidiaritätsrüge erhoben.

Seit wann gibt es den Unterausschuss?

Eingerichtet wurde er 1987 zu Beginn der elften Wahlperiode des Deutschen Bundestages. Die Gründung erfolgte als Reaktion auf die EU-Richtlinie zum Haustürwiderrufsrecht und deren Umsetzung in deutsches Recht. Die Konstituierung des Unterausschusses erfolgte unter der Bezeichnung Unterausschuss „Produzentenhaftung“. Schnell hat sich der Unterausschuss aber auch mit anderen Fragen des Europarechts befasst und deshalb bekam er 1988 seinen heutigen Namen.

Leisten sich andere europäische Parlamente vergleichbare Einrichtungen und wenn ja, stehen Sie in Kontakt mit ihnen?

Ja, es gibt einige Parlamente, die unserem Unterausschuss durchaus ähnliche Gremien haben. Und es gibt auch Bemühungen, ein Netzwerk untereinander aufzubauen. Allerdings ist dies aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsweisen und der unterschiedlichen Wahltermine in den Mitgliedsländern nicht einfach. Hat sich nach einigen Jahren ein Netzwerk aus einigen Abgeordneten nationaler Parlamente gebildet, sind die ersten bereits aus dem Parlament ausgeschieden, bevor man neue gewinnen kann. Auch führt die unterschiedliche Größe der Mitgliedstaaten und damit der Parlamente dazu, dass große Mitgliedstaaten ein höheres Engagement in europäischen Fragen bringen können.

Inwiefern?

Wir wollen die Rechte der nationalen Parlamente konstruktiv gegenüber der EU einsetzen und nicht konfrontativ. Mit unseren Ausschüssen, dem wissenschaftlichen Dienst und der Bundestagsverwaltung haben wir eine gute Struktur, um uns als Abgeordnete intensiv mit den europarechtlichen Fragen zu beschäftigen und dann auch unsere Stimme in Brüssel hörbar zu machen.

Wie pflegt der Unterausschuss die Kontakte zu den europäischen Institutionen, die für seine Arbeit relevant sind?

Zum einen sind wir immer wieder in Brüssel, um Gespräche mit der Kommission und mit den Kollegen im Europäischen Parlament zu führen. Zum anderen macht der Unterausschuss jedes Jahr eine Delegationsreise. 2011 waren wir beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, letztes Jahr haben wir den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg besucht, der ja ebenfalls großen Einfluss auf unsere Rechtsprechung hat. In diesem Jahr werden wir Gespräche mit der Grundrechte-Agentur in Wien führen.

Als Professor für Europarecht hatten Sie bislang vor allem einen akademisch geprägten Blick auf dieses Rechtsgebiet. Inwiefern hat sich dieser Blick durch Ihre Erfahrungen im Unterausschuss geändert?

Ich bin ja ein pragmatischer Mensch, insofern hat die Arbeit im Unterausschuss bei mir keinen Realitätsschock ausgelöst. Rechtsgestaltend tätig werden zu können, ist für einen Juristen natürlich eine der schönsten Herausforderungen. Gerade bei den vielen Sitzungen an denen man teilnimmt, bekommt man einen noch tieferen Einblick in die Abläufe europäischer und nationaler Rechtssetzung – viel vertiefter, als man dies ausschließlich in der Lehre erfahren kann. Und das empfinde ich als eine große Bereicherung.

(nal/02.05.2013)

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