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Europäische Union

Strässer kann sich mit Resolution nicht durchsetzen

Gebäude des Europarates

(Europarat)

Nach einer mehrstündigen Redeschlacht hat es die Parlamentarische Versammlung des Europarats bei ihrer Wintersession in Straßburg mit 125 gegen 79 Stimmen abgelehnt, die Freilassung politischer Gefangener in Aserbaidschan zu verlangen. Ein vom deutschen Berichterstatter Christoph Strässer vorgelegter Resolutionsentwurf mit dieser Forderung hatte die Inhaftierung von rund 50 Bürgerrechtlern, Demonstranten, Oppositionspolitikern, Journalisten und Internet-Bloggern aus politischen Gründen in dem Land am Kaspischen Meer kritisiert.

„Schwere Niederlage“

Nach der Abstimmung am Mittwochabend, 23. Januar 2013, sprach der SPD-Bundestagsabgeordnete vor Journalisten von einer „schweren Niederlage“ – für ihn selbst als Berichterstatter, für die Volksvertretung des Staatenbunds und vor allem für die politischen Gefangenen in Aserbaidschan. 

Während der Plenardebatte hatte Strässer vergeblich argumentiert, der Europarat müsse sich auch für Inhaftierte einsetzen, die anders als etwa Michail Chodorkowski und Pussy Riot in Russland oder Julia Timoschenko in der Ukraine keine prominenten Namen hätten.

Missstände in Aserbaidschan moniert

Verabschiedet wurde vom Straßburger Parlament eine Resolution des sogenannten „Monitoring“-Ausschusses, der in einem allgemeinen Sinne demokratisch-rechtsstaatliche Missstände in Aserbaidschan moniert, etwa die Missachtung von Grundrechten wie der Meinungs-, Demonstrations- und Religionsfreiheit, Misshandlungen von Bürgern durch die Polizei oder die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz.

Auch das Problem der politischen Gefangenen wird in der Entschließung erwähnt. Solche Vorwürfe müssten näher untersucht werden, heißt es dazu. Der Bericht dieses Gremiums, das die Beachtung der rechtsstaatlichen Standards des Europarats in dessen 47 Mitgliedsnationen überprüft, ruft die Regierung in Baku zu Reformen auf, um den Normen des Europarats besser gerecht zu werden.

Zwei festgefügte Stimmblöcke

Strässers weitergehender Vorstoß mit der konkreten Forderung nach Freilassung namentlich benannter Häftlinge scheiterte jedoch an dem von den aserbaidschanischen Vertretern organisierten Widerstand im Parlament. Schon während der vierjährigen Arbeit Strässers, dessen Mandat als Berichterstatter mit der Abstimmungsniederlage beendet wurde, hatte Baku hinter den Kulissen des Palais de l'Europe massiv lobbyiert.

Strässer wurde sogar die Einreise verweigert, um zur Lage politischer Gefangener vor Ort zu recherchieren. Am Mittwoch hatte sich schon vor dem Schlussvotum bei der Diskussion über Änderungsanträge zu Details des Resolutionsentwurfs gezeigt, dass sich zwei festgefügte Stimmblöcke gegenüberstehen.

Zweifel an Strässers Zahlen

Mehrfach während der Debatte bestritt der aserbaidschanische Delegationsleiter Samad Seydow kategorisch die Existenz politischer Häftlinge in seinem Land. Solche Vorwürfe seien „lächerlich“. Auch Abgeordnete aus anderen Staaten zweifelten Strässers Zahlen an.

Der Spanier Pedro Agramunt, Berichterstatter des „Monitoring“-Ausschusses, griff Strässer direkt an und behauptete, am Kaspischen Meer gebe es bis auf einen Fall keine politischen Gefangenen mehr. Kritisiert wurden mehrfach auch die Kriterien des SPD-Parlamentariers zur Definition solcher Häftlinge.

„Höhepunkt einer Kampagne“

Der Russe Robert Schlegel sagte, nach diesen Maßstäben könne sich künftig „jeder Drogendealer und jeder Terrorist zum politischen Gefangenen erklären“. Andere Delegierte unterstellten Strässer, er stilisiere auch Leute, die das islamische Scharia-Recht in Aserbaidschan einführen wollten, zu politischen Häftlingen. Mehrere Redner verlangten, nicht ein einzelnes Land anzuprangern, sondern das Problem politischer Gefangener in allen Europaratsnationen zu untersuchen.

Nach dem hitzigen Schlagabtausch bezeichnete Strässer vor den Journalisten die Abstimmungsniederlage als „Höhepunkt einer Kampagne, die seit vier Jahren gegen mich läuft“. Er zeigte sich „entsetzt“ über Teile der Diskussion. Vehement wies er den Vorwurf zurück, er unterstütze Terroristen oder befürworte die Scharia.

Schützenhilfe für Strässer

Im Plenum verteidigte der Berichterstatter seinen Bericht als „gut recherchiert“, auch amnesty international unterstütze seine Kritik an Baku. Die von ihm angelegten Kriterien für politische Gefangene seien zuvor vom Europaratsparlament beschlossen worden. Es sei „seltsam“, ihm fehlende Recherchen vor Ort vorzuhalten, wo ihm doch die Einreise nach Afghanistan verweigert worden sei.

Auch Strässer bekam im Plenum Schützenhilfe von zahlreichen Rednern. Die Bundestagsabgeordnete Marina Schuster (FDP) betonte, das Straßburger Abgeordnetenhaus dürfe es in Zukunft nicht mehr dulden, „dass seinen Berichterstattern die Einreise verwehrt wird“.

„Taktik der Drehtürpolitik“

Viola von Cramon-Taubadel (Bündnis 90/Die Grünen), die beim Europarat der sozialistischen Fraktion angehört, warf Baku eine „Taktik der Drehtürpolitik“ vor: Man entlasse unter internationalem Beifall zuweilen im Rahmen einer Amnestie einige politische Gefangene, „doch dann werden andere neu eingesperrt“. 

Die Liberale Anne Brasseur aus Luxemburg kritisierte den von Baku auf Kritiker beim Europarat ausgeübten massiven Druck: „Das ist nicht hinnehmbar.“

„Im Dialog auf Fortschritte dringen“

Die Liechtensteiner Konservative Renate Wohlwend nahm den Spanier Agramunt wegen seiner Attacke auf Strässer ins Visier: „Ich finde es unmöglich, was Sie sich geleistet haben.“

Die Bundestagsabgeordnete Katrin Werner (Die Linke) erklärte, man solle vor allem im Dialog mit Aserbaidschan auf Fortschritte dringen. (kos/24.01.2013)

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