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Europäische Union

„Der Zug ist noch nicht abgefahren“

Joachim Hörster (CDU/CSU)

(Europarat)

Aus Sicht Joachim Hörsters (CDU/CSU) ist es nicht ausgemacht, dass sich in arabischen Ländern im Verlauf der Umwälzungen religiös-konservative Kräfte durchsetzen werden. Der Abgeordnete weist als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Interview darauf hin, dass etwa in Ägypten die Bevölkerung gegen neue autokratische Tendenzen rebelliere. Wenn sich in diesen Staaten echte Demokratien entwickelten, so der Vorsitzende der deutsch-arabischen Parlamentariergruppe im Bundestag, müsse es auch nicht zu neuen Bedrohungen Israels kommen. Die Lage in Syrien und Nordafrika gehört zu den Schwerpunkten der Wintertagung des OSZE-Parlaments am 21. und 22. Februar 2013 in Wien. Das Interview im Wortlaut:


Herr Hörster, warum befasst sich das Parlament der OSZE überhaupt mit der kritischen Lage in den arabischen Ländern? Die OSZE ist doch im Kern eine europäische Einrichtung und keine Organisation des Nahen Ostens.

Das ist richtig, doch mehrere OSZE-Mitgliedstaaten sind Nachbarn von arabischen Ländern, und deren Probleme könnten über die Grenzen schwappen. Man denke etwa an die Türkei, die an das vom Bürgerkrieg erschütterte Syrien angrenzt. Flüchtlingsströme aus Nordafrika, ein anderes Beispiel, machen südeuropäischen Mittelmeeranrainern zu schaffen. Insofern muss die OSZE an politischer Stabilität in Nachbarschaftsregionen interessiert sein. Nicht zu vergessen ist, dass auch die USA und mehrere zentralasiatische Staaten zur OSZE gehören.

Welche politischen Ziele verfolgen die OSZE-Abgeordneten im arabischen Raum? Hat die Versammlung die Kompetenz und die Macht, etwa in Syrien eine friedliche Konfliktlösung auf den Weg zu bringen?

Einen direkten Einfluss in arabischen Ländern wie beispielsweise Syrien haben die OSZE-Parlamentarier nicht. Wir analysieren die Ursachen der Konflikte, betrachten die Folgewirkungen und debattieren Konzepte für eine friedliche Entwicklung in der arabischen Region. Die Mitglieder unserer Versammlung können in ihren Heimatländern Parlamente und Regierungen mit diesen Ideen konfrontieren und dazu bewegen, ihrerseits konstruktive Initiativen in arabischen Staaten zu ergreifen.

Vor dem arabischen Frühling haben die diktatorischen arabischen Regimes gegenüber Israel überwiegend zurückhaltend agiert. Jetzt aber scheinen feindselige Tendenzen gegenüber Israel stärker zu werden, man denke an die Moslembrüder in Ägypten oder an islamistische Kämpfer in Syrien. Drohen neue Gefahren für den Nahost-Frieden?

Nun, Frieden hat nie wirklich existiert, im Prinzip galt ein Waffenstillstand. Auch haben die arabischen Regierungen das Existenzrecht Israels nicht mehr in Frage gestellt. Ich warne allerdings seit Langem vor dem Glauben, ein Friedensschluss werde eher möglich sein, wenn in den arabischen Staaten Demokratie herrscht. Dort hat die Straße schon immer anders gedacht als die Potentaten. Die Umwälzungen in diesen Ländern müssen jedoch nicht zwangsläufig die Lage im Nahen Osten destabilisieren und Israel gefährden. Wenn es sich um echte Demokratien auf parlamentarischer, rechtsstaatlicher und pluralistischer Basis handelt, muss es nicht zu solch bedrohlichen Entwicklungen kommen.

Ägypten zeigt aber beispielhaft, dass aus der Revolution offenbar nicht liberale, sondern konservative Kräfte als Sieger hervorgehen. In Tunesien wurde jüngst sogar ein Oppositionsführer erschossen. Ist der Zug in Richtung Islamismus abgefahren?

Nein, der Zug ist noch nicht abgefahren. Die alten Regimes waren häufig sehr korrupt und haben sich enorm bereichert. Widerstand haben vor allem religiös-konservative Kräfte wie die Moslembrüder im Untergrund geleistet, oft wurden sie brutal verfolgt. Bei den ersten Wahlen nach den Umstürzen galten diese Leute bei vielen Bürgern als sauber und nicht belastet. Jetzt aber gehen religiös-konservative Politiker daran, ihrerseits autokratische Regime zu errichten, etwa in Ägypten. Und dagegen rebelliert wiederum die Bevölkerung. Es ist durchaus offen, in welche Richtung die arabischen Staaten gehen werden.

Welche Strategie verfolgt das OSZE-Parlament? Soll die liberale Opposition mehr unterstützt werden? Oder will man mit den Konservativen kooperieren, um auf dieses Spektrum mäßigend Einfluss zu nehmen?

Wir sollten uns auf jene Kräfte konzentrieren, die für eine tolerante Demokratie eintreten. Die Kontakte zu diesem Lager sollten wir pflegen und ausbauen, um unsere Unterstützung zu bekunden. Dabei muss man gewisse Besonderheiten der arabischen Tradition akzeptieren, etwa im Familienrecht, da werden erst nach und nach Änderungen eintreten. Jenseits der offiziellen Tagesordnung sollten wir im Übrigen das Forum unserer OSZE-Versammlung nutzen, um ernsthafte Gespräche mit den russischen Abgeordneten zu führen und für eine Unterstützung der syrischen Opposition durch den Kreml zu werben.

Was können die OSZE-Parlamentarier praktisch tun, um in arabischen Staaten parlamentarisch-rechtsstaatliche Entwicklungen zu fördern?

Direkt können wir vor Ort kaum aktiv werden, dem Europarat bieten sich mehr Möglichkeiten. Die OSZE-Abgeordneten müssen eher den Weg über ihre heimischen Regierungen gehen. Konkret helfen könnte die OSZE durch die Entsendung von Wahlbeobachtern. Doch da wird die Organisation derzeit durch einen unseligen Grundsatzstreit über die Zukunft der Wahlbeobachtung blockiert.

(kos/14.02.2013)

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