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Parlament

„Hier kann die Kanzlerin für Roma-Rechte eintreten“

Ulla Jelpke (Die Linke)

Ulla Jelpke (Die Linke) (© DBT/Melde)

Begrenzung von Manager-Vergütungen, Zukunft des Energie- und Klimafonds, Steuermehraufkommen aus der „kalten Progression“ – nur drei von vielen unterschiedlichen Themen, zu denen die Abgeordneten insgesamt 68 Fragen für die Fragestunde des Bundestages (17/13045) am Mittwoch, 17. April 2013, ab 13 Uhr eingereicht haben. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, will dann erfahren, weshalb die Bundesregierung das seit 2008 laufende ESF-Bundesprogramm zur Arbeitsmarktintegration von Bleibeberechtigten und Flüchtlingen einstellen will. Warum sie dies für einen Fehler hält und eine Fortführung des Programms fordert, erklärt die Abgeordnete im Interview:


Frau Jelpke, das Bundesarbeitsministerium hat erklärt, das Programm werde zum Jahresende eingestellt, weil Gelder aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF), mit denen es zum Teil finanziert wurde, zusammengestrichen werden. Sie geben sich mit dieser Antwort nicht zufrieden und haken nach. Weshalb?

Für Flüchtlinge bestehen in Deutschland extrem hohe Hürden, Arbeit zu finden oder eine Ausbildung zu machen. Als Asylsuchende oder Geduldete dürfen sie zunächst gar nicht arbeiten, später dann haben sie nur einen so genannten nachrangigen Arbeitsmarktzugang. Das bedeutet, dass sie für eine offene Stelle nur zugelassen werden, wenn sonst kein Deutscher oder EU-Bürger zur Verfügung steht. Gleichzeitig wird von den Betroffenen aber gefordert, sich zu integrieren. Die Sonntagsreden über Integration und der reale Umgang mit den Menschen stehen in einem eklatanten Widerspruch. Deshalb fordere ich, das Programm notfalls auch ohne die EU-Mittel fortzuführen.

Sie fragen vor allem im Hinblick auf die Gruppe der Roma nach, die laut einer Evaluation besonders stark von dem Programm profitieren konnte. Warum?

Eine Zielgruppe des Programms sind Geduldete oder vorläufig Bleibeberechtigte, die nur dann eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, wenn sie ihren eigenen Lebensunterhalt sichern können. Darunter sind besonders viele Roma aus dem Kosovo, die schon lange in Deutschland leben und deren Kinder meist hier geboren sind. Aufgrund ihres unsicheren Aufenthaltsstatus haben sie aber schlechte Chancen – wer will schon jemandem eine Arbeit oder einen Ausbildungsplatz geben, der vielleicht bald abgeschoben wird? Zugleich besteht für diese Gruppe kein anderes Instrument zur Arbeitsförderung, weil sie ja nur geduldet sind. Der Fortbestand des Programms könnte das zumindest ein wenig ausgleichen. Hier kann die Kanzlerin ihr Versprechen einlösen, für die Rechte von Roma eintreten zu wollen.

Ärgert Sie es, wenn ein Programm – und mit ihm eine Förderstruktur – vor dem Aus steht, das offenbar erfolgreich war? Fast die Hälfte der Teilnehmenden konnten auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden.

Ja, das ärgert mich ungemein. Für diese Menschen geht es ja nicht nur um eine Jobvermittlung, sie brauchen ein Bündel von Hilfsangeboten. Sie haben eine jahrelange Isolation in Sammelunterkünften hinter sich, in denen sie keinerlei Zugang zu Sprachkursen hatten. Die Residenzpflicht zwang sie, sich nur in ihrer Stadt oder ihrem Landkreis zu bewegen. Eine Beschäftigung aufzunehmen, war zudem mit hohen bürokratischen Hürden verbunden. Dass das Programm so erfolgreich war, zeigt den Willen der Betroffenen, gegen alle Widerstände auf eigenen Beinen zu stehen. Das sollten sich vor allem diejenigen durch den Kopf gehen lassen, die in Asylsuchenden immer nur Sozialschmarotzer sehen wollen.

Die Bundesregierung hat erklärt, sie habe ein anderes Programm in Planung. Warum ist es aus Ihrer Sicht keine Alternative zu der bisherigen Förderung?

Dieses neue Programm hat einen wesentlich engeren Fokus. Viele Ausländer und auch Flüchtlinge in Deutschland haben Berufsabschlüsse, die sich nicht eins zu eins auf deutsche Verhältnisse übertragen lassen. Mit diesem Programm sollen sie sich zwar leichter nachqualifizieren können, um dann als Fachkräfte zur Verfügung zu stehen. Doch damit fallen junge Erwachsene – bislang ein Viertel der Programmteilnehmer – schon mal ganz raus. Und auch die Roma, die häufig in ihren Herkunftsländern gar keinen Zugang zu Schule und Ausbildung haben, können von diesem Programm nicht profitieren. Es handelt sich zudem nicht um ein Programm, das speziell auf die Bedürfnisse von Flüchtlingen abzielt. Meiner Meinung nach könnten das neue Programm und das bisherige ESF-Bundesprogramm gut nebeneinander bestehen. Ersetzen aber kann das eine das andere nicht.

(sas/16.04.2013)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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