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Entwicklung

Heftiger Schlagabtausch zu Niebels Entwicklungspolitik

Opposition und Koalition haben sich in der Debatte zur Bilanz der Entwicklungspolitik der Bundesregierung einen heftigen Schlagabtausch geliefert: Während Vertreter von Union und FDP für sich reklamierten, mehr Stringenz und Effizienz, mehr „Sichtbarkeit“ und „Wirksamkeit“ in die Entwicklungszusammenarbeit gebracht zu haben, zielte die Kritik der Opposition insbesondere auf den Ressortchef Dirk Niebel (FDP): Dieser verwechsle Entwicklungspolitik mit Außenwirtschaftsförderung und betrachte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) häufig als Versorgungsanstalt für Parteifreunde. Grundlage der anderthalbstündigen Debatte am Freitag, 26. April 2013, war das als Unterrichtung vorliegende „Weißbuch“ – der „Vierzehnte Bericht zur Entwicklungspolitik“ (17/13100), in dem die Bundesregierung eine Bilanz der vergangenen vier Jahre für diesen Politikbereich vornimmt.

Minister: Enormen Reformstau abgebaut

Minister Dirk Niebel sprach zum Auftakt der Debatte von „vier guten Jahren in der Entwicklungspolitik für Deutschland und unsere Partner in der Welt“. Diese Koalition hätten einen „enormen Reformstau“ abzubauen gehabt, „und das ist uns gelungen“. Mit der Fusion der ehemaligen Vorfeldorganisationen GTZ, InWEnt und DED zur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sei die „größte Strukturreform in 51 Jahren“ gelungen, mit der die politische Steuerungsfähigkeit zurückgewonnen werden konnte.

An diesem Vorhaben seien drei Vorgängerregierungen gescheitert, sagte Niebel. Auch kleinere institutionelle Reformen und Veränderungen hätten zum Erfolg beigetragen: Niebel verwies unter anderem auf die „Engagement Global“ als Anlaufstelle für die Zivilgesellschaft, die Neuausrichtung der Zusammenarbeit mit Schwellenländern mit mehr marktwirtschaftliche Instrumentarien sowie auf einen vernetzten und ressortübergreifenden Ansatz für den Umgang mit fragilen Staaten.

„Zusammenarbeit mit der Wirtschaft entkrampft“

Als wesentliche Neuerung hob Niebel die Einrichtung eines unabhängigen „Evaluierungsinstituts“ hervor, das Projekte der Entwicklungszusammenarbeit auf ihre Wirksamkeit prüft: „Wir haben den Mut als Bundesregierung, uns in unserem Handeln überprüfen zu lassen und besser zu werden“, sagte Niebel. Zudem sei die Zusammenarbeit mit Wirtschaft „entkrampft“ worden.

Entwicklungspolitik sei werte- und zugleich interessenbasiert. „Wir haben heute den Mut zu sagen, dass wir Interessen haben.“ Das sei früher nicht so gewesen, sagte Niebel und fragte: „Wer sollte ein besserer Partner für Entwicklung sein als die deutsche, insbesondere die mittelständische Wirtschaft?“

SPD: Sie wollen überall deutsche Fähnchen sehen

Sascha Raabe (SPD) nannte Niebel „den mit Abstand schlechtesten Entwicklungsminister, den diese Land je hatte“. Deutschland wende heute 0,38 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit auf. Wenn Niebel im Weißbuch sich weiterhin zum Millenniumsziel bekenne, diesen Anteil bis 2015 auf 0,7 Prozent zu erhöhen, dann sei das einfach unglaubwürdig: „Sie tarnen, tricksen, täuschen, und das ist unanständig“, sagte Raabe.

Auch mit der von Niebel vorgetragenen Erhöhung von Wirksamkeit und Transparenz sei es nicht weit her. „Sie machen reine deutsche Außenwirtschaftsförderung, Sie wollen überall deutsche Fähnchen sehen“, kritisierte Raabe. Entwicklungspolitik habe sich jedoch stets an den „Ärmsten der Armen“ zu orientieren.

In einem Punkt gestand Raabe dem Minister durchschlagenden Erfolg zu: Niebel habe es mit „Rigorosität“ geschafft, Parteifreunde in leitenden Positionen des Ministeriums und der GIZ unterzubringen und die neugeschaffene Abteilung „Planung und Kommunikation“ zu einer Wahlkampfzentrale der FDP auszubauen. Niebels Bilanz jedoch seien nicht „Spuren im Sand“, sondern „eine alberne Militärmütze und ein fliegender Teppich, und das werden wir nicht vermissen“, sagte Raabe.

CDU/CSU: Gelder zielgerichtet eingesetzt

Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) warf Raabe daraufhin vor, mit seinem Debattenbeitrag ein „Armutszeugnis“ abgelegt zu haben. Von der SPD komme offenbar nichts anderes als Polemik. Wenn das der Beitrag zur Entwicklungspolitik sei, dann könne man froh sein, dass das BMZ nicht in der Hand der Sozialdemokraten sei, sagte Pfeiffer. „Wir sind einen richtig guten Weg gegangen“ – von einer teils unkoordinierten Entwicklungspolitik ohne Konditionen zu mehr Kooperation und Absprachen mit den Partnerländern.

„Entwicklungspolitik ist keine Spielwiese für Weltverbesserung, sondern effektive Hilfe zur Selbsthilfe“, sagte Pfeiffer. Entwicklungspolitik sei auch keine Selbstbeschäftigung von Nichtregierungsorganisationen, sondern diene wichtigen globale Aufgaben wie der Konfliktprävention, der Verhinderung von Extremismus und Terror. Und auch wenn Deutschland das 0,7- Prozent-Ziel bisher nicht erreicht habe, so hätten sich die jährlichen Mittel seit Amtsantritt der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) um zwei Milliarden Euro erhöht. „Wir haben diese Gelder zielgerichtet, sorgfältig und nachhaltig eingesetzt“, sagte Peiffer.

Linke: Die Ursachen der Armut bekämpfen

Heike Hänsel (Die Linke) sah das anders: „Sie stehen für eine Politik, die Entwicklung verhindert“, sagte sie an die Adresse des Ministers. Niebel stehe für deutsche Wirtschaftsinteressen und für Freihandelsabkommen, die die Existenzgrundlage eben jener Menschen zerstöre, die dann mit den Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt werden müssen. „Wir brauchen aber eine Bekämpfung der Ursachen von Armut“, sagte Hänsel.

Sie verwies zudem darauf, dass es Niebel gewesen sei, der sich „bis zum Schluss“ gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer gewehrt habe. Hänsel monierte auch eine Bedienung der Interessen der deutschen Industrie: So treibe die Bundesregierung die enge Verzahnung von Rohstoff- und Entwicklungspolitik voran. Beim BMZ gebe es jetzt eigens eine „Rohstoff-Sonderbeauftragte“: „Warum haben wir keinen Sonderbeauftragten, der die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandard deutscher Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern kontrolliert?“, fragte Hänsel.

Grüne: Lücke zwischen Selbstdarstellung und Wirklichkeit

Ute Koczy (Bündnis 90/Die Grünen) nannte das Weißbuch einen „Augenöffner“: „Selten klaffen Selbstdarstellung und Wirklichkeit so weit auseinander.“ Niebel spreche häufig wie ein Vorstandsvorsitzender und habe den Auftrag eines Entwicklungsministers falsch verstanden. Er habe es vor allem versäumt, sich zum Fürsprecher einer Politik zu machen, die auf die „katastrophalen Folgen“ eines ungebrochenen Wachstumsglauben des „immer mehr“ hinweist. „Das Experiment Generalsekretär wird Entwicklungsminister, ist gescheitert“, konstatierte Koczy.

Vieles von dem, was Niebel als neu anpreise, habe bereits vor seiner Zeit im Ressort stattgefunden: Etwa das Anliegen, die Wirtschaft zu überzeugen, sich in Entwicklungsländern zu engagieren. Der neue BMZ-„Menschenrechts-TÜV“ tauche vor allem bei Projekten in kleineren Ländern auf, während die Bundesregierung keine Probleme damit hätte, Panzerexporte nach Saudi-Arabien zu genehmigen und Rohstoffpartnerschaften mit Ländern wie Kasachstan einzugehen.

Selbst die Strukturreform sei in Wahrheit nur die „kleine Lösung“, sagte Koczy. Die neugeschaffene GIZ löse nicht „das Kernproblem“, dass Technische und Finanzielle Entwicklungszusammenarbeit nach wie vor getrennt seien.

FDP: Entwicklungspolitik hat an Effizienz gewonnen

Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) nannte es „beschämend“, wie sich die Opposition am Thema abarbeite, statt eigene Konzepte vorzulegen. Die FDP stehe für eine „effiziente Entwicklungspolitik, die werte- und interessengeleitet ist“. Mit der Neuausrichtung habe die Entwicklungspolitik an Effizienz gewonnen, ihre Wirksamkeit sei gesteigert und ihre Sichtbarkeit erhöht worden.

Dass Niebel und die Koalition mit diesem Kurs nicht falsch lägen, zeige sich unter anderem auch darin, dass europäische und internationale Partner dem deutschen Beispiel gefolgt seien – etwa bei strengeren Maßstäben und Konditionen bei der Vergabe von Budgethilfen. Der Einwand der Opposition, dass in der Entwicklungszusammenarbeit die Wirtschaft nicht alles sei, sei richtig, sagte Ratjen-Damerau: „Aber ohne Entwicklung der Wirtschaft ist alles nichts.“ (ahe/26.04.2013)

 

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