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Finanzen

Experten uneins über Bankenaufsicht durch die EZB

Die Schaffung einer einheitlichen europäischen Bankenaufsicht ist von den Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Vorsitz von Dr. Birgit Reinemund (FDP) am Montag, 3. Juni 2013, höchst unterschiedlich beurteilt worden. Auch gab es Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Vorhabens. Grundlage der Anhörung war ein von CDU/CSU und FDP eingebrachter Gesetzentwurf zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (17/13470). Ziel ist, dass bisher national wahrgenommene Aufgaben der Bankenaufsicht in Zukunft von der Europäischen Zentralbank (EZB) übernommen werden sollen.

Deutsche Bank hält gemeinsame Aufsicht für sinnvoll

Mit dem Entwurf soll die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der deutsche Vertreter im Europäischen Rat zum Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (SSM-Verordnung) in der Fassung vom 16. April 2013 (Ratsdokument 7776/1/13 REV 1) seine förmliche Zustimmung erteilen darf.

Die Deutsche Bundesbank begrüßte in ihrer Stellungnahme die gemeinsame Aufsicht: „Sie ist mit Blick auf die ausgeprägten Verflechtungen europäischer Kreditinstitute und die länderübergreifenden Wirkungen von Bankenkrisen sinnvoll.“ Allerdings verlangte die Bundesbank auch, dass geldpolitische und Aufsichtsfunktionen „strikt getrennt und die Unabhängigkeit der EZB und ihrer Entscheidungsgremien zweifelfrei gewährleistet werden“.

Kreditwirtschaft vermisst parlamentarische Kontrolle

In diese Richtung argumentierten auch andere Sachverständige in ihren Stellungnahmen. Die Deutsche Kreditwirtschaft, der Zusammenschluss der Bankenverbände, sah ebenfalls den Bedarf „einer klareren Trennung, die sich insbesondere in der organisatorischen und personellen Aufstellung sowie den jeweiligen Befugnissen und Entscheidungsstrukturen innerhalb der EZB niederschlagen muss“. Sie vermisste außerdem parlamentarische Kontrolle für die Aufsicht.

Der Verband der Auslandsbanken sah seinen Wunsch nach einheitlicher Aufsicht erfüllt und äußerte die Erwartung, dass die EZB in der Lage sein werde, „nationale Interessenkonflikte konstruktiven Lösungen zuzuführen“.

„Geldpolitik und Aufsicht strikt trennen“

Das Thema Unabhängigkeit der EZB betrachteten auch andere Sachverständige: „Eine Bankenaufsicht bei der EZB darf keine Einflussmöglichkeiten auf die Geldpolitik haben, genauso wenig wie die Geldpolitik Einfluss auf die die Bankenaufsicht haben darf“, argumentierte Prof. Dr. Jörg Rocholl von der European School of Management and Technology in Berlin.

Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels von der Universität zu Köln bezweifelte, dass die in der Verordnung vorgesehenen Vorkehrungen „ausreichen, um eine strikte Trennung der Aufgaben in der Geldpolitik von der Bankenaufsicht zu gewährleisten“. Grundsätzlich sei die Schaffung einer europäischen Bankenaufsicht jedoch zu begrüßen.

„Bankenunion sinnvoll“

Als Beispiel für eine ungenügende Trennung nannte Prof. Dr. Claudia Buch vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle, dass die EZB davor zurückschrecken könnte, „eine aus Sicht der Geldpolitik gebotene Zinserhöhung vorzunehmen, weil sich hierdurch die finanzielle Lage der von ihr beaufsichtigten Institute verschlechtern würde“.

Insgesamt bezeichnete Buch eine Bankenunion als sinnvoll. Die gemeinsame Aufsicht bei der EZB bleibe ein unbefriedigender Kompromiss und sei nur ein erster Schritt, dem die nötigen institutionellen Änderungen hin zu einer Bankenunion folgen müssten.

„Ein Gesetz ist notwendig“

Zu den verfassungsrechtlichen Fragen sagte Prof. Dr. Rainer Wernsmann von der Universität Passau, schon der Wortlaut der Lissabon-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeige, dass ein Gesetz notwendig sei. Hartmann-Wendels erklärte, da die Übertragung der Kompetenzen auf dünnem Eis stehe, sei es sinnvoll, dass der Bundestag zustimme.

Dagegen bezeichnete Prof. Dr. Franz C. Mayer von der Universität Bielefeld das Zustimmungsgesetz als „bereits in formaler Hinsicht verfassungswidrig“. Eine unzureichende Kompetenzgrundlage auf europäischer Ebene könne auf keinen Fall durch ein Zustimmungsgesetz nach Artikel 23 Absatz 1 des Grundgesetzes in irgendeiner Form „geheilt“ werden.

„Sehr sonderbare Machtverhältnisse“

Professor Dr. Paul Welfens von der Bergischen Universität Wuppertal warnte davor, sich durch Übertragung der Aufgaben auf die EZB in ein „großes Risiko“ zu begeben. In seiner Stellungnahme verwies er auf die Zusammensetzung der EZB-Gremien, die nach dem Prinzip „ein Land eine Stimme“ erfolgen solle. Das seien „sehr sonderbare Machtverhältnisse“.

In seiner Stellungnahme schrieb Welfens: „Es besteht das Risiko, dass die Bevölkerungsmehrheit beziehungsweise der ökonomisch größere Teil der Eurozone von einer Stimmenmehrheit kleiner Länder im Fall einer Bankenkrise in den kleineren Ländern ausgebeutet wird; zugleich besteht umgekehrt auch die Gefahr, dass Kosten von Bankenkrisen in großen Ländern faktisch auf die kleineren Länder abgewälzt werden.“

„Gemeinsame Bankenaufsicht könnte Kosten reduzieren“

Zufrieden mit dem Entwurf zeigte sich Dr. Guntram B. Wolff vom Bruegel ThinkTank, der Zustimmung zu dem Gesetzentwurf empfahl: „Die gemeinsame Bankenaufsicht ist von zentraler Bedeutung für die Bankenunion, welche als notwendig für die Stabilität des Euroraums eingeschätzt wird. Eine gemeinsame Aufsicht kann auch dazu beitragen, die aus Bankenkrisen resultierenden Kosten für den Steuerzahler zu reduzieren.“

Bedenken wegen der Trennung von Geldpolitik und Aufsicht, der Interessen der Länder außerhalb des Euroraums und des Subsidiaritätsprinzips bei der Aufsicht kleiner Institute seien zufriedenstellend berücksichtigt worden, „sodass empfohlen wird, zügig zuzustimmen“.

„Finanzmärkte bändigen“

Wie die Koalitionsfraktionen in der Begründung des Gesetzentwurfs erläutern, konzentriert sich die direkte EZB-Aufsicht auf „bedeutende“ Kreditinstitute der teilnehmenden Länder. Kreditinstitute oder Konzerne mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro oder mehr als 20 Prozent des Bruttoninlandsprodukts eines Mitgliedslandes gelten grundsätzlich als bedeutend.

In der Anhörung ging es auch um einen gemeinsamen Antrag von SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/11878), die einen „neuen Anlauf zur Bändigung der Finanzmärkte“ fordern. Verlangt wird die Schaffung einer starken europäischen Bankenunion. (hle/03.06.2013)

Liste der geladenen Sachverständigen
  • Prof. Dr. Claudia M. Buch, Institut für Wirtschaftsforschung Halle an der Saale
  • Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
  • Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
  • Deutsche Bundesbank
  • Deutscher Industrie und Handelskammertag e. V.
  • Deutscher Sparkassen- und Giroverband e. V.
  • Die Deutsche Kreditwirtschaft
  • Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV)
  • Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels, Universität zu Köln
  • Prof. Dr. Martin Hellwig, Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern
  • Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW)
  • Prof. Dr. Franz C. Mayer, Universität Bielefeld
  • Wolfgang Münchau, Eurointelligence Limited
  • Prof. Dr. Dr. h.c. Ingolf Pernice, Walter-Hallstein-Institut für europäisches Verfassungsrecht der Humboldt-Universität zu Berlin
  • Prof. Dr. Jörg Rocholl, European School of Management and Technology
  • Verband der Auslandsbanken in Deutschland e. V. (VAB)
  • Prof. Dr. Paul J.J. Welfens, Bergische Universität Wuppertal
  • Prof. Dr. Rainer Wernsmann, Universität Passau
  • Dr. Guntram B. Wolff, Deputy Director, Bruegel

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