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Recht

Staatsrechtler kritisiert jüngste Wahlrechtsnovelle

Bundestagspräsident Norbert Lammert (Mitte) eröffnet eine Juristen-Kommission.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (Mitte) eröffnet eine Juristen-Kommission. (© DBT/Melde)

Wie geht es weiter mit dem Wahlrecht zum Deutschen Bundestag? Werden sich die neu gewählten Abgeordneten nach der Bundestagswahl im September das Bundeswahlgesetz wieder vornehmen müssen? Erst im Mai hatte das Gesetz seine derzeit gültige Fassung erhalten, da das Bundesverfassungsgericht Kernpunkte der Reform von 2011 für verfassungswidrig erklärt hatte. Auch die jüngste Wahlrechtsnovelle werde „keinen langen Bestand“ haben, prophezeite der Staatsrechtler Hans Meyer am vergangenen Freitag, 14. Juni 2013, auf einer Tagung im Bundestag, zu der die Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission eingeladen hatte. Allein die „zu erwartende Aufblähung des Bundestages vereint mit der gesetzestechnischen Miserabilität der Novelle“, die das Karlsruher Gebot einer klaren Regelung „gröblich missachtet“, werde dem neugewählten Bundestag Anlass zur Korrektur geben, erwartet Meyer.

„Die Quadratur des Kreises“

Die so gescholtenen Gesetzgeber widersprachen in mehrfacher Hinsicht. Der Präsident des Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert, betonte, nirgendwo gebe es das perfekte Wahlsystem. „Aber nirgendwo wird die Diskussion darüber gründlicher geführt als in Deutschland.“ Jede Lösung laufe auf die Quadratur des Kreises hinaus, da das Wahlrecht unterschiedliche Ziele und Prinzipen zu verbinden suche.

„Das Wahlsystem in Deutschland ist nicht rundherum konsistent – ebenso wenig wie die entsprechende Rechtsprechung des Verfassungsgerichts“, bemerkte der Bundestagspräsident. Um so beachtlicher sei, dass die neuen Regelungen im Konsens von CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen worden seien.

„Ein hochkomplexes Wahlsystem“

Ähnlich äußerten sich die Abgeordneten Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) und Dr. Stefan Ruppert (FDP). Die Fraktion Die Linke habe die Wahlrechtsreform zwar nicht mitgetragen, erhebe aber auch keine verfassungsrechtlichen Einwände. „Demnach ist der gesamte Deutsche Bundestag der Auffassung, dass die gefundene gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist“, hob Wiefelspütz hervor.

Die wiederholte höchstrichterliche Missbilligung von Wahlbestimmungen führte der Präsident des Bundesfinanzhofs, Prof. Dr. Rudolf Mellinghoff, zuvor Richter des Verfassungsgerichts und Berichterstatter für Wahlrechtsfragen, darauf zurück, dass der Gesetzgeber in dem Bestreben, „möglichst viele Wünsche zu erfüllen“, ein „hochkomplexes, sehr ausdifferenziertes Wahlsystem geschaffen hat“. Auch künftig könne es deshalb sein, dass die Wahlrechtsgesetzgebung kritisch vom Verfassungsgericht begleitet werde.

„Begeisterung für kleine Parlamente“

Ein Kernelement der jüngsten Wahlrechtsreform ist der vollständige Ausgleich von Überhangmandaten. Es könnte also theoretisch passieren, dass demnächst deutlich mehr Abgeordnete im Bundestag sitzen als jene 598 Volksvertreter, die das Wahlgesetz gegenwärtig (ohne Überhangmandate) vorsieht. Wiefelspütz und Ruppert bewerten dieses Risiko allerdings als nicht besonders hoch.

Bundestagspräsident Lammert gab außerdem zu bedenken, dass das Parlament seine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung mit ihrer hoch spezialisierten Arbeitsteilung nur wirksam wahrnehmen könne, wenn es selbst hinreichend groß sei. Dies werde in der spontanen Begeisterung von Medien und Wählern für kleine Parlamente zuweilen übersehen.

Verringerung von Wahlkreisen

Eine gesetzliche Nachjustierung wäre nach Ansicht von Wiefelspütz dann erforderlich, wenn der nächste Bundestag „mehr als 675 bis 700 Abgeordnete umfasst“. Ruppert sagte, nur für den unwahrscheinlichen Fall eines „exorbitant großen“ Bundestages nach der nächsten Wahl sei zu erwarten, dass der Gesetzgeber tätig werde.

Denn alle Fraktionen wüssten, dass die Schrumpfung ein „sehr quälender Prozess“ wäre. Als mögliche Szenarien werden eine Verkleinerung oder eine Verringerung von Wahlkreisen genannt – „äußerst schwierige Unterfangen“, wie Ruppert betonte.

Wahlrecht ins Grundgesetz

Aber sollte die prinzipielle Ausgestaltung des Wahlrechts überhaupt Sache des Gesetzgebers bleiben? Gebührt dem Wahlsystem nicht ein Platz im Grundgesetz? „Wir haben vergleichsweise drittrangige Fragen in der Verfassung geregelt“, bemerkte Lammert.

Wiefelspütz stimmte zu, dass die Grundsätze des Wahlsystems wegen ihrer Bedeutung für die Demokratie eigentlich im Grundgesetz stehen sollten. Eine entsprechende Initiative lehnte der SPD-Politiker jedoch wegen der zu erwartenden politischen Differenzen ab. Das bisherige Wahlsystem habe sich „zu 98 Prozent bewährt“. Deshalb gebe es breiten politischen Konsens, auch künftig auf systemimmanente Anpassungen zu setzen. (gel/18.06.2013)

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