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Parlament

Die Kinderrechtlerin: Marlene Rupprecht (SPD)

Marlene Rupprecht

Marlene Rupprecht (DBT/photothek.net)

Seit 17 Jahren sitzt Marlene Rupprecht im Familienausschuss des Bundestages, seit mehr als zehn Jahren ist die 65-Jährige zudem Mitglied der Kinderkommission und Kinderbeauftragte der SPD-Fraktion. Seitdem kämpft die frühere Lehrerin aus dem fränkischen Fürth unter anderem für einen wirksameren Kinderschutz und im Grundgesetz verankerte Kinderrechte. Doch nun will Rupprecht den Staffelstab abgeben und sich aus der Politik zurückziehen. Eine Entscheidung, die der engagierten Parlamentarierin nicht leicht gefallen ist.

Energisch, engagiert, durchsetzungsstark

„Sie müssten Ihre Haushälter in Grund und Boden stampfen! Dass sie Ihnen so einen Entschließungsantrag vorlegen – das darf nicht wahr sein!“ Marlene Rupprecht hat fast zwei Minuten ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag die Ruhe bewahrt, doch nun kann die rundliche Frau mit den raspelkurzen, grauen Haaren ihre Empörung nicht mehr kaschieren. Immer wieder fliegt der erhobene Zeigefinger durch die Luft, ein paar Mal scheint die geballte Faust beinahe auf das Rednerpult zu schlagen, als sie sich die Koalition zur Brust nimmt.

Der Grund für den Ausbruch der Sozialdemokratin: Nach langem Ringen um einen überfraktionellen Antrag zur Entschädigung misshandelter, ehemalige Heimkinder hat die Koalition im Juli 2011 kurz vor der Verabschiedung im Plenum einen neuen Antrag eingebracht – die zuvor gefundene Vereinbarung von Koalition, SPD und Grünen  droht zu scheitern. „Korrigieren Sie diesen Fehler“, insistiert Rupprecht energisch, „sonst können wir die Arbeit von acht Jahren in den Papierkorb schmeißen.“

„Ich wollte, dass dieses Haus Verantwortung übernimmt“

Rund zwei Jahre später sitzt die Abgeordnete zusammen mit ihrer Mitarbeiterin beim Mittagessen – Salat mit Putenstreifen – und lächelt verschmitzt: „Ja, ich kann manchmal recht drastisch sein. Ich habe auch immer schon laut und heftig diskutiert.“ Dass das Parlament schließlich doch mit großer Mehrheit den überfraktionellen Antrag beschließt und damit den Weg zur Entschädigung der Heimkinder freimacht, ist für sie ein „Lichtblick“.

Einer, zu dem es ohne sie wohl nicht gekommen wäre: „Ich wollte, dass dieses Haus Verantwortung übernimmt, auch wenn es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt“, sagt die gebürtige Schwäbin. Doch dies war ein langer Weg. Mehr als acht Jahre macht sich Rupprecht – klug, durchsetzungsstark und engagiert – hinter den Kulissen des parlamentarischen Betriebs und am Runden Tisch dafür stark, das Unrecht und die Verbrechen an Heimkindern in der frühen Bundesrepublik aufzuarbeiten. Mit Erfolg.

Demokratie und soziale Gerechtigkeit

Zur Politik ist Rupprecht dabei vergleichsweise spät gekommen: Sie arbeitet bereits als Lehrerin, ist verheiratet und Mutter einer Tochter, als sie 1983 in die SPD eintritt. Gerade deren „Ringen für Demokratie und soziale Gerechtigkeit“, sei der Grund für diesen Schritt gewesen, erklärt sie: „Für mich war ganz entscheidend, wie sich die Parteien beim Ermächtigungsgesetz verhalten haben.“ Aktiv wird Rupprecht zunächst im Ortsverein Tuchenbach, wo ihr Mann die Vereinszeitung herausgibt. „Oha, das war vielleicht ein Revoluzzerblatt“, erinnert sie sich schmunzelnd.

1990 wird sie in den Vorstand der SPD-Kreisverbands Fürth-Land gewählt: „Eigentlich habe ich immer eine Funktion bekommen, wenn der Laden am auseinanderbrechen war“, sagt sie im Rückblick. So auch hier: Nach einer verlorenen Kommunalwahl schieben sich die Mitglieder des Kreisvorstands gegenseitig die Schuld zu. Die Situation ist verfahren, keiner redet, doch Rupprecht schafft es, dass sich alle wieder an einen Tisch setzen.

Der Reiz des Aussichtslosen

„Leute zusammenbringen, wenn es schwierig ist – das kann ich gut“, sagt sie selbstbewusst. Im selben Jahr will sie für den Bundestag kandidieren, verliert aber gegen einen Gegenkandidaten. 1994 kommt dann ihre Chance: Die SPD stellt sie auf – allerdings auf Platz 30 der bayerischen Landesliste. Doch davon lässt sich Rupprecht nicht entmutigen. Gerade aussichtslose Unterfangen scheinen sie zu reizen: „In der Schule bin ich immer dann aufgewacht, wenn einer eine Aufgabe nicht lösen könnte.“ Rupprecht kämpft um das Direktmandat, erzielt landesweit eines der besten Wahlergebnisse. Trotzdem reicht es nicht für den Einzug ins Parlament. Als 1996 Peter Glotz aus dem Bundestag ausscheidet, kann sie nachrücken.

Die Fürtherin wird Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 1998 auch im Petitionsausschuss. Die „Claims“, die Aufgaben und Arbeitsbereiche, seien zu dem Zeitpunkt natürlich längst abgesteckt gewesen, erinnert sie sich. Trotzdem: Ob das Thema Heimerziehung oder der Einsatz für behinderte Kinder in Pflegefamilien – sie findet ihre Themen. Oder besser: „Eigentlich haben die Themen mich gefunden“, sagt Rupprecht, und ihre Mitarbeiterin nickt bestätigend.

Kämpferin für Kinderrechte

Rupprecht wird aktiv, selbst wenn die Lage schwierig oder sie eigentlich gar nicht zuständig ist. „Ich kann eben nicht zuschauen, wenn Menschen sich die Füße blutig laufen und nirgendwo Unterstützung bekommen.“ Verantwortung zu übernehmen ist für sie selbstverständlich: „Ich bin gewählt und habe damit eine Verantwortung, auch wenn mir die Aufgaben nicht immer gefallen“, sagt sie mit Nachdruck.

Kein Wunder, dass sich die Politikerin aus dem Fürther Umland in den 17 Jahren im Bundestag den Ruf einer kompetenten und hartnäckigen Kämpferin  erarbeitet hat – einer Kämpferin für Kinder und ihre Anliegen. Eine solche müsse man auch sein, um die Kinderpolitik voranzubringen, findet sie: „Zur Not muss man sich auch mit dem Rest der Fraktion anlegen.“ So etwa wie in der Frage der Kinderrechte: Rupprecht  würde gern das Grundgesetz dafür ändern – doch das ist selbst in ihrer Fraktion umstritten. Auch plädiert sie für einen Kinderbeauftragten des Bundestages – ohne Erfolg. Bislang jedenfalls.

Nicht nur Golf spielen

Obwohl es ihr sichtlich schwerfällt, die Themen loszulassen, wofür sie sich so lange mit Leidenschaft eingesetzt hat – für den nächsten Bundestag wird Rupprecht nicht wieder kandidieren. Sie möchte wieder mehr Freizeit haben – zum Golf spielen zum Beispiel, vor allem aber für ihren Mann, den sie oft nur an den Wochenenden sieht.

Sich aber gar nicht mehr zu engagieren, das scheint für Rupprecht unmöglich zu sein: Im Oktober 2012 hat sie den Vorsitz des Deutschen Hospiz- und Palliativ-Verbands übernommen und setzt damit eine Arbeit fort, die sie bereits im Bundestag als Vorsitzende des Interfraktionellen Gesprächskreises Hospiz und Palliativmedizin begonnen hat.

Plant sie weitere Aufgaben zu übernehmen? „Eigentlich nicht“, sagt Rupprecht, lacht und wechselt einen schuldbewussten Blick mit ihrer Mitarbeiterin, die ebenfalls zu lachen beginnt. Keine der beiden scheint solche Ankündigungen allzu ernst zu nehmen. Gut möglich also, dass sich Marlene Rupprecht erneut in die Verantwortung nehmen lässt. (sas/01.07.2013)

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