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Parlament

„Bundesregierung muss Kurskorrektur vornehmen“

Jan Korte (Die Linke)

Jan Korte (Die Linke) (Korte)

Der Kunstschatz in München-Schwabing, Lobbyismusvorwürfe gegen den früheren Staatsminister im Kanzleramt, Eckart von Klaeden, der Stand der Antisemitismusbekämpfung – 73 Fragen haben die Abgeordneten für die Fragestunde des Bundestages (18/87) am Donnerstag, 28.November 2013, eingereicht. Im Zentrum stehen vor allem die Aktivitäten US-amerikanischer und britischer Geheimdienste in Deutschland. Jan Korte, zuletzt Mitglied im Innenausschuss und Datenschutzbeauftragter der Fraktion Die Linke, will von der Bundesregierung wissen, ob Medienberichte stimmen, wonach die „Hauptstelle für Befragungswesen“ (HBW), eine Behörde, die dem Bundeskanzleramt untersteht, gemeinsam mit dem Bundesnachrichtendienst sowie amerikanischen und britischen Geheimdiensten gezielt Asylbewerber nach mutmaßlichen islamischen Terrorgruppen aushorcht. Warum er darin einen Verstoß gegen geltendes Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention sieht, erklärt der Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt im Interview:


Herr Korte, die Recherchen von Norddeutschem Rundfunk und Süddeutscher Zeitung haben eine deutsche Behörde in den Fokus gerückt, über die offenbar bislang nur wenig bekannt war. Wie viel wussten Sie als Abgeordneter über die „Hauptstelle für Befragungswesen“?

Darüber wussten wir – ich und meine Fraktionskollegen – sehr wenig. Daher ist es das große Verdienst dieser Journalisten, dass alles so geballt öffentlich wird. Jetzt gilt es, wirklich Licht ins Dunkel zu bringen. In einem demokratischen Rechtsstaat haben alle das Recht zu wissen, was auf deutschem Boden abläuft.

Sie fragen die Regierung, ob es stimmt, dass Flüchtlinge aus Somalia, Afghanistan und Syrien gezielt nach mutmaßlichen Extremisten befragt wurden. Was wäre denn eigentlich so falsch daran?

Falsch ist, dass hier eine Zwangssituation von Menschen, die aus Krisengebieten kommen und Asyl suchen, ausgenutzt wird. Die Menschen wissen doch nicht, was die Befragung bedeutet und welche Auswirkung ihre Aussagen auf ihr Asylverfahren haben werden. Außerdem: Was ist denn eigentlich, wenn der Antrag abgelehnt und die Person abgeschoben wird – ist für ihre Sicherheit im Heimatland gesorgt? Das ist alles nicht geregelt und daher sehr zweifelhaft. Die große Frage in diesem ‚Kampf gegen den Terror‘ ist doch diese: Heiligt der Zweck alle Mittel? Ich finde, alles ist massiv aus dem Lot geraten.

Der Vorwurf steht im Raum, dass Asylbewerber unter Druck gesetzt werden, damit sie kooperieren. Tun sie es, können sie offenbar mit einer schnelleren Anerkennung ihres Asylantrags rechnen. Wie glaubhaft sind Informationen, die auf solche Weise gewonnen werden?

Das ist eine sehr berechtigte Frage. Die Informationen werden ja in einer emotionalen Zwangssituation gewonnen. Die Flüchtlinge können doch gar nicht abschätzen, was es heißt, nichts zu sagen – selbst wenn sie gar keine Informationen besitzen. Sie müssen fürchten, dass Schweigen ihre Chancen schmälert, aufgenommen zu werden. Der Wert dieser Informationen muss mit einem ganz dicken Fragezeichen versehen werden – das beweist der Fall von „Curveball“.

Der aus dem Irak stammende Rafid Ahmed Alwan al-Janabi, der sich in seiner Befragung als Chemiewaffenexperte ausgab und von der Existenz mobiler Chemiewaffenlabore berichtete?

Genau, der Fall ist ein warnendes Beispiel. „Curveballs“ Informationen gab der Bundesnachrichtendienst damals an die USA weiter. Sie dienten der Bush-Regierung als Begründung für den Irakkrieg. Das Fatale war nur: Seine Informationen stellten sich später als Lügen heraus.

Unabhängig davon kritisieren Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl olche Befragungen als „Missbrauch des Asylverfahrens“. Die verdeckte Informationssammlung verstoße gegen deutsches und europäisches Asylrecht sowie gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Sehen Sie das genauso?

Ja, damit hat Pro Asyl völlig Recht.

Die Bundesregierung hat bislang eher zaghaft Fragen zur Arbeit der HBW beantwortet. Was macht Sie optimistisch, dass sie nun mitteilungsfreudiger ist?

Optimistisch bin ich nicht, eher realistisch. Wenn ich unter all diese Vorgänge mal einen Strich ziehe und gucke, was die Bundesregierung bislang überhaupt zur Aufklärung beigetragen hat, dann ist das fast gleich null. Wir bekommen doch keine Auskünfte. Für mich als Bundestagsabgeordneter ist aber die Frage ganz entscheidend, was die Bundesregierung wusste und wer eigentlich für Rechtsverstöße die politische Verantwortung übernimmt. Es ist doch bemerkenswert, dass bislang weder der zuständige Kanzleramtsminister noch die Geheimdienstchefs, geschweige denn die Kanzlerin, bereit sind, die politische Verantwortung zu übernehmen – oder wenigstens die Vorwürfe ernstzunehmen. Wenn sie das täten, würden sie für mehr Transparenz und neue Regeln sorgen.

Es besteht der Verdacht, dass Informationen von Asylbewerbern bereits für den Einsatz von Kampf-Drohnen genutzt wurden. Wenn das stimmt, was bedeutet das? Welche Konsequenzen fordern Sie?

Das macht die Sache natürlich noch schlimmer. Das Kernproblem ist aber, dass die Bundesregierung die erweiterten Geheimdienstbefugnisse und die Zusammenarbeit mit britischen und amerikanischen Geheimdiensten für richtig und politisch legitim hält. Das muss der Bundestag dringend diskutieren und die Bundesregierung zwingen, eine Kurskorrektur vorzunehmen. Denn der Zweck heiligt nicht alle Mittel – auch nicht im ‚Kampf gegen den Terror‘. (sas/27.11.2013)

 

 

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