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Parlament

Jung, weiblich, muslimisch: Cemile Giousouf

Cemile Giousouf (CDU/CSU)

Cemile Giousouf (CDU/CSU) (© DBT/Melde)

Jung, weiblich, muslimisch: Cemile Giousouf hat mit ihrem Einzug in den Bundestag im September 2013 für Wirbel gesorgt. Kein Wunder, schließlich ist die 35-Jährige die allererste CDU-Abgeordnete überhaupt, die muslimischen Glaubens ist und türkische Wurzeln hat. Eine kleine Sensation.
Fünf Monate ist die Wahl inzwischen her, Cemile Giousouf – mit brünetter Ponyfrisur und markanter Brille – hält im Plenum ihre erste Rede. Sie macht das souverän: Wer ihr zuhört, bekommt eine Ahnung, weshalb die gebürtige Leverkusenerin eine Blitzkarriere in ihrer Partei hinter sich hat.

Unaufgeregt und eloquent zerpflückt sie den Forderungskatalog der Linksfraktion zur BAföG-Reform. Insbesondere von einer Streichung des Darlehensanteils und des Deutschlandstipendiums will die CDU-Politikerin nichts wissen, Letzteres wird von ihr spitz als „Antragsfolklore“ tituliert. „Ihre Maximalforderungen aus dem linken Wünsch-dir-was-Katalog wollen Sie durch neue Schulden und höhere Steuern finanzieren. Mit Verlaub: Das kann wirklich kein Mensch ernst nehmen“, sagt Giousouf zur Linksfraktion gewandt. Der Seitenhieb sitzt: Die hochschulpolitische Sprecherin der Linken, Nicole Gohlke, schaut missmutig weg.

Integrationsbeauftragte der Fraktion

Die Premiere im Plenum ist geglückt, doch sich lange damit aufzuhalten, ist nicht Giousoufs Sache. Zu viel gibt es für die Parlamentsnovizin zu tun, die nun Mitglied des Bildungsausschusses ist, stellvertretend im Innenausschuss sitzt und außerdem gerade zur Integrationsbeauftragten der CDU/CSU-Fraktion ernannt wurde.

Es ist ein beeindruckendes Tempo, das sie vorlegt. Gerade mal fünf Jahre ist Giousouf in der CDU: Bis vor Kurzem arbeitete sie noch als Referentin im nordrhein-westfälischen Integrationsministerium und sammelte erste kommunalpolitische Erfahrungen als Mitglied der Bezirksversammlung Aachen-Mitte. Jetzt sitzt sie im Bundestag und vertritt den Wahlkreis Hagen/Ennepe-Ruhr-Kreis I. Nicht ohne Grund kandidierte Giousouf hier: 35,5 Prozent der Menschen in Hagen haben eine  Migrationshintergrund – so viele wie in keiner anderen kreisfreien Stadt in Nordrhein-Westfalen.

Kein lästiges Etikett

Viel Zeit, sich in Berlin zu akklimatisieren, hatte sie nicht. Davon zeugt ihr Büro: Das Einzige, was die kahlen Wände ziert, ist ein Zeitungsausschnitt, den die Abgeordnete mit Tesafilm über ihren Schreibtisch geklebt hat. Darauf zu sehen: die Köpfe der 16 Kabinettsmitglieder. Die neue Situation scheint Giousouf genauso gut zu meistern wie den Umgang mit der gestiegenen öffentlichen Aufmerksamkeit an ihrer Person.

Empfindet sie die Bezeichnung „die erste muslimische CDU-Bundestagsabgeordnete“ als lästiges Etikett?  Giousouf lächelt strahlend: „Im Gegenteil. Es ist wichtig, dass jemand mit türkischen, muslimischen Wurzeln dabei ist. Das Thema Integration vertrete ich gern.“ Kein Wunder, es ist ihr Thema. Als Tochter türkischstämmiger Gastarbeiter aus Griechenland weiß Giousouf, wovon sie spricht. 1978 in Leverkusen geboren, wächst die kleine Cemile zwar wie so viele andere Gastarbeiterkinder zunächst auch bei Verwandten in der Heimat auf.

Migrationserfahrung als Triebfeder

Mit zwei Jahren kommt sie jedoch nach Deutschland. In Leverkusen wird sie eingeschult, macht Abitur und studiert in Bonn Politikwissenschaft, Soziologie und Islamwissenschaften. Eine Erfolgsgeschichte – doch auch Giousouf kennt die Hürden der Integration ebenso wie die alltäglichen Diskriminierungen: „Wenn man sieht, wie die Eltern bei Behörden aufgrund ihrer fehlender Deutschkenntnisse behandelt werden, dann macht das schon etwas mit einem“.  In der vierten KLasse gewinnt sie zwar einen Vorlesewettbewerb an der Schule, muss jedoch weiterhin die Förderklasse besuchen.

Statt für das Gymnasium erhält sie eine Empfehlung für die Realschule. „Es gibt viele dieser Fälle“, sagt sie. Meist aus falsch verstandener Fürsorge würden Einwandererkinder seltener auf höhere Schulen geschickt. „So kommt es, dass Bildungschancen hierzulande stark von der sozialen Herkunft abhängen“, moniert Giousouf. „Das wollen wir ändern. Jedes Kind soll seine Potenziale weiterentwickeln – unabhängig von sozialer und nationaler Herkunft.“ Sie selbst hatte Glück: Weil ihre Mutter dafür kämpfte, machte sie Abitur – übrigens mit einer  Eins in Deutsch.

„Das Gefühl, etwas verbessern zu wollen“

Diskriminierungen sind eine wichtige Triebfeder für Giousoufs politisches Engagement: „Da ist dieses Gefühl, etwas verbessern zu wollen, der jüngeren Generation den Weg ebnen zu wollen“, sagt sie entschlossen. Über Freunde kommt sie noch als Studentin 2004 in Kontakt mit dem Deutsch-Türkischen Forum, einer Unterorganisation der CDU. Diese hält sie zu diesem Zeitpunkt für eine „konservative Partei, in der Zuwanderer keine Rolle spielen können“.

Umso überraschter sei sie über die offenen Diskussionen hinter den Kulissen gewesen. „Ich hätte nicht gedacht, dass in der CDU Politiker so engagiert Integrationspolitik machen.“ Besonders beeindruckt ist sie von Armin Laschet, damals Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen, heute CDU-Landeschef und stellvertretender Bundesvorsitzender „Er hat einen Paradigmenwechsel eingeleitet und dazu beigetragen, dass wir nicht mehr nur über die Probleme von Zuwanderung sprechen, sondern auch·über die Potenziale.“ 

Ein Minister als Förderer

Nach dem Studium absolviert Giousouf ein Praktikum im Integrationsministerium und wird Laschet vorgestellt. Eine Begegnung mit Folgen: Der Minister wird ihr Förderer und motiviert die Praktikantin, sich für die CDU in seinem Aachener Kreisverband zu engagieren. 2009 tritt Giousouf tatsächlich in die CDU ein und kandidiert erfolgreich für die Bezirksvertretung.

Es ist eine Zeit, in der sich die Partei langsam für Zuwanderer öffnet. Kein Wunder, hat doch inzwischen fast ein Fünftel der Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund, in Nordrhein-Westfalen ist es sogar rund ein Viertel. Ein bedeutendes Wählerpotenzial, das die CDU nicht SPD und Grünen allein überlassen will.

Gesicht einer neuen CDU

Für viele Medien ist Giousoufs Bundestagskandidatur in erster Linie Teil eines strategischen Projekts, ein „strategisches Signal.“ Die Abgeordnete hört das nicht sonderlich gern: „Strategie hat immer so ein Geschmäckle“, wehrt sie sich, „als stecke etwas Unwahres dahinter.“  Dabei mache die CDU „eine sehr gute Integrationspolitik“ und habe „viel dafür getan, dass das Land offener geworden ist“, findet sie.

Während SPD und Grüne in der Vergangenheit hauptsächlich mit Forderungen nach einem EU-Beitritt der Türkei und der doppelten Staatsbürgerschaft auf Stimmenfang bei den Migranten gegangen seien, habe die Union zum Beispiel mit Sprachförderung, Integrationskursen, aber auch dem Anerkennungsgesetz den Schwerpunkt besonders auf Bildung gelegt, so Giousouf. „Wir diskutieren nicht mehr darüber, ob wir Einwanderungsland sind. Unser Land hat sich in den letzten Jahren stark verändert.“ 

Interkulturelle Öffnung und Willkommenskultur stärken

Offensichtlich aber noch nicht genug: „Ich habe nie verheimlicht, dass ich für eine Abschaffung der Optionspflicht bin“,  erklärt die CDU-Politikerin, die die deutsche ebenso wie die griechische Staatsangehörigkeit besitzt.

„Gute Bildungschancen finde ich persönlich allerdings wichtiger als zwei Pässe.“ (sas/24.03.2014)