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Parlament

Berufsschullehrer aus Bad Rothenfelde: Rainer Spiering

Rainer Spiering (SPD)

Rainer Spiering (SPD) (DBT/Melde)

Das „Moin“ hört man zuerst. Rau und fröhlich dröhnt es über die sonst so stillen Flure des Bundestages. Dann biegt Rainer Spiering (SPD) mit Mantel und Schal um die Ecke: kräftiger Händedruck, volles graues Haar und ein breiten Grinsen. Gerade hat er einen Fraktionskollegen erblickt, der ebenfalls auf dem Weg ins Büro ist. „Moin, Johann“, ruft Spiering und winkt. „Moin, Rainer“, schallt es zurück.


Von der Berufsschule in den Bundestag

Wer den 57-Jährigen so erlebt, kann ihn sich sofort in der Schule vorstellen. Lange ist das schließlich auch nicht her: Erst wenige Sitzungswochen liegen hinter Spiering, der neu für die SPD ins Parlament eingezogen und Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung geworden ist.

Noch im September unterrichtete er unter anderem junge Industrie- und Zerspanungsmechaniker an einer Berufsbildenden Schule in Osnabrück, nun hat er ein Abgeordnetenbüro nicht weit von der Reichstagskuppel entfernt. „Ich war 27 Jahre wirklich mit viel Liebe und Begeisterung Berufschullehrer“, sagt er und rührt in seinem Espresso, den ihm eine Mitarbeiterin reicht.

„Ein emotionaler Moment“

Trotzdem merkt man, wie sehr er sich über das Bundestagsmandat freut. „Im Reichstag zu sitzen, dort, wo Sozialdemokraten 1933 gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt haben, war etwas ganz Besonderes“, sagt er in Erinnerung an die konstituierende Sitzung des Bundestages im Oktober 2013. „Für mich ein emotionaler Moment.“

Zweimal musste der gelernte Werkzeugmacher aus Bad Rothenfelde im Osnabrücker Land Anlauf nehmen. Bei der letzten Bundestagswahl konnte er über die  Landesliste einziehen. Es ist der bisherige Höhepunkt seiner fast 25-jährigen politischen Arbeit, die im SPD-Ortsverein seiner Heimatgemeinde begann – und das eigentlich eher zufällig.

„Antipolitisches“ Elternhaus

Politik, und schon gar Berufspolitik, war in seinem Lebensweg keineswegs angelegt. Das Elternhaus, in dem er als zweitjüngstes von vier Kindern aufwächst, beschreibt Spiering als „bürgerlich“ und „strikt antipolitisch“. Der Vater, ein selbstständiger Tischlermeister, wird in der Weimarer Republik groß und erlebt, wie die Nationalsozialisten an die Macht kommen. Aus dem Zweiten Weltkrieg kehrt er schwer verwundet zurück. „Parteien gegenüber hatte er lebenslang eine große Skepsis“, erklärt Spiering.

Ganz anders Sohn Rainer: Dieser engagiert sich in der Schülervertretung und interessiert sich für Politik. Traditionsbewusst schlägt er dennoch zunächst die Handwerkerlaufbahn ein, macht eine Ausbildung zum Werkzeugmacher bei den Dürkopp-Werken in Halle. Dass er damit auch Gewerkschaftsmitglied wird, ist selbstverständlich: „In dem Moment, wo du durchs Werkstor getreten bist, warst du in der IG Metall. Das gehörte einfach dazu“, sagt Spiering. Schnell sei er Jugendvertreter geworden, erzählt er. Drei Jahre später, 1976, dann Mitglied der SPD.

„SS-Staat“ von Egon Kogon

Gab es für den Parteieintritt einen bestimmten Grund? Spiering stutzt: „Was für eine Frage!“, ruft er. „Wenn Du IG-Metaller und Jugendvertreter bist, dann bist du Sozialdemokrat!“ Doch seine Verbundenheit mit der Partei geht über Beruf und Gewerkschaftszugehörigkeit hinaus. Schon als Jugendlicher interessiert er sich für Geschichte, liest das Buch „Der SS-Staat“ von Egon Kogon.

Dessen schonungsloser Bericht über das System der Konzentrationslager und die Gräueltaten der Nazis habe ihn geprägt: „Dieses Buch war ganz zentral für mich.“ Angesichts des Widerstands der Sozialdemokratie gegen die Nationalsozialisten habe es für ihn auch keine andere Partei als die SPD geben können.

Metallwissenschaften und Sport

Aktiv in der Partei wird er zunächst aber nicht. Ausbildung, Studium und Familiengründung stehen die nächsten zehn Jahre an erster Stelle: Nach der Lehre holt Spiering auf dem zweiten Bildungsweg das Fachabitur nach, studiert an der Fachhochschule Osnabrück Werkstofftechnik. Mit 24 hat er das Ingenieur-Diplom in der Tasche. Er setzt noch ein zweites Studium drauf: Obwohl er bereits mit seiner Frau Jutta verheiratet und das älteste von drei Kindern geboren ist, geht er 1980 nach Hamburg.

Dort studiert er Metallwissenschaften und Sport auf Gewerbelehramt. Gerade Sport macht dem bis heute passionierten Rennradfahrer großen Spaß. Als Schüler sei er „sehr selbstbewusst“ gewesen, erinnert er sich, und habe die Autorität von Lehrern angezweifelt. Nun zieht es ihn ausgerechnet selbst in den Lehrberuf? „Vielleicht als Konsequenz“, sagt er nachdenklich.  

„Gegen den Willen der Bürger geht nichts“

Nach dem Referendariat kehrt Spiering, der sich als in seiner Heimat tief verwurzelt beschreibt, nach Bad Rothenfelde zurück, wo er bis heute in seinem Elternhaus lebt. Einen anderen Ort kann er sich kaum vorstellen: „Das ist unser Familiensitz seit über hundert Jahren!“ Dass er hier den Weg in die Politik findet, ist ein Zufall: „Hätte nicht der bisherige Vorsitzende des Ortsvereins einen Nachfolger gesucht und mich angesprochen, dann wäre ich vielleicht nie in die Politik hineingeraten“, sagt der Sozialdemokrat. Schnell jedoch fängt er Feuer: „Wenn man merkt, dass man etwas gestalten kann, dann bleibt man dabei“, sagt er.

Plötzlich springt er von seinem Sessel auf und geht ein paar Schritte zur gegenüberliegenden Wand, wo ein Plan der Gemeinde Bad Rothenfelde hängt. 1991 ist er dort erstmals in den Gemeinderat eingezogen. „Das hier ist unser Verkehrskonzept“, erklärt Spiering und zeigt, wo in dem kleinen Kurort Tempo-30-Zonen eingerichtet wurden und auf welchen Straßen Autos gar nicht mehr fahren dürfen. Die Idee zu dem Konzept ist seine. Doch bis es Wirklichkeit wurde, musste Spiering gegen viele Widerstände kämpfen.  Über die Politik habe er dabei viel gelernt, sagt er. Zum Beispiel: „Gegen den Willen der Bürger geht gar nichts.“

„Berufsbildung – das ist mein Thema“

Wie damals in die Kommunalpolitik ist Spiering auch in das Bundestagsmandat mit einem Anliegen gestartet. Sollte damals die Innenstadt von Bad Rothenfelde autofrei werden, will er nun das duale System der beruflichen Bildung stärken. „Wir haben nicht genügend Hochschulen, an denen man das Gewerbelehramt studieren kann. Wir bilden auch nicht genügend Lehrer aus“, moniert der frühere Berufsschullehrer.

Zudem warnt er davor, im Rahmen der zunehmenden Angleichung innerhalb Europas die Standards in den einzelnen Fächern zu senken. „Wir müssen unser Level halten, ohne Abstriche“, betont er. Dass er im Bundestag angekommen ist, spürt man dabei sehr genau: „Ich fühle mich absolut am richtigen Platz.“ (sas/24.03.2014)

 

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