+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

Auswärtiges

Bundestag gedenkt des Genozids in Ruanda

Plenardebatten müssen kein Schlagabtausch sein, sie können auch Gemeinsamkeiten herausstellen. So war es am Freitag, 4. April 2014, bei der Debatte über einen Antrag (18/973) zum Gedenken an die Opfer des Genozids in Ruanda vor 20 Jahren. Die Gemeinsamkeit umfasste nicht nur die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die den Antrag gemeinsam eingebracht hatten, sondern auch die Fraktion Die Linke.

Steinmeier: Konnten Versprechen nicht halten

Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) stellte zunächst eindringlich dar, was sich zwischen April und Juli 1994 in dem ostafrikanischen Land abspielte. „Es ist schwer zu begreifen, dass die Erde sich weiterdreht nach einem solchen Grauen des Völkermords.“ Steinmeier zog eine Linie zu dem Völkermord, den das eigene Land in der Nazizeit zu verantworten hatte.

„Seien wir ehrlich“, sagte er, „wir haben schon einmal 'niemals wieder' gerufen, das war 1948 nach dem Holocaust, als die Vereinten Nationen die Völkermordkonvention beschlossen haben. Doch wir haben dieses Versprechen nicht halten können.“ Und er erinnerte an Länder wie den Kongo, Zentralafrika und Syrien, wo man ebenfalls „vor einem endlosen Blutvergießen“ stehe, auch wenn es sich nicht in jedem Fall um Völkermord handele.

Erkennbar war es dem Bundesaußenminister wichtig, auch ein positives Bild von Afrika zu zeichnen. Es verändere sich „schneller als unsere Wahrnehmung von Afrika“. „Afrika ist ein Kontinent im Aufbruch, und wir müssen diesen Aufbruch massiver unterstützen.“ Die Afrikanische Union (AU) sei, wie die Europäische Union, von der Leitidee des Miteinander geprägt. Heute habe die AU 70.000 Soldaten zur Friedenssicherung innerhalb Afrikas im Einsatz. Wichtig sei im Übrigen, dass alle Menschen in Afrika an den Reichtümern des Kontinents teilhaben. „Nur dann“, stellte Steinmeier fest, „werden wir Frieden haben“.

Linke fragt nach Schuld der Europäer

Stefan Liebich (Die Linke) ging ausführlich darauf ein, welche Rolle die Kolonialmächte an der Entwicklung von Feindschaft zwischen Hutu und Tutsi, ja an der Definition dieser ruandischen Bevölkerungsteile als unterschiedliche Völker hatten. „Soziale Unterschiede wurden ethnisiert, damit die europäischen Mächte das Land leichter beherrschen und die Gruppen gegeneinander ausspielen können.“

Liebich fragte aber auch nach Versäumnissen der Europäer unmittelbar vor dem Völkermord. „Vor solchen Verbrechen liegt die Verantwortung zu vermeiden, dass es überhaupt so weit kommen kann.“ In Frankreich laufe eine Petition, um unter Verschluss gehaltene Akten zur Rolle des Landes im Vorfeld des Genozids offenzulegen. Liebich forderte Bundesaußenminister Steinmeier auf, in Frankreich aktiv zu werden und Aufklärung zu fordern.

Als Lehre aus den Geschehnissen vor 20 Jahren  verlangte Liebich mehr vorbeugende Politik. Von der Linie seiner Fraktion, deutsche Militäreinsätze im Ausland abzulehnen, wich er nicht ab. Vielmehr appellierte er an die anderen Fraktionen: „Bitte legitimieren Sie keine neuen Militäreinsätze in Situationen, die mit Ruandas Völkermord nicht zu vergleichen sind, mit dessen hunderttausenden Toten.“

CDU/CSU: Militär als äußerstes Mittel

Liebichs Darstellung der europäischen Verantwortung für die Geschehnisse in Ruanda stimmte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Philipp Mißfelder, uneingeschränkt zu. Er sprach aber auch den einen Punkt an, in dem es „hier in diesem Haus“ keine Übereinstimmung gebe.

Die Vereinten Nationen hätten in einem Bericht das Versagen der Staatengemeinschaft in Ruanda herausgearbeitet und daraus das neue Prinzip der Schutzverantwortung (responsibility to protect) entwickelt. Die „Selbstblockade der UNO“ führe zwar häufig dazu, dass dieses Prinzip nicht angewandt wird. Man müsse aber „auch bereit sein, zum Schutz der Zivilbevölkerung militärische Maßnahmen zu ergreifen, als äußerstes Mittel der Politik“.

Grüne fragen nach deutschen Versäumnissen

Noch stiller als ohnehin schon wurde es im Plenarsaal, als Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) sprach. Die gelernte Krankenschwester hat als Entwicklungshelferin den Beginn des Völkermordes in Ruanda miterlebt, bevor sie evakuiert wurde und fassungslose, hilflose Menschen zurücklassen musste. Nun forderte sie, die Überlebenden mehr in den Mittelpunkt der Debatte zu rücken. „Die – richtige – Konzentration auf die Verurteilung der Täter vernachlässigt nach wie vor die Frage, wie die Opfer, wie die Zeugen besser unterstützt werden können.“

Schulz-Asche verlangte auch Antworten auf offene Fragen zur deutschen Rolle. Seit 1992 habe es Hinweise auf Vorbereitungen für den Völkermord gegeben. „Was wurde aufgrund all dieser Warnungen getan? Warum wurden geheimdienstliche Erkenntnisse Deutschlands nicht an die UN-Ruanda-Mission weitergeleitet? Warum wurde die Bitte der UN im Mai 1994 nach Sanitätssoldaten verweigert?“ Alle zusammen sollten eine Antwort auf die Frage finden: „Warum habt ihr uns nicht geholfen?“

SPD: Was bedeutet Schutzverantwortung?

Wie schon Philipp Mißfelder stellte auch Niels Annen (SPD), ohne eine schlüssige Antwort bieten zu können, die Frage in den Raum, was die Schutzverantwortung als neue Kategorie des Völkerrechts konkret bedeute. „Die Diskussion über den Einsatz der NATO in Libyen zeigt uns, wie schmal der Grat zwischen berechtigtem auch militärischen Eingreifen auf der einen und der Überinterpretation eines auf der Schutzverantwortung basierenden Mandates der Vereinten Nationen auf der anderen Seite ist.“

Die eigentliche Bedeutung der Schutzverantwortung liege in der Verpflichtung, Staaten in die Lage zu versetzen, Massengewalttaten im Vorfeld zu verhindern. Zentrale Aufgabe der deutschen Politik müsse daher sein, diese Fähigkeiten aufzubauen und dabei mit den afrikanischen Staaten und der Afrikanischen Union zusammenzuarbeiten.

Gemeinsamkeit mit Einschränkung

Etwas getrübt wurde der Geist der Gemeinsamkeit nur, als Wolfgang Gehrcke (Die Linke) darauf hinwies, dass seine Fraktion gerne an dem Antrag der anderen Fraktionen mitgearbeitet hätte. Die „Kleinkariertheit“, dass man vor dem Hintergrund des Völkermords „die Linke ausgrenzt, an einem solchen Antrag mitzuarbeiten, ihre Fragen einzubringen, das muss sich hier im Hause ändern,“ forderte Gehrcke.

Bei der Abstimmung über den Antrag enthielt sich die Fraktion Die Linke denn auch der Stimme, alle anderen stimmten zu. (pst/04.04.2014)

Marginalspalte