Soziale Konsequenzen der Euro-Krise in Europa
Ist Europa ein Erfolgsmodell Ja oder Nein? Mit dieser Frage, vor allem bezogen auf die sozialpolitische Komponente, beschäftigte sich der Bundestag am Donnerstag, 8. Mai 2014. Gegenstand der Debatte waren zwei Anträge der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen. Die Linksfraktion forderte in ihrem Antrag (18/1116) unter anderem ein Ende der Kürzungspolitik als Mittel der Krisenbekämpfung innerhalb der EU und eine Reform der EU-Strukturpolitik, mit dem Ziel der „Rücknahme der marktradikalen Ausrichtung“. Außerdem verlangten die Linken eine einmalige Abgabe auf Vermögen ab einer Million Euro, eine Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent und ein EU-weites Koordinationsprogramm für öffentliche Investitionen. Die Grünen forderten in ihrem Antrag (18/1343), den Antragstopp für das Programm „MobiPro-EU“ aufzuheben. Das Programm wurde im Januar 2013 von der schwarz-gelben Bundesregierung gestartet und bietet jungen europäischen Ausbildungswilligen beziehungsweise Fachkräften bis 35 Jahren Hilfe bei der Suche nach einer beruflichen Perspektive in Deutschland an.
Linke: Wer bezahlt für die Krise?
Sabine Zimermann (Die Linke) stellte fest, dass die Bundesregierung nicht müde werde, das Erfolgsmodell Europa zu preisen. „Aber was ist das für ein Sozialmodell, das zulässt, dass 125 Millionen Menschen in Armut und sozialer Ausgrenzung leben?“, fragte sie. Das sei nicht das Europa, das die Menschen in Deutschland wollen, war sie sich sicher.
Zur Illustration ihrer Argumente führte sie den Umstand an, dass LKW-Fahrer in Deutschland mit 5.000 D-Mark Einkommen einst als gut bezahlt galten, mittlerweile aber 80.000 von ihnen ihren Lohn mit Hartz-IV aufbessern müssen. „Hier muss sich deutlich was ändern“, forderte Zimmermann. Es könne nicht sein, dass die Beschäftigten mit Lohnabbau und Beschränkung ihrer Arbeitnehmerrechte für eine Krise bezahlen müssen, die sie nicht verursacht haben. „Wer ein soziales Europa will, der muss es von den Reichen nehmen“, sagte Zimmermann.
CDU/CSU: Wir leben auf sehr hohem Wohlstandsniveau
Mark Helfrich (CDU/CSU) erwiderte, er lasse sich das Erfolgsmodell Europa nicht durch den Linken-Antrag kleinereden. „Wir leben auf einem sehr hohen Wohlstandsniveau und erst die Wirtschafts- und Währungsunion hat diesen Wohlstand ermöglicht“, so seine Überzeugung. Helfrich verteidigte die Krisenprogramme der EU, schließlich hätten diese bewirkt, dass Krisenländer wie Portugal nun wieder auf eigenen Beinen stehen können.
Gleichwohl stellte er fest, dass die Chance auf Arbeit in der EU ungleich verteilt sei und verwies in diesem Zusammenhang auf Programme wie den Europäischen Sozialfonds, aus dessen Mitteln Länder mit einer besonders hohen Jugendarbeitslosigkeit Unterstützung bekommen können. „Wir wollen nicht, dass Menschen ihr Land verlassen müssen, weil sie dort keine Perspektive haben“, betonte der Abgeordnete.
Grüne: Für einen „Europäischen Konvent“
Wolfgang Strengmann-Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) konnte in den Äußerungen seines Vorredners keine soziale Vision von Europa erkennen. Helfrich habe vergessen, dass soziale Stabilität Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg von Gesellschaften sei. Die gravierenden Einschnitte in den sozialen Sektor durch die Auflagen der EU lasse in den Krisenländern die Zustimmung zur EU weiter sinken, so Strengmann-Kuhn.
Die Grünen hätten den Krisenprogrammen dennoch zugestimmt, „weil wir den Ländern helfen wollten“. Er forderte den „Ausbau von Netzen der sozialen Sicherung für alle Länder und eine höhere Besteuerung der Reichen“, um die sozialpolitischen Ziele der EU umzusetzen. Zudem sollte ein „Europäischer Konvent“ eingerichtet werden, auf dem eine gemeinsame Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik in den EU-Staaten öffentlich diskutiert wird.
SPD für starke Arbeitnehmerrechte
Dagmar Schmidt (SPD) betonte, Europa sei schon immer ein Projekt gewesen, um soziale Integration zu fördern: „Da ist schon vieles erreicht, aber noch viel zu tun“, ergänzte sie. Das soziale Europa gelinge nur, wenn wir gemeinsam die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Es könne nicht sein, dass die Armut vieler Menschen einerseits steige, während im Bankensektor schon wieder die Sektkorken knallen.
„Ein sozial gespaltenes Europa wollen wir aber nicht.“ Dafür seien starke Arbeitnehmerrechte und Gewerkschaften, gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort und Investitionen in Bildung die richtigen Rezepte. Nur so könne man die Menschen für Europa gewinnen, sagte Schmidt. (che/08.05.2014)