Kontroverse um Ausstieg aus Kohleverstromung
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will parallel zum Atomausstieg auch aus der Kohleverstromung aussteigen. Ein entsprechender Antrag (18/1962) stand am Freitag, 4. Juli 2014, im Bundestag zur Debatte. Auch die Fraktion Die Linke beantragte den Kohleausstieg (18/1673). Der jüngste Weltklimabericht stelle fest, dass ein unkontrollierter Klimawandel nur zu verhindern sei, wenn die Kohle „da bleibt, wo sie ist: unter der Erde“, stellte Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) in der Aussprache fest. In Deutschland sei aber zuletzt sogar mehr Kohle verstromt worden, und Brandenburg wolle den Braunkohletagebau ausweiten. Es sei „immer wieder peinlich, wenn wir auf internationalen Konferenzen darauf angesprochen werden“, beklagte Baerbock.
Grüne: Energiewende geht nicht mit Kohle
In ihrem Antrag (18/1962) mit dem Titel „Kohleausstieg einleiten, überfälligen Strukturwandel im Kraftwerkspark gestalten“ fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für neue und bestehende fossile Kraftwerke einen Kohlendioxid-Grenzwert analog zur Regelung in Großbritannien. Der Grenzwert soll sich an der Jahresemission eines modernen Gaskraftwerks orientieren.
Dabei soll den Kraftwerksbetreibern die betriebswirtschaftliche Flexibilität eingeräumt werden, ihre Kraftwerke bis zum Erreichen der Jahresobergrenze weiter zu betreiben oder sie stillzulegen. Damit würden „die ältesten, ineffizientesten, unflexibelsten und klimaschädlichsten Kraftwerke zuerst außer Betrieb gehen“, heißt es in dem Antrag. „Deutschland kann nicht Energiewendeland werden und gleichzeitig Kohleland bleiben“, begründete Baerbock den Vorstoß.
CDU/CSU sieht „Aussteigeritis“
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) bescheinigte den Grünen einen „schweren Fall von Aussteigeritis“. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung sei seit dem Jahr 2000 von 7 auf 25 Prozent gewachsen. Dennoch erbringe Kohle heute den größten Teil der Stromerzeugung und werde das noch einige Zeit erbringen, „denn wir sind gerade dabei, aus der Kernenergie auszusteigen“. Genau das hätten die Grünen immer gefordert. „Sie beklagen, dass Kohle gerade eine Rolle spielt, die sie nicht mehr spielen müsste.“
Pfeiffer hob hervor, dass deutsche Technologie zur Kohleverstromung helfen könne, das Klima zu schützen. Denn die deutschen Kraftwerke erreichten einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von 46 Prozent bei Steinkohle und 43 Prozent bei Braunkohle, während der weltweite Wirkungsgrad bei nur durchschnittlich 30 Prozent liege. Ginge es nach den Grünen, dürfe Deutschland seine hocheffiziente Technologie nicht exportieren.
Linke: bis 2040 raus aus der Kohle
Braunkohlekraftwerke seien ein „überkommenes Relikt aus dem fossilen Energiezeitalter“, sagte Eva Bulling-Schröter (Die Linke) zur Begründung des Antrags (18/1673) ihrer Fraktion mit dem Titel „Energiewende durch Kohleausstiegsgesetz absichern“. Darin wird gefordert, ab sofort den Neubau von Kohlekraftwerken und Neuaufschluss von Tagebauen zu untersagen und das letzte Kohlekraftwerk 2040 stillzulegen. Bis dahin solle die erlaubte Strommenge aus Kohle schrittweise reduziert werden.
Bulling-Schröter begründete die Forderung nach einem Ausstiegsgesetz auch damit, dass der Emissionshandel „kläglich gescheitert“ sei. Um Kohle zu verdrängen, müsse ein Kohlendioxid-Emissionszertifikat 60 bis 80 Euro kosten, tatsächlich koste es derzeit aber nur fünf Euro. Würde man aber die Zertifikate so verteuern, dass die Kohle vom Markt verdrängt wird, „würde das die Verbraucher teuer zu stehen kommen“.
SPD kritisiert „fragmentierte Energiepolitik“
Für die SPD-Fraktion bekräftigte Dirk Becker das „gemeinsame Ziel“, die Kohlendioxidemissionen in Deutschland bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren. Wenn die Grünen aber in ihrem Antrag auf Großbritannien verwiesen, sei das „nicht glaubwürdig“, da das Land gerade neue Atomkraftwerke baue.
Becker kündigte für die Zeit nach der Sommerpause eine Debatte „im Zusammenhang“ an, „wie die Energiewende zum Erfolg geführt werden kann“. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel beabsichtige, dazu ein Grünbuch zu erarbeiten.
„Fragmentierte Energiepolitik geht nicht“
„Was nicht geht“, sagte Becker an die Adresse von Grünen und Linken, „ist, dass wir weiterhin eine fragmentierte Energiepolitik machen: Heute machen wir das EEG, jetzt machen wir ein Kohleausstiegsgesetz, morgen machen wir dies, übermorgen jenes“.
Der Bundestag beschloss, die zur Debatte stehenden Anträge an die Ausschüsse zu überweisen. Federführend ist der Ausschuss für Wirtschaft und Energie. (pst/04.07.2014)