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Parlament

Vor 100 Jahren: Reichstag billigt Kriegskredite

Eine Aufnahme in Schwarz-Weiß vom Plenarsaal des Reichstages am 4. August 1914

Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg während seiner Rede vor dem Reichstag am 4. August 1914 (pa/akg)

Als sich vor 100 Jahren, am 4. August 1914 um 13 Uhr, die Abgeordneten des deutschen Reichstages mit Ausnahme der Sozialdemokraten zu einer außerordentlichen Sitzung des Parlaments im Weißen Saal des Königlichen Schlosses zu Berlin versammelten, befand sich das Deutsche Reich im Kriegszustand. Am 28. Juni 1914 waren der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau Sophie von Hohenberg in Sarajewo von serbischen Attentätern ermordet worden.

Blankoscheck für Österreich-Ungarn

Anfang Juli hatten Kaiser Wilhelm II. und die Reichsregierung gegenüber Österreich-Ungarn in dem so genannten „Blankoscheck“ ihre volle Unterstützung und Bündnistreue bekräftigt. Am 28. Juli 1914 erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg.

Nachdem die österreichischen Truppen am 29. Juli mit der Beschießung Belgrads begonnen hatten, ordnete Zar Nikolaus II. am 30. Juli 1914 die Gesamtmobilmachung der russischen Truppen an. Als Russland ein deutsches Ultimatum, seine Mobilmachung rückgängig zu machen, verstreichen ließ, erklärte das Deutsche Reich Russland am 1. August 1914 den Krieg.

Einmarsch in Luxemburg und Belgien

Am Tag darauf besetzten deutsche Truppen das wegen seiner Eisenbahnverbindungen strategisch wichtige Großherzogtum Luxemburg. Am selben Tag überreichte der deutsche Gesandte dem belgischen Außenministerium ein Ultimatum und verlangte die Zusicherung wohlwollender Neutralität, insbesondere des ungehinderten Durchmarschs der deutschen Truppen nach Frankreich.

Am 3. August erklärte das Deutsche Reich Frankreich den Krieg und marschierte in Belgien ein. Noch hoffte die deutsche Reichsregierung, dass Großbritannien trotz des Einmarsches ins neutrale Belgien nicht in den Krieg eintreten würde.

Sondersitzung des Reichstags

Nach den Kriegserklärungen des Deutschen Reichs an Russland am 1. August und Frankreich am 3. August hatten die Mitglieder des Reichstags in der Nacht vom 3. auf den 4. August ein Telegramm erhalten, das sie aufforderte, am nächsten Tag zu einer Sondersitzung des Parlaments nach Berlin zu kommen.

Die Einberufung des Reichstages war erforderlich, um den notwendigen Kriegskrediten die Zustimmung zu erteilen. Das Budgetrecht war das wichtigste Recht des Reichstages. Von seiner Zustimmung hing die Finanzierung des Krieges ab.

Thronrede im Königlichen Schloss

Entgegen den Wünschen der Sozialdemokratie hielt Kaiser Wilhelm II. die einleitende Rede jedoch nicht im Reichstagsgebäude, sondern im Königlichen Schloss. Daraufhin verweigerten die SPD-Abgeordneten ihre Anwesenheit, die sie im Falle einer Verlegung in den Reichstag zugesagt hatten.

In seiner Thronrede betonte der Kaiser, sein Möglichstes getan zu haben, um einen Krieg zu verhindern. Der nun ausgebrochene Krieg sei ein Verteidigungskrieg und „das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Übelwollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs“.

Der Kaiser kennt nur noch Deutsche

„Uns treibt nicht Eroberungslust, uns beseelt der unbeugsame Wille, den Platz zu bewahren, auf den Gott uns gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter. Aus den Schriftstücken, die Ihnen zugegangen sind, werden sie ersehen, wie meine Regierung und vor allem mein Kanzler bis zum letzten Augenblick bemüht waren, das Äußerste abzuwenden. In auf gedrungener Notwehr mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das Schwert.“

Im Anschluss wiederholte er die Worte, die er schon am 1. August vom Balkon des Stadtschlosses verkündet hatte: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche.“ Begeistert stimmten die Parlamentarier daraufhin die Kaiserhymne „Heil Dir im Siegerkranz“ an.

„In erzwungenem Kriege mit Russland und Frankreich“

Erst nach der Kaiserrede verlegte sich der Reichstag wieder ins Reichstagsgebäude, sodass auch die sozialdemokratischen Abgeordneten an den Verhandlungen teilnehmen konnten.

Reichskanzler Dr. Theobald von Bethmann Hollweg (1856-1921) eröffnete die anschließenden Beratungen des Reichstags, in dem er noch einmal die friedlichen Absichten seiner Regierung unterstrich: „Wir wollten in friedlicher Arbeit weiterleben, und wie ein unausgesprochenes Gelübde ging es vom Kaiser bis zum jüngsten Soldaten: nur zur Verteidigung einer gerechten Sache soll unser Schwert aus der Scheide fliegen. Der Tag, da wir es ziehen müssen, ist erschienen - gegen unseren Willen, gegen unser redliches Bemühen. Russland hat die Brandfackel an das Haus gelegt. Wir stehen in einem erzwungenen Kriege mit Russland und Frankreich.“

Kriegskredite einstimmig gebilligt

Einstimmig und mit der Zustimmung der jahrelang als Reichsfeinde diskreditierten Sozialdemokraten bewilligen die Abgeordneten Kriegskredite in Höhe von fünf Milliarden Mark. Die SPD hatte damit auch zum ersten Mal Ihre Zustimmung zu einem Haushalt erklärt. Das „Gesetz, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Reichshaushaltsetat für das Rechnungsjahr 1914“ war nur eines von 17 „Kriegsgesetzen“, die der Reichstag in einer knappen Viertelstunde nach allen drei Lesungen beschloss. Sie wurden noch am selben Tag vom Kaiser unterschrieben und im Reichsgesetzblatt veröffentlicht.

Unter den Sozialdemokraten, die sich bisher mit allen Mitteln für eine Erhaltung des Friedens eingesetzt und gegen den drohenden Krieg auf die Straße gegangen waren, war es im Vorfeld zu heftigen Diskussionen um die Zustimmung zu den Kriegskrediten gekommen. Noch am 25. Juli hatte es in einem Aufruf des SPD-Vorstandes geheißen: „Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Kriege! Hoch die internationale Völkerverbrüderung!“

Wachsende Kriegsgefahr

Zwischen dem 28. und dem 30. Juli 1914 war es angesichts der wachsenden Kriegsgefahr in Berlin und anderen deutschen Städten zu Antikriegskundgebungen gekommen.

Am 3. August, nur wenige Tage später, war die sozialdemokratische Reichstagsfraktion zu Beratungen über die Zustimmung zu den Kriegskrediten zusammengekommen. Im Glauben an eine notwendige Verteidigung hatte sich eine deutliche Mehrheit von 78 gegen 14 Abgeordnete für die Zustimmung ausgesprochen.

SPD: Wir lassen das Vaterland nicht im Stich

Zu der überstimmten Minderheit gehörte der Fraktionsvorsitzende Hugo Haase (1863-1919). Bei 24 Gegenstimmen wurde außerdem der Fraktionszwang beschlossen. Zwei Abgeordnete, die sich dazu nicht in der Lage sahen, verließen deshalb vor der Abstimmung im Reichstag den Saal, um das Bild der Einstimmigkeit zu wahren.

„Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich“, begründete der Fraktionsvorsitzende Hugo Haase die Entscheidung der Sozialdemokraten. „Wir fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat, wie wir auch in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen.“

Ermächtigungsgesetz verabschiedet

Gleichzeitig appellierte er an die Regierung, auf jegliche Annexionen während des Krieges zu verzichten. „Wir fordern, dass dem Kriege, sobald das Ziel der Sicherung erreicht ist und die Gegner zum Frieden geneigt sind, ein Ende gemacht wird durch einen Frieden, der die Freundschaft mit den Nachbarvölkern ermöglicht.“

Neben der Bewilligung der Kriegskredite verabschiedete das Parlament ein Ermächtigungsgesetz und übertrug seine Gesetzgebungskompetenz auf den Bundesrat. Das „Gesetz über die Ermächtigung des Bundesrats zu wirtschaftlichen Maßnahmen und über die Verlängerung der Fristen des Wechsel- und Scheckrechts im Falle kriegerischer Ereignisse“ ermächtigte den Bundesrat unter dem Vorsitz des Reichskanzlers, „während der Zeit des Krieges diejenigen gesetzlichen Maßnahmen anzuordnen, welche sich zur Abhilfe wirtschaftlicher Schädigungen als notwendig erweisen“.

Weitgehend entmündigter Reichstag

Der damit weitgehend entmündigte Reichstag behielt noch das Haushaltsrecht und damit die Finanzierung des Krieges. Die Abgeordneten beschlossen für die Dauer des Krieges auf Neuwahlen und selbst auf Nachwahlen für frei gewordene Sitze zu verzichten. Die ansonsten zerstrittenen Parteien schlossen einen innenpolitischen Burgfrieden und vereinbarten für die Dauer des Krieges, ihre Auseinandersetzungen nicht mehr in die Öffentlichkeit zu tragen.

Die Sitzung endete mit Hurrarufen auf Kaiser, Volk und Vaterland. Der Reichskanzler bejubelte die Einigkeit mit den Worten: „Was uns auch beschieden sein mag, der 4. August 1914 wird bis in alle Ewigkeit herein einer der größten Tage Deutschlands sein“, und der Präsident des Reichstages Dr. Johannes Kaempf (1842-1918) beteuerte in seinem Schlusswort, „dass das deutsche Volk einig ist bis auf den letzten Mann, zu siegen oder zu sterben auf dem Schlachtfelde für die deutsche Ehre und die deutsche Einheit“.

Britische Kriegserklärung

Der 4. August 1914 war nicht nur der Tag von Kaiserrede und Burgfrieden, sondern auch der Tag, an dem mit Großbritannien die letzte europäische Großmacht in den Krieg eintrat. Deutschland ließ an diesem Tag ein britisches Ultimatum verstreichen, in dem der sofortige Rückzug aus dem neutralen Belgien verlangt wurde; um Mitternacht folgte die britische Kriegserklärung an das Deutsche Reich.

Im Verlauf des Ersten Weltkrieges starben neun Millionen Soldaten und sechs Millionen Zivilisten durch bis dahin unbekannte Massenvernichtungswaffen bis hin zum Giftgas. 40 Staaten beteiligten sich an dem Krieg. Am Ende brachen die Monarchien in Deutschland, Österreich-Ungarn, Russland und im Osmanischen Reich zusammen. (klz/28.07.2014)

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